Sie kam aus Mariupol von Natascha Wodin | ISBN 9783498073893

Sie kam aus Mariupol

von Natascha Wodin
Buchcover Sie kam aus Mariupol | Natascha Wodin | EAN 9783498073893 | ISBN 3-498-07389-3 | ISBN 978-3-498-07389-3
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FAZ.NET: Es hat jüngst kluge Bücher über den Albtraum des zwanzigsten Jahrhunderts gegeben (…). Sie alle erzählen die Geschichte der Gewalt so, wie sie in den Archiven erscheint, als weit entferntes blutiges Gewimmel. Natascha Wodin zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Geschehen. Aber sie holt es so nah heran, dass wir unsere eigene Geschichte darin gespiegelt sehen.
Die Zeit: Was sich da an Unvorhergesehenem und Überrumpelndem enthüllt, ist wie bei einem Krimi aufgebaut: Die Spannung steigt mit jedem einzelnen Detail, und der Zufall generiert eine spektakuläre Breitwandstory. (...) Die katastrophalen Geschichtsbrüche des 20. Jahrhunderts werden en miniature verhandelt, aber mit existenzieller Wucht.
Deutschlandfunk Kultur: Wie klein, wie reich so ein Menschenleben ist und wie unrettbar es in die Mühlen der Geschichte gerät, davon erzählt diese zwischen Roman, Recherche, Rekonstruktion und Erinnerung angesiedelte Spurensuche. (...) Die Sprache ist kunst- und schmucklos, aber genau das ist das einzig Angemessene. (…) Das ist, gerade in der dokumentarischen Nüchternheit, ganz große und äußerst wirkungsvolle Kunst.
Donna: Große, wichtige Ideen, verpackt in großartige Unterhaltung.
NDR Kultur: Ein atemberaubendes Buch! (…) Wie Wodin ihre eigene Nachkriegskindheit aus Schweigen, Gewalt und Rebellion beschreibt, ihr Aufwachsen in einem Fabrikschuppen bei Nürnberg, in einem Displaced-Persons-Camp und einer Siedlung für Heimatlose Ausländer, bis zum Selbstmord der sechsunddreißigjährigen Mutter, das kann dem Leser, der Leserin das Herz zerreißen.
taz: Eine ganz unwahrscheinliche Entdeckungsreise (…) Immer erreicht Natascha Wodin eine große sprachliche Dichte.'
literaturkritik.de: Ein großer und wichtiger Text über das Vergessen. (…) Seinen Höhepunkt hat dieses hochspannende, glänzend geschriebene, den Rahmen einer Suche nach den eigenen Wurzeln weit überschreitende Buch in den Passagen, die das Leben der vierköpfigen Familie in den ersten zehn Jahren nach Kriegsende beschreiben.
Freie Presse: Wodins Recherche ähnelt einem Thriller. Die ungeheure Spannung, die sich darin von der ersten bis zur letzten Zeile aufbaut, bringt einen innerlich zum Beben. Mit einer Sprachkraft, die häufig den Atem raubt, saugt die Autorin den Leser in die düstere Geschichte ihrer zerstörten Familie hinein. Die beklemmenden Bilder ihrer suggestiven Prosa sind einzigartig.
Der Tagesspiegel: Familiengeschichte als Jahrhundertpanorama: (...) ein außerordentliches Werk.
Deutschlandfunk: Eine dramatischer kaum vorstellbare Familiengeschichte in Zeiten von Revolution, Hunger, Weltkrieg, Bürgerkrieg und Gulag. (...) Natascha Wodin könnte gelingen, was den Historikern nicht zu gelingen scheint: die Geschichte der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit zu verankern.
3Sat "Kulturzeit": Die Dimension der Zwangsarbeiterlager in Deutschland (…) diese Geschichte bringt Natascha Wodin uns nahe, ohne uns geschichtlich belehren zu wollen, (…) und das ist am Ende in jeder Hinsicht, auch in einer intellektuell-historischen, wirklich ergreifend. (…) das kann man als Resümee auch noch unter vielen anderen Verdiensten dieses Buches festhalten, dass es ein Licht auf etwas wirft, von dem wir viel zu wenig wissen.
Kölner Stadt-Anzeiger: Es ist ein vom ersten Satz an fesselnder Roman, spannend, tragisch, erschütternd, sodass man kaum die Unterbrechung des Seitenumblätterns hinnehmen möchte. (…) Dieses Buch gehört in eine Reihe mit Werken von Hertha Müller und Imre Kertész, die vom Wüten und Töten in Diktaturen erzählen.
Süddeutsche Zeitung: Natascha Wodin ist ein so klassisches wie außergewöhnliches Buch gelungen.
Stuttgarter Zeitung: Das Schicksal der in der deutschen Kriegswirtschaft zu Tode geschundenen osteuropäischen Zwangsarbeiter blieb lange im Schatten der anderen monströsen Verbrechen der NS-Diktatur. (…) Und weil Wodin diesen Stoff nicht einfach nur aufgreift, sondern bis ins Herz durchdringt, schreibt sie die Geschichte der Mutter in die Weltliteratur ein.
LiteraturSPIEGEL: Weil Wodin sich Raum nimmt für Momente, die schräg stehen zu allen historischen Ereignissen, die sonderbar wirken, weil Menschen selbst in den schrecklichsten Situationen manchmal etwas Schönes tun und erst diese Ungereimtheit ein tieferes Verständnis vermittelt, wie es ihnen ergangen sein muss, weil die Schriftstellerin diese Möglichkeit der Literatur voll ausschöpft, ist ihr ein großes Buch gelungen.
Bayern 2: Natascha Wodin hat ein großartiges Buch gegen das Schweigen verfasst. Das ist lebendige, anschauliche, fragende, verzweifelte, rührende Geschichtsschreibung. Auch Trauerarbeit natürlich. Ein ergreifendes Buch, das persönlich gehaltene Dokument einer Spurensuche.
Frankfurter Rundschau: So vieles ist bekannt über das schreckliche 20. Jahrhundert, über die Vernichtung der Juden, die Gräuel der Kriege, über Verrat, der Familien zerriss. Und es sind die Bücher von Imre Kertész und Primo Levi, von Daniil Granin und Anatoli Rybakow, Jürgen Fuchs und Erich Loest, die halfen, einzelne Kapitel nicht nur faktisch zu begreifen, sondern auch emotional zu verstehen. Nun kann man ein weiteres in diese Bibliothek einreihen. Natascha Wodin wirft einen Lichtstrahl auf das Leid ihrer Mutter und erhellt das Schicksal Hunderttausender.
RBB Kulturradio: Die Geschichte der Recherche selbst liest sich wie ein spannendes Abenteuer. Lakonisch, klar, nüchtern und vollkommen unpathetisch führt Natascha Wodin den Leser durch die Verästelungen ihrer Familienforschung. Sie macht keine großen Worte. Sie lässt die Dinge für sich selbst sprechen. Eine kühle Sprödigkeit, mit der Wodin jede Emotionalität zügelt, wird als Markenzeichen dieses außerordentlichen Prosa-Werks erkennbar.

