Tatort Domplatz | Der Münster-Plan von 1609 und seine Geschichte(n) | ISBN 9783739511696

Tatort Domplatz

Der Münster-Plan von 1609 und seine Geschichte(n)

herausgegeben von Mechthild Siekmann
Buchcover Tatort Domplatz  | EAN 9783739511696 | ISBN 3-7395-1169-9 | ISBN 978-3-7395-1169-6
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Inhaltsverzeichnis
Leseprobe
Beschreibung
1. Münsteraner
2. Landeshistoriker Westfalen
3. Rechtshistoriker
4. Frühneuzeithistoriker
5. Kartenhistoriker

Die westfälischen Familien Morrien und Galen verband lange vor dem 17. Juli 1607 eine längere, konfliktreiche Geschichte. Gerhard Morrien fungierte als Erbmarschall des Fürstbistums Münster, schon seit dem 16. Jahrhundert gab es zwischen den Familien Jagd- und Rechtsstreitigkeiten etwa um Braugerechtigkeiten. Im Jahr 1607 überfielen Soldaten Morriens einige Jäger der Galen und nahmen ihnen Jagdhunde ab, die sie trotz der landesfürstlichen Rückgabeforderung demonstrativ verhungern ließen. Im März 1607 kam es anlässlich der Ankunft von Erzbischof Ernst von Bayern zum Austausch von »schandtworter[n]« (S. 111) unter den Kontrahenten – wenige Wochen später erstach dann Dietrich von Galen (gest. 1645), der Vater des späteren Münsteraner Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen, im Zuge eines »Duells« den Erbmarschall auf dem Domplatz und konnte erfolgreich aus der Stadt fliehen. Eine lange Kette von Prozessen (Mord oder Duellforderung?) und eine zwölfjährige Haft auf der Burg Bevergern für den angeklagten Täter folgten (Frank Dierkes).
Im Jahr 2008 machte Holger Th. Gräf an unerwarteter Stelle, nämlich im Stadtarchiv von Bad Homburg, einen für Münster aufsehenerregenden Fund: Eine im Original 85,1 x38,6 cm große, die Stadt in weiten Teilen präzise erfassende Vogelschau zeigte den »Tatort Domplatz« mit den beiden Duellanten – die älteste Stadtansicht Münsters, noch vor der ersten Planansicht der Stadt durch Everhard Alerdinck (1636) entstanden. Ausgehend von diesem stadtgeschichtlich relevanten Fund erbrachte die Zusammenarbeit von Spezialisten verschiedenster historischer Fachrichtungen folgendes Ergebnis: Die Karte wurde wohl von der Witwe des Erstochenen, Adolpha von Ketteler zu Hovestadt, im Zuge des 1619 abgeschlossenen Prozesses (9.270 Seiten Akten) vor dem Gogericht Rheine-Bevergern (und der anschließenden Freilassung des Täters) in Auftrag gegeben. Die Witwe des Opfers erstattete 1620 vor dem Reichskammergericht Anzeige. Nach einer Befundung des auf der Karte gefassten Bauzustandes der Stadt Münster dürfte die Karte zwischen 1607 und 1609 entstanden sein. Vor allem die Gebäude auf dem Domplatz und die unterschiedlichen Gerichtsbezirke (weltliches, geistliches Hofgericht, Landstände) wurden exakt am Plan verzeichnet.
Viele für die lokale, aber auch überregionale Stadtgeschichte interessante Details wurden vermerkt: zum Beispiel die Bogengänge am Prinzipalmarkt, die vermutlich zum Anbinden der Pferde dienenden Schranken und Poller vor der Jakobikirche, die dreiblattförmig gestaltete Giebelfassade der Dompropstei, das Letzte Gericht am Michaelistor oder die Feiltüren an den Kramerbuden im Michaelistor (als kundiger Cicerone fungiert Mechthild Siekman, stadtgeschichtliche Einführung durch Ralf Klötzer). Die nicht namentlich gezeichnete Karte fungierte als Beweismittel, ein geübter Zeichner wohl aus dem Umkreis der Münsteraner Glaser-, Maler- und Sattlergilde dürfte als Schöpfer in Frage kommen (Gerd Dethlefs). Der Zeichner des Münsteraner Planes wählte seinen fiktiven Standpunkt über dem Mauritztor, doch weist der inkongruente »Perspektivplan« bei manchen Gebäuden unterschiedliche Fluchtpunkte auf (Holger Th. Gräf ). Die Provenienzgeschichte der Vogelschau erbrachte, dass vermutlich der streitbare Archivar Friedrich Ludwig Carl von Medem (1799–1885), der zwischen 1843 und 1846 auch der Reichkammergerichts-Archivkommission der Deutschen Bundesversammlung (Plan der Aufteilung des Reichskammerarchivs) angehörte, als archivischer Zwischenträger des Planes anzusehen ist. Medem wählte Homburg als »Pensionopolis« und vermachte seinen Nachlass den verschiedenen Kultureinrichtungen der Stadt, nicht ohne laufend, und gelinde gesagt, sehr energisch verschiedenste Forderungen an den Homburger Stadtrat zu stellen. Mehrere handgezeichnete, auch künstlerisch ansprechende »Augenscheine«, also Gerichtskarten, haben sich über die »Vermittlung« Medems im Stadtarchiv Homburg erhalten (Astrid Krüger) – die Münsteraner Vogelschau fügt sich in diesen Kontext gut ein. Die Restaurierung des Münsteraner Planes erbrachte noch eine Überklebung der »Duell-Szene«, wobei die oberste Überklebung Galen deutlicher als Täter und Morrien umgekehrt als überraschtes, recht korpulentes Mordopfer darstellt (Restauratorenbericht von Matthias Frankenstein).
Der vorliegende Band des Instituts für vergleichende Städtegeschichte versteht sich ein wenig als historisch-kartographisches Kabinettstück, weil mit viel Sachkenntnis aus verschiedener Blickrichtung versucht wurde, einen unbekannten Zeichner und seine Zeichenintention dingfest zu machen. Der Band vermittelt die kriminalistische Freude der Beteiligten an der Tätersuche des 17. Juli 1609 – ein im besten Wortsinn spannendes Buch ist vor diesem Hintergrund entstanden, das auch wunderbar illustriert werden konnte.
Martin Scheutz, in : Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 128, 2020

