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Ob die Türkei Bestandteil der Europäischen Union wird, ist heute ungewisser denn je. Aber die internen Probleme der Türkei greifen bereits auf Europa über und finden - wie die jüngsten Kurden-Krawalle zeigen - vor allem in Deutschland ein dröhnendes Echo. „P“ Peter Scholl-Latour, der bereits im Sommer 1951 seine erste Türkei- Reportagen verfaßte, hat 1998 intensive Recherchen im kurdischen Aufstandsgebiet unternommen. Er hat vor Ort festgestellt, daß die Revolte der PKK im Grunde militärisch bereits zusammengebrochen ist, daß man jedoch von einer politischen Lösung jedoch weit entfernt ist. „BR“ „Ne mutlu Türküm diyene“ - frei übersetzt: „Welch ein Glück, Türke zu sein“ - ist ein Wahlspruch des Republik-Gründers Kemal Atalürk, der bis in die fernsten anatolischen Dörfer plakatiert wird. Doch mit kemalistischem Nationalismus ist es heute nicht mehr getan. Zwischen Istanbul und Dyarbakir wird die ruhmvolle Erinnerung an das Osmanische Reich wieder heraufbeschworen. „P“ Parallel zu dieser geschichtlichen Rückbesinnung vollzieht sich eine Renaissance der koranischen Religiösität, die der islamischen „Tugend-Partei“ ein Drittel des Wählerpotentials sichern könnte, auf der anderen Seite jedoch - bei der allmächtigen Generalität wie beim aufgeklärten Bürgertum und bei heillos zerstrittenen politischen Klasse - zu einer Verhärtung der säkularen, anti-islamischen Staatsdoktrin geführt hat. „P“ Eine entscheidende Rolle bei diesem Kräftemessen wird die bislang wenig bekannte, von den Sunniten als ketzerisch eingestufte Glaubensrichtung der Aleviten spielen, deren Anhänger ein Viertel der gesamten türkischen Bevölkerung ausmachen dürften. Diesen nahezu unbekannten Aleviten mißt Peter Scholl-Latour in seinem neuen Buch großes Gewicht bei. „P“ Ausführlich geht Scholl-Latour auch auf die unterschiedlichen Bewegungen ein, die sich innerhalb der türkischen Volksgruppe in der Bundesrepublik aktiv entwickelt haben und die die Deutschen unmittelbar betreffen.