Über die Bedeutung des Glycintransporters GlyT-1 in der Pathogenese und Therapie neuropathischer Schmerzen von Andrea Urban | ISBN 9783835969612

Über die Bedeutung des Glycintransporters GlyT-1 in der Pathogenese und Therapie neuropathischer Schmerzen

von Andrea Urban
Buchcover Über die Bedeutung des Glycintransporters GlyT-1 in der Pathogenese und Therapie neuropathischer Schmerzen | Andrea Urban | EAN 9783835969612 | ISBN 3-8359-6961-7 | ISBN 978-3-8359-6961-2
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Inhaltsverzeichnis 1

Über die Bedeutung des Glycintransporters GlyT-1 in der Pathogenese und Therapie neuropathischer Schmerzen

von Andrea Urban
Jede Verletzung oder Erkrankung mit Beteiligung des Nervensystems birgt die Gefahr der Entwicklung chronischer neuropathischer Schmerzen. Die pharmakologische Therapie neuropathischer Schmerzen mit klassischen Analgetika erweist sich häufig als schwierig aufgrund von unerwünschten Wirkungen und/oder unzureichender Linderung der Symptome. Ein vielversprechender neuer Ansatz scheint, die bisher vorherrschende, weitestgehend symptomatische Therapie chronischer Schmerzen zu ersetzen durch stärker Mechanismus-orientierte Maßnahmen.
Zu den wesentlichen Pathomechanismen neuropathischer Schmerzen zählt die Imbalance zwischen hemmenden und erregenden Signalen zu Ungunsten der Inhibition. Die pharmakologische Interaktion mit inhibitorischer gabaerger und vor allem glycinerger Neurotransmission wird demnach als potenzielle zukünftige Therapieoption betrachtet.
Die vorliegende Arbeit verfolgte den Ansatz, dass die verstärkte Hemmung neuronaler Reizweiterleitung durch Inhibition des Glycintransporters-1 mittels ALX-5407 mechanische Allodynie und thermale Hyperalgesie im CCI-Modell für neuropathische Schmerzen verringert. Hierzu wurden männliche Wistar Ratten operiert und mittels Plantartest und Aesthesiometer auf Verhaltensänderungen untersucht. Insbesondere eine länger andauernde subkutane Applikation sollte zeigen, ob sich ALX-5407 eignet, die Symptome neuropathischer Schmerzen positiv zu beeinflussen. Hierzu wurde den neuropathischen Versuchstieren eine Osmosepumpe mit unterschiedlichen Konzentrationen des Inhibitors implantiert bzw. einer Kontrollgruppe lediglich Vehikellösung. Um die Wirkungsweise des Glycintransporter1-Inhibitors zu untersuchen, wurde auf Proteinebene der Einfluss der chronischen Inhibitor Applikation auf die Expression von GlyT-1 und NMDA-R im zentralen Nervensystem untersucht. Der Nachweis erfolgte auf Rückenmarksgewebe mittels Western blot-Analyse und Immunfärbung. Zur Kontrolle wurde einer Gruppe unbehandelter Ratten ebenfalls Rückenmarksgewebe entnommen und untersucht.
Im CCI-Modell konnten bei Ratten die Symptome thermale Hyperalgesie und mechanische Allodynie neuropathischer Schmerzen über die Dauer von 14 Tagen signifikant vermindert werden. Zusätzlich konnte in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden, dass die kontinuierliche subkutane Applikation von ALX- 5407 ohne sichtbare Nebenwirkungen, bei erhaltener erwünschter, schmerzlindernder Wirkung, eine praktikable Methode der Verabreichung darstellt. Eine Veränderung im Expressionsmuster von Gycintransporter-1 und NMDA-Rezeptor durch Induktion von neuropathischen Schmerzen ließ sich in der vorliegenden Arbeit nicht nachweisen. Die Untersuchung von lumbalem Rückenmark neuropathischer Versuchstiere, die mit einer Dosis von 200µg/kg Körpergewicht ALX-5407 behandelt worden sind, ergab jedoch eine signifikante Verringerung von NMDA-R. Diese Ergebnisse zeigen, dass eine systemische Langzeit-Applikation eines spezifischen Glycintransporter-1-Inhibitors die Symptome experimenteller chronischer neuropathischer Schmerzen ohne wesentliche Nebenwirkungen signifikant lindern kann. Darüber hinaus scheint die chronische Gabe des Inhibitors durch eine Verminderung der NMDA-R Expression im Rückenmark auch auf maladaptive neuroplastische Prozesse im somatosensorischen Nervensystem Einfluss zu nehmen. Dies könnte ein Hinweis sein, dass die Hemmung von Glycintransporter-1 im Kontext neuropathischer Schmerzen nicht nur rein symptomatische, sondern auch kausal therapeutisch wirksam ist. Weitergehende experimentelle Untersuchungen sind erforderlich, um dies zu verifizieren. Darüber hinaus müssen klinische Untersuchungen zeigen, ob das Konzept der Hemmung von Glycintransportern auch bei humanen chronischen Schmerzen wirksam ist.