Wenn wir guten Herzens sind, gibt's auch Produktion von Stefan Rist | Entwicklungsverständnis und Lebensgeschichten bolivianischer Amaryabauern | ISBN 9783823613381

Wenn wir guten Herzens sind, gibt's auch Produktion

Entwicklungsverständnis und Lebensgeschichten bolivianischer Amaryabauern

von Stefan Rist
Buchcover Wenn wir guten Herzens sind, gibt's auch Produktion | Stefan Rist | EAN 9783823613381 | ISBN 3-8236-1338-3 | ISBN 978-3-8236-1338-1

Wenn wir guten Herzens sind, gibt's auch Produktion

Entwicklungsverständnis und Lebensgeschichten bolivianischer Amaryabauern

von Stefan Rist
Ausgangspunkt der Forschungsarbeit bildete die weitgehende Übereinstimmung vieler Techniken des ökologischen Landbaus mit den traditionellen Lebens- und Produktionsformen. Daraus entstand die Idee, die nachhaltige Entwicklung über einen Beitrag zur Erneuerung der traditionellen Lebensformen zu fördern. Die Erfahrung zeigte, dass dies ohne die Berücksichtigung des Entwicklungsverständnisses der lokalen Akteure nicht möglich war. Da eine standardisierte Befragung wenig sinnvoll erschien, wurde das Entwicklungsverständnis der Bauern über die qualitative Analyse von fünf autobiographischen Stehgreiferzählungen rekonstruiert. Dabei ergab sich Folgendes:
  • Als „Entwicklung“ wird ein seelisch-geistiger Bewusstwerdungsprozesses (Individuation) verstanden, der eine persönlich-individuelle und gesellschaftliche Dimension aufweist. Dieser führt sowohl im Lauf der Geschichte als auch in der Biographie zu einem zunehmenden reflexiven Aufschluss der Prinzipien der Lebens- und Produktionsformen von „früher“. Dabei wird das wichtige Deutungsmuster Pachamama („Weltenmutter“) zum tragenden Element, welches das Einzelleben in einen geschichtlichen und damit auch gesellschaftlichen Zusammenhang stellt.
  • Das Deutungsmuster Pachamama bildet die Grundlage zur Erneuerung der aktuellen Orientierungs- und Handlungsmuster. Dadurch orientiert sich das persönliche und gesellschaftliche Leben gleichzeitig an „früher“ und „heute“. Leid und Annehmlichkeiten der exogenen „Modernität“ bekommen aus der Sicht der Bauern insofern einen Sinn, als sie zur Erkenntnis der endogenen, nicht zeit- und raumgebundenen Weisheit der Ahnen führen. Dies ermöglicht eine spezifisch andine Sicht von Natur, Geist und Geschichte, welche zur Schaffung von eigenständigen Lebens- und Produktionsformen führt.
Die Arbeit erlaubt, die Tiefendimensionen und Konsequenzen eines Entwicklungsansatzes zu erfassen, bei dem der interkulturelle Anspruch mehr als ein Lippenbekenntnis ist. Sie fordert zum gründlichen Überdenken der immer noch zu stark von einem westlich geprägten Entwicklungsbegriff dominierten nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit heraus.