Die Rolle des olfaktorischen Epithels in der initialen Phase der Infektion mit dem neurotropen Borna disease virus von Alexandra Kupke | ISBN 9783835964440

Die Rolle des olfaktorischen Epithels in der initialen Phase der Infektion mit dem neurotropen Borna disease virus

von Alexandra Kupke
Buchcover Die Rolle des olfaktorischen Epithels in der initialen Phase der Infektion mit dem neurotropen Borna disease virus | Alexandra Kupke | EAN 9783835964440 | ISBN 3-8359-6444-5 | ISBN 978-3-8359-6444-0
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Die Rolle des olfaktorischen Epithels in der initialen Phase der Infektion mit dem neurotropen Borna disease virus

von Alexandra Kupke
Die Rolle des olfaktorischen Epithels in der initialen Phase der Infektion mit dem neurotropen Borna disease virus Alexandra Kupke
1. Ein Ziel dieser Arbeit war die detaillierte morphologische Charakterisierung des olfaktorischen Epithels (OE) des Pferdes, einem der Haupt- bzw. Fehlwirte des klassischen Virus der Bornaschen Krankheit (BDV), und der Vergleich mit dem olfaktorischen Epithel der Ratte, einem seit langem etablierten Tiermodell zur Untersuchung dieser neurotropen Virusinfektion. Durch die Untersuchung der Zytoarchitektur und der Proteinexpression auf zellulärer Ebene sollten speziesspezifische Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufgedeckt werden, um zu bestimmen, ob gleichartige Infektionswege über dieses Epithel vorliegen können. Die initiale Phase der BDV-Infektion war bislang nur unzureichend charakterisiert. Bei welchen Zellen des olfaktorischen Epithels es sich um die primären Zielzellen des Virus handelt und ob eine Virusvermehrung im Epithel für eine erfolgreiche Ausbreitung ins ZNS notwendig ist, war bisher unbekannt und war daher ein Teil der Fragestellung dieser Arbeit. Darüber hinaus sollten In-vitro-Modelle für die BDV-Infektion entwickelt und auf ihre Eignung als Ersatz für einen Tierversuch im Sinne des 3R-Prinzips getestet werden.
2. Um das olfaktorische Epithel des Pferdes morphologisch zu charakterisieren, wurden die Nasen von 5 Pferden vollständig histologisch aufgearbeitet. Das OE fand sich vornehmlich auf den drei Nasenmuscheln, wobei eine deutliche Reduktion in rostraler Richtung zu erkennen war. Wie bei Bock et al. (BOCK et al., 2009) für den Hund beschrieben, konnten auch beim Pferd zwei Typen des OEs gefunden werden, die ähnliche morphologische Kriterien aufwiesen. Während bei Bock et al. im Typ A vorwiegend reife und im Typ B unreife Neurone dominierten, konnte diese Beobachtung für das Pferd nicht im selben Ausmaß bestätigt werden. Trotzdem war eine gute Unterscheidung der Epitheltypen beim Pferd möglich. Für das gesamte OE wurde eine Abnahme in rostraler Richtung beobachtet, die allerdings für den Typ A stärker ausgeprägt war, sodass ab Scheibe C der untersuchten Nasen der Typ B dominierte. Bei der immunhistologischen Untersuchung des OEs wurde für die adulten olfaktorischen Neurone der Marker OMP (Olfactory marker protein) und für die juvenilen Neurone der Marker DCX (Doublecortin) verwendet. Die proliferierenden Basalzellen wurden aufgrund ihrer Expression von PCNA (Proliferating cell nuclear antigen) und die horizontalen Basalzellen durch ihre TrkA-Expression (Tyrosinkinase-Rezeptor-A) identifiziert. Mittels Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman wurde ermittelt, dass die Marker OMP und DCX in mehr Zellen des olfaktorischen Epithels Typ A exprimiert wurden als in Typ B. Ein umgekehrtes Bild zeigte sich für die Marker PCNA und TrkA. Folglich wurden im Epithel Typ B vermehrt Proteine der Vorläuferzellen exprimiert, was zur Beobachtung von Bock et al. passt, dass der Typ A das reife und der Typ B das unreife olfaktorische Epithel repräsentiert. Insgesamt konnten bei der speziesübergreifenden Betrachtung vergleichbare Ergebnisse für Pferd und Ratte ermittelt werden. Ob die aufgedeckten kleineren Diskrepanzen in der Nachweisbarkeit einiger Marker durch das Alter der untersuchten Tiere oder durch methodische Unterschiede verursacht wurden, sollte durch weiterführende Untersuchungen geklärt werden.