Der Band ist ein historisch-kartographisches Kabinettstück, weil mit viel Sachkenntnis aus verschiedener Blickrichtung versucht wurde, einen unbekannten Zeichner und seine Zeichenintention dingfest zu machen. Der Band vermittelt die kriminalistische Freude der Beteiligten an der Tätersuche des 17. Juli 1609 – ein im besten Wortsinn spannendes Buch ist vor diesem Hintergrund entstanden, das auch wunderbar illustriert werden konnte. Martin Scheutz, in : Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 128, 2020

Tatort Domplatz

Der Münster-Plan von 1609 und seine Geschichte(n)

herausgegeben von Mechthild Siekmann
Vor zehn Jahren kehrte der älteste bekannte Plan der Stadt Münster zurück an seinen Entstehungsort. Nun liegt er wieder vor – als Faksimile in Originalgröße von 38 x 84 cm.
Die lavierte Federzeichnung mit dem Domplatz im Zentrum zeigt den Prinzipalmarkt und die angrenzenden Straßen in überraschendem Detailreichtum. Zentral ist das Duell zwischen zwei Männern auf dem Domplatz: Am 17. Juli 1607 erstach dort Dietrich von Galen, Vater des späteren Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen, den Erbmarschall Gerhard Morrien.
Reich bebilderte Aufsätze erschließen die Geschichte um das tödliche Duell und die Entstehung und Überlieferung des Morrien-Plans von Münster über Speyer nach Bad Homburg.
Die erste Auflage war nach kurzer Zeit vergriffen. Das neu aufgelegte Buch über eine außergewöhnliche Geschichte in der Metropole Westfalens lädt erneut dazu ein, die Stadt Münster um 1600 genauer zu entdecken.