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Es gibt sie noch, die Freud’sche Linke. In Amerika gelang zwar weitgehend ihre Domestizierung und Verdrängung aufgrund der Medizinalisierung/Psychiatrisierung und Bürokratisierung der psychoanalytischen Gesellschaften sowie der Verschulung der Ausbildung. In Europa aber wurde sie von der 68er Kulturrevolution aufrechterhalten. In Zürich erfreut sich das unbotmäßige und nach wie vor selbstverwaltete Psychoanalytische Seminar (PSZ) mit etwa 600 Teilnehmern bester Gesundheit und ist mittlerweile auch als größte und fruchtbarste psychoanalytische Denkfabrik der Schweiz im In- und Ausland anerkannt. Ihm sitzt wie eine Laus im Pelz die kleine »Stiftung für Psychotherapie und Psychoanalyse«, die sich vor 22 Jahren kurz und bündig das Ziel setzte, »das Bewusstsein der Arbeiterklasse mit den Mitteln der Psychoanalyse« zu erforschen. Was aus dieser plakativen Herausforderung von dogmatischem Marxismus und verkalkter Psychoanalyse im Laufe der Jahre praktisch umgesetzt werden konnte, wird in diesem Sammelband dokumentiert, so wie das intellektuelle Umfeld zwischen Ethnopsychoanalyse und politischer Psychologie, aus welchem diese Praxis erst hervorgehen konnte. Die Spannbreite der hier versammelten und meist nicht mehr erhältlichen Aufsätze reicht vom »Projekt Arbeiterbewusstsein« bis zum »Projekt Kritische Psychoanalyse« und beinhaltet sowohl eine Kritik der marxistischen und Freud’schen Religionskritik, als auch eine eigenwillige Narzissmusrezeption und die Mühen einer pionierhaften Psychotherapie der Emigration und der Armut. Die Ökonomie der Psychoanalyse nicht Begüterter wird als Praxis der »delegierten Psychotherapie« in der Schweiz ebenso ernsthaft dargestellt wie die Selbstreflexion der als Teil der Psychoszene verstandenen eigenen Position lustvoll-ironisch nachgezeichnet.