Gesamtausgabe / Mein Vater heißt Dionysos von Herbert Achternbusch | Mein Vater heißt Dionysos /Liebesbrief /Ich als Japanerin /Schnekidus | ISBN 9783852524894

Gesamtausgabe / Mein Vater heißt Dionysos

Mein Vater heißt Dionysos /Liebesbrief /Ich als Japanerin /Schnekidus

von Herbert Achternbusch, herausgegeben von Herbert Pils
Buchcover Gesamtausgabe / Mein Vater heißt Dionysos | Herbert Achternbusch | EAN 9783852524894 | ISBN 3-85252-489-X | ISBN 978-3-85252-489-4

Gesamtausgabe / Mein Vater heißt Dionysos

Mein Vater heißt Dionysos /Liebesbrief /Ich als Japanerin /Schnekidus

von Herbert Achternbusch, herausgegeben von Herbert Pils
Die Polizisten, die das Nazigold von Berlin in die Alpen begleiten, sind doch Deppen.
Luise sagt das mit einer beiläufigen Überzeugung, wie sie bei vielen Wiederholungen zustandekommt. Adolf, raucht lässig, weil es bei seinem Zigarettenkonsum nicht auf die einzelne Zigarette ankommt. Hinter sich hat er das Fenster, und wie der Rauch steigt sein Blick zum Fenster: die Zeiten haben sich geändert und würden sich noch viel, viel mehr ändern. Das ist mir scheißwurst, sagte Adolf laut. Luise, in gewinnsüchtigen Gedanken versponnen, sagte etwas unwirsch: Was!? Alles, meinte Adolf und das klang wie eine lästige Drohung. Schani, sagte Luise milder gestimmt, denn dieses geradezu selbstmörderische Alles konnte auch sie betreffen, ja konnte sich gegen sie in Aggression verkehren. Alles, das war auch sie. Alles war aber auch, daß Adolf mit irgendeiner Frau ins Bett ging und sich nichts scherte, wenn sie, Luise, später heimkam, die beiden in ihrem Bett vorfand, außer sich geriet, ihr Handgepäck, oder was sie gerade bei sich hatte, einen Regenschirm, einen Wecken Brot oder 8 Briketts in Zeitungspapier gewickelt, auf die beiden niederließ, alles zu zerfetzen, auch sich selbst. In der Küche den Gashahn auf, und an den Scherben im Küchenfenster die Pulsgegend der Handgelenke traktierend. Ach, warum nicht hat mich eine Bombe, eine einzige Bombe der unzähligen Bomben in den unzähligen Bombennächten zerrissen? Warum nur nicht! Ich stehe mir im Weg. Doch nie wieder werde ich die weiße Fahne hissen. Mein Herbert, ich komme zu dir. Der kleine Herbert war nur 8 Jahre alt geworden. Ein schöner Engel ist er geworden, sagte die katholische Krankenschwester. Ich scheiß drauf, sagte sein Vater. Die Mutter wollte sich von der Steinernen Brücke in Regens-burg in die Donau stürzen. Machen Sie doch das nicht, liebe Frau, sagte ein Passant. Luise durfte vor ihrem Chef den Handstand machen. Dann legte er ihr, als sie vom Handstand wieder heruncen war und sein Diktat mitstenografierte, blutiges Kalbfleisch auf ihr linkes Knie. Sie schrie auf, sie sprang auf. Wollte nach Hause radeln, in die Walhallastraße. Ihr nagelneues weißes Rad war fort, gestohlen, jahrelang hingespart. Die Schwester Anna wurde endgültig das Lieblingskind des Vaters, nachdem der langersehnte Sohn gestorben war. Ella, die dritte Tochter wurde wegen des Ausbleibens eines Sohnes narren-hausreif geschlagen, unter anderem war sie 11 Jahre in der Irrenanstalt Haar. Was Auschwitz unter den Lagern war, war Haar unter den Irrenhäusern. Im KZ wäre ich wenigstens umgekommen, in Haar mußte ich weitervegetieren, pflegte Ella zu sagen. Nachdem Adolf sein Alles in die Luft gehängt und auf dem Zigarettenrauch aufgehängt hatte, wo es wie ein Aufklärungsflugzeug feststand und all die Drohung in sich barg, die dann ein Bombengeschwader freigibt, zog sich Luise das Tischchen, auf dem sie saß, in die Küche, zündete das Gas an und wartete, bis die Gasflammen ihre Reissuppe erwärmt hatten. Magst du auch eine Suppe, zu sagen, wäre jetzt nicht angebracht gewesen. Sie streichelte einen der vier Mohren, die die Tischplatte trugen, auf der sie saß. Aus Adolfs Wohnung in der Theresienstraße, wo jetzt die Dresdner Bank drinnen ist, die all die Nachkriegsjahre so eine miserable Ausstrahlung hatte bis man wußte, daß sie sich am Gold aus den Vernichtungslagern bereichert hatte und jetzt endlich eindeutig gebrandmarkt dasteht, aus der Wohnung im ersten Stock über der jetzigen Dresdner Bank hatte Luise das Negertischchen aus den Flammen gerettet.