Das Potenzial von endogenen „toll-like“ Rezeptor-Agonisten und ω-3-Fettsäuren zur Modulation systemischer Entzündungsreaktionen von Verena Peek | ISBN 9783835966031

Das Potenzial von endogenen „toll-like“ Rezeptor-Agonisten und ω-3-Fettsäuren zur Modulation systemischer Entzündungsreaktionen

von Verena Peek
Buchcover Das Potenzial von endogenen „toll-like“ Rezeptor-Agonisten und ω-3-Fettsäuren zur Modulation systemischer Entzündungsreaktionen | Verena Peek | EAN 9783835966031 | ISBN 3-8359-6603-0 | ISBN 978-3-8359-6603-1
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Das Potenzial von endogenen „toll-like“ Rezeptor-Agonisten und ω-3-Fettsäuren zur Modulation systemischer Entzündungsreaktionen

von Verena Peek
Systemische Entzündungsreaktionen, die experimentell beispielsweise durch eine intraperitoneale Injektion von Lipopolysaccharid (LPS) ausgelöst werden können, führen zur Induktion einer Akute-Phase Reaktion. Es handelt sich dabei um eine multifaktorielle stereotype Reaktion des Körpers, die der Beseitigung des entzündungsauslösenden Agens sowie der Wiederherstellung einer unbeeinträchtigten Gewebefunktion dient. Dabei treten zentralnervös kontrollierte Krankheitssymptome auf. Diese werden als „sickness behavior“ zusammengefasst und beinhalten unter anderem Fieber, Lethargie, Adipsie sowie Anorexie. Sepsis ist eine schwere Form der systemischen Entzündung, die durch konstantes oder periodisches Eindringen pathogener belebter Keime in den Blutstrom ausgelöst wird. Sepsis tritt mit hoher Inzidenz in der Human- sowie Tiermedizin auf. Die Mortalität ist hoch, aber auch Sepsis-Überlebende weisen anhaltende kognitive Defizite auf. Das physiologischerweise intranukleär vorliegende Protein „high-mobility group box 1“ (HMGB1) besitzt nach Translokation in den Extrazellularraum ein pro-inflammatorisches Potenzial und wird als später Mediator der Sepsis postuliert. HMGB1 kann dabei sowohl zentralnervös wirken als auch Einfluss auf periphere Organe, wie beispielsweise das Fettgewebe, nehmen. Die Freisetzung von HMGB1 kann passiv aus nekrotischen Zellen oder durch eine aktive Sekretion aus stimulierten Immunzellen erfolgen. In Abhängigkeit der extrazellulären Redox-Form von HMGB1 weist es chemotaktische (vollständig reduziertes HMGB1), zytokininduzierende (Disulfid-HMGB1) oder keine (Sulfonyl-HMGB1) pro-inflammatorische Aktivität auf. Heute ist bekannt, dass es sich bei der Entzündungsauflösung um keinen passiven, sondern um einen aktiven strikt programmierten Prozess handelt. Dabei stellen die hauptsächlich aus ω-3-Fettsäuren (FS) gebildeten Lipidmediatoren terminale Mediatoren der Kommunikation zwischen Immunsystem und Gehirn dar. Sie verhindern die weitere Infiltration von Leukozyten in das Gewebe und bewirken eine verstärkte Phagozytose von Zelltrümmern sowie von apoptotischen Zellen. Ein besseres Verständnis des pro-inflammatorischen Potenzials von endogenen „toll-like“ Rezeptor-Agonisten, den sogenannten „danger / damage-associated molecular patterns“ (DAMPs), sowie der entzündungsauflösenden Wirkung von „specialized pro-resolving lipid mediators“ (SPMs) ist für die Entwicklung anti-inflammatorischer Strategien zur Behandlung von Sepsis von essentieller Bedeutung. Die Hauptziele der vorliegenden Arbeit bestanden in einer genaueren Charakterisierung (I) der Bedeutung von endogenen „toll-like“ Rezeptor-Agonisten wie HMGB1 während einer systemischen Entzündungsreaktion. Dabei wurde insbesondere das Potenzial zur Induktion einer Entzündung im Gehirn und im Fettgewebe analysiert. Außerdem wurde (II) die anti-inflammatorische Wirkung von ω-3-FS während einer systemischen LPS-induzierten Entzündung sowie während eines psychologischen Stresses mit Hilfe von transgenen Fat-1 Mäusen untersucht. Fat-1 Mäuse sind zur endogenen Synthese von ω-3-FS befähigt.