Sie kam aus Mariupol

von Natascha Wodin

„Wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe“ - Natascha Wodins Mutter sagte diesen Satz immer wieder und nahm doch, was sie meinte, mit ins Grab. Da war die Tochter zehn und wusste nicht viel mehr, als dass sie zu einer Art Menschenunrat gehörte, zu irgendeinem Kehricht, der vom Krieg übriggeblieben war. Wieso lebten sie in einem der Lager für „Displaced Persons“, woher kam die Mutter, und was hatte sie erlebt? Erst Jahrzehnte später öffnet sich die Blackbox ihrer Herkunft, erst ein bisschen, dann immer mehr.

„Sie kam aus Mariupol“ ist das außergewöhnliche Buch einer Spurensuche. Natascha Wodin geht dem Leben ihrer ukrainischen Mutter nach, die aus der Hafenstadt Mariupol stammte und mit ihrem Mann 1943 als „Ostarbeiterin“ nach Deutschland verschleppt wurde. Sie erzählt beklemmend, ja bestürzend intensiv vom Anhängsel des Holocaust, einer Fußnote der Geschichte: der Zwangsarbeit im Dritten Reich. Ihre Mutter, die als junges Mädchen den Untergang ihrer Adelsfamilie im stalinistischen Terror miterlebte, bevor sie mit ungewissem Ziel ein deutsches Schiff bestieg, tritt wie durch ein spätes Wunder aus der Anonymität heraus, bekommt ein Gesicht, das unvergesslich ist. „Meine arme, kleine, verrückt gewordene Mutter“, kann Natascha Wodin nun zärtlich sagen, und auch für uns Leser wird begreifbar, was verlorenging. Dass es dieses bewegende, dunkel-leuchtende Zeugnis eines Schicksals gibt, das für Millionen anderer steht, ist ein literarisches Ereignis.
„Das erinnert nicht von ungefähr an die Verfahrensweise, mit der W. G. Sebald, der große deutsche Gedächtniskünstler, verlorene Lebensläufe der Vergessenheit entriss.“ (Sigrid Löffler in ihrer Laudatio auf Natascha Wodin bei der Verleihung des Alfred-Döblin-Preises 2015)