3. Um die Initialphase der BDV-Infektion zu untersuchen, wurden Lewis-Ratten intranasal mit dem BDV infiziert und über einen Zeitraum von bis zu 21 Tagen p. i. beobachtet. Die Nasen und Gehirne wurden zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen 3 hpi und 21 dpi histopathologisch untersucht. Keines der Tiere zeigte im Beobachtungszeitraum klinische Symptome und auch in der histopathologischen Untersuchung fanden sich keine entzündlichen Veränderungen in der Nase oder dem ZNS. Immunhistologisch war das BDV-N erstmalig 4 dpi in adulten olfaktorischen Neuronen in 2 von 5 Ratten nachweisbar. Über den gesamten Zeitraum bis 21 dpi nahm die Anzahl der positiven Zellen signifikant zu, was mittels des exakten Kruskal-Wallis-Tests bestätigt wurde. Außerdem konnte mit dem Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman gezeigt werden, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen Zeit nach der Infektion und der Zahl positiver Zellen zu finden war und dass es sich bei der Zunahme um einen monotonen Trend handelte. Der Nachweis von BDV-N gelang in allen untersuchten Zellen, darunter adulte und juvenile olfaktorische Neurone, horizontale und proliferierende Basalzellen, Stützzellen, olfaktorische Hüllzellen sowie in den Nervenfasern unterhalb des olfaktorischen Epithels. BDV-N war erstmals 14 dpi im ZNS nachweisbar, gleichzeitig war es auch erstmals in den olfaktorischen Hüllzellen zu finden. Ergänzend wurde für die Rattennasen zu allen Untersuchungszeitpunkten eine In-situ-Hybridisierung zum Nachweis von viraler genomischer und BDV-N mRNA durchgeführt. Genomische virale RNA was erstmals 7 dpi in adulten und juvenilen olfaktorischen Neuronen detektierbar. Bei einer Ratte gelang der Nachweis auch in den Nervenfasern und den olfaktorischen Hüllzellen. Die Zahl der positiven Zellen, darunter adulte und juvenile Neurone sowie olfaktorische Hüllzellen, und der Nervenfasern nahm bis 21 dpi stetig zu. Die korrespondierende mRNA war hingegen bereits 4 dpi in adulten Neuronen zu finden. In juvenilen Neuronen, in olfaktorischen Hüllzellen und in Nervenfasern war BDV-N mRNA erst 14 dpi nachweisbar. Bis zum Untersuchungszeitpunkt 21 dpi konnte eine Zunahme der positiven Zellen und der Nervenfasern beobachtet werden. Für beide viralen RNAs konnte mittels des exakten Kruskal-Wallis-Tests gezeigt werden, dass die Zunahme positiver Zellen im Laufe der Zeit signifikant war. Mittels Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman wurde gezeigt, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen Zeit nach der Infektion und der Anzahl positiver Zellen bestand und dass die Zunahme der Zellen einem monotonen Trend folgte. Insgesamt sprechen die Ergebnisse der Immunhistologie und der In-situ-Hybridisierung dafür, dass bereits eine initiale Virusvermehrung im olfaktorischen Epithel stattfindet, wobei zuerst die virale Transkription dominiert bevor auch die Virusreplikation anläuft. Auffallend war hierbei, dass BDV-N in allen untersuchten Zellen und in den Nervenfasern zu finden war, während die virale genomische RNA und die BDV-N mRNA nur in den adulten und juvenilen Neuronen sowie in den OECs und in den Nervenfasern vorkam.