(I) Ratten reagierten auf die intraperitoneale Injektion einer septischen LPS-Dosis (10 mg/kg) nach anfänglicher Hypothermie mit einem über mindestens 24 Stunden andauernden Fieber. Trotz anhaltendem Fieber lagen die Plasmakonzentrationen von Interleukin-6 (IL-6) und Tumornekrosefaktor-α (TNFα), die mit Hilfe von Bioassays ermittelt wurden, zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in einem basalen Bereich. Hingegen führte die Injektion von LPS zu einem anhaltenden Anstieg der zirkulierenden HMGB1-Konzentration. Erstmalig konnte in der vorliegenden Arbeit immunhistochemisch gezeigt werden, dass im Rahmen der systemischen LPS-induzierten Entzündung eine perinukleäre Translokation von HMGB1 im Gehirn vorliegt. Dies war sowohl in einem der sensorischen zirkumventrikulären Organe (sCVO), der Area postrema (AP), als auch in einem weiteren für die Entstehung von Fieber wichtigen Kerngebiet („median preoptic nucleus“) nachweisbar. Dadurch könnte sowohl systemisch im Blut zirkulierendes als auch lokal im Gehirn freigesetztes HMGB1 pro-inflammatorisch auf das Gehirn wirken und an der bei Sepsis vorliegenden Entzündung im Gehirn und den damit einhergehenden Krankheitssymptomen beteiligt sein. Als sCVO steht die AP direkt mit im Blut zirkulierendem oder aus der AP freigesetztem HMGB1 in Kontakt und kann bei einer Aktivierung über neuronale Verschaltungen Informationen an hypothalamische Kerngebiete weiterleiten. Primärkulturen der AP dienten in der vorliegenden Arbeit einer Analyse des pro-inflammatorischen Potenzials von Disulfid-HMGB1 im Gehirn. In der vorliegenden Dissertation wurde erstmalig ein pro-inflammatorisches Potenzial von Disulfid-HMGB1 in Primärkulturen der AP nachgewiesen. So führte es zu einer immunzytochemisch nachgewiesenen nukleären Translokation von „nuclear factor kappa-light-chain-enhancer of activated B-cells“ (NFκB) in Neuronen, Astrozyten und Mikrogliazellen sowie zur Freisetzung von IL-6 in den Zellkulturüberstand. Ebenso wurde IL-1β-Immunreaktivität durch Inkubation mit Disulfid-HMGB1 in Mikrogliazellen induziert. Außerdem konnte mit Hilfe der Flüssigchromatographie mit Massenspekrometriekopplung zum ersten Mal eine HMGB1-abhängige Freisetzung von Docosahexaensäure nachgewiesen werden. Diese stellt möglicherweise eine zusätzliche anti-inflammatorische Wirkung von HMGB1 im Gehirn dar. Mit Hilfe der „Ca2+-Imaging“ Technik konnte zusätzlich eine direkte Aktivierung von Neuronen durch Applikation von HMGB1 gezeigt werden. Allerdings reagierten nur 0,33 Prozent der untersuchten Zellen mit einem Anstieg der intrazellulären Kalziumkonzentration. Erstmalig wurde in der vorliegenden Arbeit ein 9,2-facher Anstieg der Responsivität auf HMGB1 nach vorheriger Applikation von LPS nachgewiesen, während durch eine Vorbehandlung mit HMGB1 die LPS-induzierte Aktivierung von Zellen um das 8,1-fache verringert wurde. Außerdem reagierten nach vorangestellter Applikation von LPS neben Neuronen auch Astrozyten auf die HMGB1-Applikation. Diese Sensibilisierung entspricht möglicherweise den bei einer Sepsis vorliegenden Gegebenheiten. Zu Beginn einer Sepsis kann LPS mit Zellen der AP direkt in Kontakt treten. Verzögert wird HMGB1 in der Peripherie oder lokal im Gehirn freigesetzt und kann so nach vorherigem Kontakt mit LPS eine stärkere Stimulation der Zellen in der AP bewirken. Ein großer Anteil der bei einer Entzündung zirkulierenden Zytokine entstammt bei Sepsis dem Fettgewebe. Altersassoziierte Adipositas korreliert mit vermehrt zirkulierenden Zytokinen und verstärkt eine durch LPS-induzierte Entzündung. In der hier vorliegenden Arbeit wurde mit Hilfe von ex vivo „Fat Explants“ untersucht, wie LPS oder die DAMPs Biglykan und HMGB1 die Freisetzung von Zytokinen (Bioassay) sowie fettgewebsspezifischen Adipokinen („enzyme-linked immunosorbent assay“ [ELISA]) modulieren und so die systemische Inflammation beeinflussen. Dabei wurde die