Ein westfälischer Jude in der preußischen Armee | Isaac Löwenstein aus Rietberg-Neuenkirchen und sein Tagebuch 1821-1823 | ISBN 9783739512464

Ein westfälischer Jude in der preußischen Armee

Isaac Löwenstein aus Rietberg-Neuenkirchen und sein Tagebuch 1821-1823

Vorwort von Jonathan Steinberg, herausgegeben von Manfred Beine, Marion Kant und Ralf Othengrafen
Mitwirkende
Herausgegeben vonManfred Beine
Herausgegeben vonMarion Kant
Herausgegeben vonRalf Othengrafen
Vorwort vonJonathan Steinberg
Buchcover Ein westfälischer Jude in der preußischen Armee  | EAN 9783739512464 | ISBN 3-7395-1246-6 | ISBN 978-3-7395-1246-4
Inhaltsverzeichnis
Leseprobe
1. Juden-Historiker
2. Miltärhistoriker
3. Preußen-Historiker
4. Rietberger
4. Landeshistoriker Westfalen
5. Einwohner der Stadt Rietberg und des Kreises Gütersloh
Isaac Löwensteins, ein jüdischer Bürger aus Rietberg-Neuenkirchen, wurde als einer der ersten Juden 1820 zum preußischen Militärdienst einberufen, den er auf der Bundesfestung Luxemburg absolvierte. Sein Tagebuch und seine im im Leo Baeck-Institut in New York aufbewahrten Notizbücher werden von der Musikwissenschaftlerin Marion Kant ausgewertet. Manfred Beines exzellente Kenntnisse der Neuenkirchener Juden führen hin zur Geschichte der Familie Löwenstein im 19. und 20. Jahrhundert. Isaac Löwenstein berichtet uns aus einer ruhigen Friedenssituation heraus, in die er jedoch nur durch eine erst kurz zuvor eingeführte Emanzipationspolitik kommen konnte: als Jude der preußischen Staatsbürgerpflicht des Militärdienstes nachzukommen. Dies geschah in Luxemburg, worüber er einschließlich des An- und Abmarsches zwischen 1821 und 1823 auf mehr als hundert Seiten berichtet. Das hohe Maß an Bildung, das ihm in seinem Heimatort Neuenkirchen zuteil geworden war, machten es möglich, so akribisch und detailreich zu berichten. Der Quelle als ein örtlicher Glücksfall kommt damit eine größere Bedeutung zu: als Reisebericht mit vielen zeitgenössischen Ansichten der durchwanderten Orte, als Einblick in den aktiven preußischen Militärdienst und als Milieustudie am Beginn eines Emanzipationsprozesses, der mit dem sogenannten modernen Antisemitismus im deutschen Kaiserreich 50 Jahre später bereits wieder endete. Rolf Westheider, in: Heimatjahrbuch Kreis Gütersloh 39, 2022 (11.2021)