4. Zum Studium der initialen Phase der BDV-Infektion in vitro wurde eine Dissoziationskultur des olfaktorischen Epithels der Ratte etabliert. Der Anteil der olfaktorischen Neurone lag dabei zwischen rund 33 % nach 4 Stunden und 6 % nach 7 Tagen in Kultur, sodass eine stetige Reduktion dieses Zelltyps beobachtet wurde. Nach BDV-Infektion wurde eine deutliche und stetige Virusausbreitung über die Zeit festgestellt. Waren 4 dpi erst durchschnittlich 11 % der Zellen infiziert, so lag dieser Anteil 14 dpi bei 29 %. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass nicht nur Zellen neuronalen Ursprungs in der Kultur infiziert werden, was auch morphologisch bestätigt werden konnte. Die organotypische Gewebekultur des olfaktorischen Epithels lieferte nach BDV-Infektion keine zuverlässigen Ergebnisse. Zwar konnte generell eine erfolgreiche Infektion erstmals 4 dpi nachgewiesen werden, allerdings war dies nur unregelmäßig der Fall, sodass sich dieses Kultursystem nicht ohne weitere Modifikationen als Ersatz zum Tierversuch eignet. Durch die Co-Kultivierung von olfaktorischen Hüllzellen mit der Dissoziationskultur des olfaktorischen Epithels konnte gezeigt werden, dass die OECs in vitro die Transkription des BDV fördern. Dies wurde mittels quantitativer real time RT-PCR durch den Vergleich des Gehalts genomischer viraler RNA zu BDV-N mRNA nach 4 und 7 dpi belegt. Während in der reinen Kultur des olfaktorischen Epithels stets mehr genomische virale RNA als BDV-N mRNA nachzuweisen war, waren sowohl in beiden untersuchten Mischungsverhältnissen als auch in der reinen Kultur der OECs die Verhältnisse deutlich zugunsten der viralen mRNA verschoben.
5. In der vorliegenden Arbeit wurde zusammenfassend gezeigt, dass das olfaktorische Epithel des Pferdes hinsichtlich morphologischer Struktur, zellulärer Bestandteile und Expressionsprofil der zellulären Marker sehr dem anderer Spezies wie Ratte und Pferd ähnelte, wobei speziesspezifische Unterschiede vor allem beim detaillierten Vergleich der verschiedenen Typen, wie sie von Bock et al. für den Hund beschrieben worden waren, auffielen. Insgesamt konnte eine signifikante Abnahme des olfaktorischen Epithels, welches in erster Linie auf den Nasenmuscheln lokalisiert war, in rostraler Richtung beobachtet werden. Durch die Infektionsversuche in vivo ließ sich nachweisen, dass eine initiale Virusvermehrung mit erfolgreicher Replikation, Transkription und Translation stattfand. BDV-N war dabei in allen untersuchten Zellen, virale genomische und mRNA jedoch nur in den juvenilen und adulten Neuronen sowie in den Nervenfasern und olfaktorischen Hüllzellen nachzuweisen. Die kann auf eine vermehrte Translation in den Stützzellen und in beiden Typen der Basalzellen hinweisen oder durch die Aufnahme viraler Proteine in diese Zellen sein. Der gleichzeitige Nachweis von BDV-N in den olfaktorischen Hüllzellen und im Gehirn deutet auf eine wichtige Rolle dieses Zelltyps während der Virusausbreitung ins ZNS hin. In vitro konnte ebenfalls gezeigt werden, dass nicht nur adulte olfaktorischen Neurone, sondern auch andere Zellen des olfaktorischen Epithels infizierbar sind. Durch die Co-Kultivierung mit zusätzlichen olfaktorischen Hüllzellen ließ sich nachweisen, dass diese Zellen in vitro die Transkription des BDV fördern, sodass dieser Zelltyp eine wichtige Rolle für eine erfolgreiche Virusausbreitung in das Gehirn einzunehmen scheint. In dieser Arbeit konnte die Bedeutung des olfaktorischen Epithels während der initialen Phase der BDV-Infektion verdeutlicht werden. Nur mittels fundierter Kenntisse der Zytoarchitektur und des zellulären Expressionsprofils lassen sich zukünftig die zu untersuchenden molekularen Mechanismen und die Pathogenese der Infektion mit neurotropen Viren detailliert aufklären.