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Seit Jahr und Tag zählt es zum guten Ton zwischen Lissabon und Tallinn, Dublin und Bukarest, auf die unzureichende Europäisierung der nationalen politisch-literarischen Debatten zu verweisen und diesen Zustand zu beklagen. Er ist ja auch beklagenswert. Wie aber hätten »europäische Zeitschriften« auszusehen, unter welchen Bedingungen könnten sie sich etablieren, und aus welchen Konstellationen heraus wurden sie in der Vergangenheit lanciert? Von diesen Fragen lässt sich Roman Léandre Schmidt in der ersten Studie zur Genese von Lettre internationale anleiten. Es ist eine bewegte und in weiten Teilen wenig bekannte Geschichte, die dabei zutage tritt. Einige ihrer Stationen: Das transnationale Netzwerk reformkommunistischer Intellektueller und der »Geist von Prag« in den 1960er Jahren; der politischliterarische Diskurs der 1970er Jahre über Antitotalitarismus und Dissidenz; die Krise der französischen Intellektuellen um 1980; schließlich die Gründung von Lettre internationale durch den tschechischen Publizisten Antonin Liehm, zunächst in Paris, dann in zahlreichen Ländern und Sprachen zwischen Atlantik und Ural. Ein Buch über die Schwierigkeiten grenzüberschreitender Medien in Europa – aber auch über die Kunst des Zeitschriftenmachens. Ein intellektuelles Abenteuer von höchster Aktualität.