Dieses Buch ediert eine bemerkenswerte Quelle: das einzige bislang bekannte Tagebuch eines jüdischen preußischen Soldaten – Isaac Löwenstein – aus der Zeit nach den Befreiungskriegen. Das Manuskript wurde von der Familie aufbewahrt und bei der Flucht aus Deutschland gerettet; es wird aktuell im Leo Baeck Institute in New York verwahrt. 2013 machte der damalige Eigentümer den Historiker Jonathan Steinberg auf den Text aufmerksam. Das Projekt der Edition des Tagebuchs unternahmen zunächst Marion Kant und Jonathan Steinberg gemeinsam; wegen Steinbergs Erkrankung führte Kant die Edition alleine fort.
Der reich illustrierte Band umfasst drei längere Aufsätze und zwei Quellen. Zunächst stellt Kant Entstehungskontext, Inhalt und Bedeutung des Tagebuchs vor (S. 17–107), das im Folgenden (S. 109–194) ediert wird. Löwenstein lassen sich ferner zwei im gleichen Archiv verwahrte Notizbücher mit Gedichten und Prosatexten zuordnen, die teilweise mit „Poetische und prosaische Aufsätze aus den hinterlassenen Papieren A. Hutters“ überschrieben sind und ganz überwiegend aus derselben Zeit stammen. Kant diskutiert daher vor der Edition der Notizbücher (S. 273–332), ob diese sich als eine verschlüsselte, deutlich kritischere Sicht auf die gleiche Erfahrung lesen lassen, ohne zu einem ganz eindeutigen Urteil zu gelangen (S. 195–272). Den Band beschließt ein Beitrag von Manfred Beine zum weiteren Schicksal der Familie Löwenstein in Rietberg (S. 333–404), einer Geschichte erfolgreichen Wirtschaftens und sozialer Integration, die mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus in Flucht oder Ermordung enden sollte; die letzten Texte des Bandes sind die von Stolpersteinen.
Die im Garn-, Tuch- und Papiergeschäft tätige Familie Isaac Löwensteins stammte aus einem kleinen Territorium, das von dem österreichischen Staatskanzler Kaunitz und dessen Erben regiert wurde. Grundsätze der Aufklärung prägten dort die Politik und die Zukunftsvorstellungen der jüdischen Gemeinden, was dazu führte, dass die deutsche Sprache in Schule und Synagoge Eingang fand. Als mit der rechtlichen Emanzipation im Königreich Westfalen 1808 die Pflicht, Nachnamen anzunehmen, eingeführt wurde, entschied sich Isaacs Vater nach dem Wappen einer Figur aus der entfernteren Familiengeschichte, die mit dem Feldherrn Wallenstein verbunden gewesen war, für Löwenstein.
Isaacs Einberufung zum preußischen Militärdienst, den er in der Bundesfestung Luxemburg ableistete, wurde wegen körperlicher Schwäche mehrfach verschoben. Als sie 1821 erfolgte, war sein sechs Jahre jüngerer Bruder Marcus Schreiber bei Adolf von Lützow, dem ehemaligen Kommandanten der Lützow’schen Jäger; von diesem erhielt Isaac einen Empfehlungsbrief.
Das in deutscher Sprache verfasste, streng chronologisch angelegte Tagebuch behandelt den Weg zur Festung, den Dienst und den Rückweg. Es vermittelt den Eindruck eines bildungsbürgerlichen Beobachters, der erheblich von romantischen Naturvorstellungen inspiriert ist und sich intensiv für die Prosperität der durchreisten Regionen interessiert. In der Garnison will er sich hervortun und dafür körperliche Grenzen überwinden. Löwenstein schrieb viel: an die Familie, für Vorgesetzte und für Kameraden. Als sich der Bataillonsschreiber Hutter im Dezember 1821 selbst tötete, folgte Löwenstein ihm auf diesen Posten nach. Zum Abschied erhielt er lobende Worte und das Angebot, beim Militär zu bleiben. Sein Ziel war aber vor allem die Rückkehr in den Kreis der Familie. Lebenspraktisch spielen die Schwierigkeiten bei der Einhaltung von Speisevorschriften und der Feier religiöser Feste eine große Rolle, vor allem auf Reisen, da Löwenstein in Luxemburg in dieser Hinsicht befriedigende Umstände vorfand.
Kant macht deutlich, dass Löwensteins Entscheidung für eine weitgehende kulturelle und politische Akkulturation bei religiöser Differenz ein Modell der Synthese der „progressiven und modernen Tendenzen deutscher und jüdischer Kultur“ (S. 261) darstellte, das von der preußischen Politik gerade zu dieser Zeit unmöglich gemacht wurde. Heine erfuhr das zeitgenössisch in Berlin, und auch Löwensteins Offiziere deuteten es an (S. 160). Insofern ist nicht nur die Quelle, sondern auch die Erfahrung, von der sie berichtet, für diese Zeit fast einzigartig.
Andreas Fahrmeir, in: Historische Zeitschrift 318, 2024, H. 1
// doi 10.1515/hzhz-2024-1038

Ein westfälischer Jude in der preußischen Armee

Isaac Löwenstein aus Rietberg-Neuenkirchen und sein Tagebuch 1821-1823

Vorwort von Jonathan Steinberg, herausgegeben von Manfred Beine, Marion Kant und Ralf Othengrafen
Mitwirkende
Herausgegeben vonManfred Beine
Herausgegeben vonMarion Kant
Herausgegeben vonRalf Othengrafen
Vorwort vonJonathan Steinberg
Isaac Löwenstein (geboren 18.10.1791, gestorben 14.12.1871 in Neuenkirchen, heute Rietberg) wurde im Oktober 1820 zum Militärdienst in der preußischen Armee einberufen. Im März 1821 wanderte er mit anderen Rekruten 23 Tage von Bielefeld zur Bundesfestung Luxemburg. In seinem Tagebuch beschreibt er diesen Fußmarsch, seine Dienstzeit im preussischen Heer und die Rückreise nach Hause im Oktober 1823. Das von Nachfahren an das Leo Baeck Institut (New York) übergebene Dokument ist das faszinierende Zeugnis eines jungen jüdischen Mannes, der eine für ihn neue Welt entdeckt. Voller Neugier beschreibt er Land und Leute und den Alltag in der preußischen Armee. Das Tagebuch führt aber auch immer wieder zurück in seine Heimat: zu seiner Familie und zur jüdischen Gemeinde in Neuenkirchen. Die Herausgeber binden Löwensteins Tagebuch und seine späteren Notizbücher in die zeitgenössischen Entwicklungen und Diskussionen ein. Es geht um die Entfaltung der Persönlichkeit eines jungen Mannes und es geht um deutsch-jüdische Identitäten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. http://www. regionalgeschichte. de/detailview? no=1246