Reaktion des Fettgewebes (epididymal, retroperitoneal, subcutan und braun) von jungen, schlanken mit dem von alten, adipösen Ratten verglichen. In der vorliegenden Arbeit konnte eine starke Induktion der Zytokin-Freisetzung durch LPS nachgewiesen werden. Zum ersten Mal wurde auch eine LPS-induzierte Freisetzung von IL-6 und TNFα aus dem braunen Fettgewebe von jungen und alten Ratten nachgewiesen. HMGB1 und Biglykan führten insbesondere im subcutanen und retroperitonealen Fettgewebe zu einem Anstieg der Sekretion von IL-6 und TNFα. Die Freisetzung von Adipokinen wurde insgesamt durch die angewendeten DAMPs stärker beeinflusst als durch LPS und beinhaltete insbesondere eine Reduktion der Freisetzung von Visfatin und Adiponektin (nur durch Biglykan) im epididymalen Fettgewebe junger Ratten. Die Inkubation mit HMGB1 führte außerdem zu einer reduzierten Freisetzung von Visfatin aus dem retroperitonealen Fettgewebe alter Ratten. Im Fettgewebe alter Ratten erfolgte eine signifikant höhere Sekretion von Adiponektin und Leptin als im Fettgewebe junger Ratten. Die Freisetzung von Visfatin war aus dem Fettgewebe junger Ratten signifikant höher als aus dem Fettgewebe alter Ratten. Zusammenfassend lieferte die hier vorliegende Arbeit weitere Hinweise auf eine Beteiligung von HMGB1 an der bei Sepsis vorliegenden systemischen Entzündung mit Modulation der Zytokin- und Adipokin-Sekretion aus dem Fettgewebe sowie der mit Sepsis einhergehenden Entzündung im Gehirn.
(II) Mit Hilfe von transgenen Fat-1 Mäusen wurde die Bedeutung von ω-3-FS und deren Lipidmediatoren im Rahmen von systemischen Entzündungen und psychologischem Stress untersucht. In der frühen Phase nach intraperitonealer LPS-Injektion (2,5 mg/kg) wiesen Wildtyp (WT) Mäuse Fieber auf, das bei Fat-1 Mäusen nicht vorlag. Außerdem bestand bei LPS-injizierten Fat-1 Mäusen 9,25 – 15 Stunden post injectionem (p. i.) und bei LPS-injizierten WT Mäusen 13,25 – 15 Stunden p. i. eine signifikante Hypothermie im Vergleich zu ihren jeweiligen Kontrollen. Gleichzeitig wiesen LPS-injizierte Fat-1 Mäuse signifikant geringere IL-6-Konzentrationen im Plasma auf als LPS-injizierte WT Mäuse. Verringerte Plasmakonzentrationen von IL-6 bei erhöhten Konzentrationen von TNFα könnten in Fat-1 Mäusen ursächlich an der Unterdrückung von Fieber mit anschließender Hypothermie beteiligt sein. Außerdem konnte erstmalig eine stärkere LPS-induzierte Expression von TNFα (Leber) sowie „nuclear factor interleukin-6“ (Leber und Milz) in Fat-1 Mäusen festgestellt werden. Es waren allerdings keine Hinweise auf statistisch signifikante genotypabhängige Unterschiede der LPS-induzierten Expression von Enzymen der Prostaglandin-Synthese in Leber und Milz nachweisbar. Ebenso wurden die LPS-induzierte Lethargie, Anorexie, Adipsie und Neutrophilie sowie der Gewichtsverlust durch den erhöhten Anteil von ω-3-FS in Fat-1 Mäusen nicht beeinflusst. Interessanterweise konnte in der hier vorliegenden Arbeit eine signifikant höhere nächtliche lokomotorische Aktivität der Fat-1 Mäuse gegenüber WT Mäusen nachgewiesen werden. Die bei Fat-1 Mäusen stärker ausgeprägte Stress-induzierte Erhöhung der lokomotorischen Aktivität war begleitet von einer signifikant höheren Körperkerntemperatur der Fat-1 Mäuse im Vergleich zu WT Mäusen. Die höhere lokomotorische Aktivität könnte hierbei ursächlich an dem Stress-induzierten Anstieg der Körperkerntemperatur beteiligt sein. Insgesamt scheint Sepsis durch ω-3-FS komplex reguliert zu werden. Insbesondere das fiebersenkende und das entzündungsmodulierende Potenzial von ω-3-FS, das auch in der vorliegenden Arbeit nachgewiesen wurde, stellt eine wichtige therapeutische Strategie dar. In weiterführenden Untersuchungen sollten zusätzlich zentralnervöse inflammatorische Parameter der LPS-injizierten Fat-1 Mäuse mit denen von WT Mäusen verglichen werden, um die in der vorliegenden Arbeit gewonnenen Ergebnisse zu ergänzen.