HERZ_NICHTHERZ von Helmut Hartwig | Zur verlorenen Erotik des Herzzeichens | ISBN 9783982003924

HERZ_NICHTHERZ

Zur verlorenen Erotik des Herzzeichens

von Helmut Hartwig
Buchcover HERZ_NICHTHERZ | Helmut Hartwig | EAN 9783982003924 | ISBN 3-9820039-2-X | ISBN 978-3-9820039-2-4
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Leseprobe

Eine Rezension von Karl-Josef Pazzini
Geh aus, mein Herz, und suche Freud Helmut Hartwig: Herz_Nicht Herz. Zur verlorenen Erotik des Herzzeichens. Berlin: bei Schmitz. Hardcover € 19,50
Das Herzzeichen, nicht das Herz, hat seine Erotik verloren. Hartwig, Hart, Heart – das Buch trägt auch biographische Züge. »… fand mich in der Situation desjenigen, der, um etwas sehen zu können, zum Theoretiker werden musste.« Hartwig betrachtet genau, und das mit der oszillierenden Bewegung einer Nähe, die mit Distanz möglich wird, einer sehr distanten Nähe. Das Buch enthält auf 120 Seiten mindestens an die 70 Bilder, davon 30 Abbildungen von Arbeiten von Helmut Hartwig.
Die Freude am Spielen zwischen Bild, Wort, Objekt, Zeichen, Bezeichnetem durchzieht das Buch: Kurze Hinweise auf die Kulturgeschichte des Herzen, des Gemüts, der Gefühle, deren Lokalisierung zum Weiterdenken und auch -zeichnen, -malen. Von den Klauber-Brüdern (um 1750) und Henrik Goltzius (um 1600) über Paul Klee, Friedrich Schröder-Sonnenstern, Frida Kahlo, WOLS, Joseph Beuys, Cy Twombly, Jim Dine, August Walla bis hin zu Sigmar Polke, Attersee und Siegfried Anzinger entwirft er ein aufschlussreiches Panorama zum Thema Herzzeichen und kehrt heraus, was bislang – aus Scham? – übergangen wurde.
Danach fängt das Buch noch einmal an. Jetzt wird der Untertitel plastisch: »Wie kann man das emotionale Sinnangebot aus der zerstörerischen Energiezone der Massenmedien(-kultur) retten?« Hartwig zeigt, dass es geht. Der Tiefenferne des Herzzeichens folgt die allseits übersehene Kerbe im Herzzeichen (76), danach die Anzeichen des Kunstwerk[s] als böses Objekt. Dazwischen Arbeiten von Hartwig gleichwertig zum Text. Sie erläutern sich gegenseitig, ohne festzulegen. Am Schluss heißt es: „Fort mit dem Herzen.“ Doch das Herzzeichen reagiert auf seine Weise. „Es quillt auf [...] und fällt in sich zurück“ – mehrfach und leise. Zwei Zeichnungen mit beinahe fröhlichen Herzfragmenten entlassen den Leser ins Nachdenken über ein Buch, das zum Mehrfachlesen einlädt.
Helmut Hartwig war Professor an der pädagogischen Hochschule Berlin (später: Universität der Künste) für ästhetische Aneignungs- und Vermittlungsprozesse zwischen Kunst und Alltag, gründete das Institut für Kunst im Kontext (UdK-Berlin). Er war eng mit der Geschichte des Faches verbunden, das auch Kunsterziehung heißt. Mit Hermann K. Ehmer steht er für die Schwerpunktsetzung Visuelle Kommunikation Unterabteilung: Sehen lernen. So hieß eines seiner wichtigen Bücher, 1976 mit viel Herzblut von ihm komponiert.

HERZ_NICHTHERZ

Zur verlorenen Erotik des Herzzeichens

von Helmut Hartwig
Das Herzzeichen ist drauf und dran, das 27. Zeichen des Alphabets zu werden. Es bekommt den Wert eines Buchstaben und bringt es zu einer ansehnlichen Mächtigkeit. Gleichzeitig vermehrt es sich auf eine unerhört rasante Weise.
Die Vermehrung der Herzzeichen im öffentlichen Raum geht einher mit der Anbindung an eine neu entstehende normgebende Bilder-Schrift mit dem Namen Emoji – einem Nachkommen der Gattung Smiley. In ihr sammelt sich, was vergesellschaftet werden soll: Gefühle und Gesten und Ansagen und Wörter und Buchstaben und Notzeichen – also die Entstehung einer (Bilder-)Schrift für die digital geprägte Kommunikation.
Heute gibt es kaum eine Gefühlslage, eine Mimik oder Gestik, die nicht dargestellt werden kann. Sie gelangt in das Paralleluniversum einer vordrängenden Zweitwährung und wird maßgebend für den Umgang mit der alltäglichen (Er-)Lebenswelt.
DAS HERZ WIRD GRÜN Auf dem Weg in die (Über-)Ordnung öffnet sich das Zeichen für die Konkurrenz zur Wortsprache – und nimmt mit der Öffnung jede Arbeit an: die Arbeit des Wissens, Arbeiten der Verweigerung, die Arbeiten des Unterscheidens, Arbeiten des rechten Verhaltens, die Arbeit der Liebe, die Arbeiten der Bezeichnung usw. Dabei bedrängt das Zeichen die Kontexte vom Innen und Außen:
Es setzt sich auf den Blick. Es bedrückt die Nachbarwörter. Es löscht die Farben der Buchstaben.
Das Herz wird GRÜN.