Diese Sonne strahlt immer von David Claerbout | ISBN 9783868952186

Diese Sonne strahlt immer

von David Claerbout
Buchcover Diese Sonne strahlt immer | David Claerbout | EAN 9783868952186 | ISBN 3-86895-218-7 | ISBN 978-3-86895-218-6

Diese Sonne strahlt immer

von David Claerbout
Heute, so David Claerbout, wären die einst gegensätzlichen Charakteristika von Film (= Bewegung) und Fotografie (= der eingefrorene Moment) nicht mehr so klar. Und das ist der Moment, an dem er seine eigene Philosophie erarbeite. David Claerbout manipuliert Zeit, indem er die Grundlagen der Medien Fotografie und Film für beides einsetzt: So animiert er etwa Fotografien digital und nimmt ihnen damit die Statik. Oder aber er entzieht dem Film das Moment der Bewegung: Durch die Verlangsamung von menschlichen Bewegungen im Gegensatz zur Beschleunigung eines Tageslichtablaufs in Long Goodbye (2007), mittels der ins Unerträgliche gesteigerten Wiederholung derselben Sequenz im Bogen zwischen Sonneauf- und -untergang in Bordeaux Piece (2004), durch die filmische Aneinanderreihung von Fotos, die dieselbe Szene wieder und wieder, allerdings aus einer anderen Perspektive zeigen, wie etwa in The Quiet Shore (2011) und The Algiers' Sections of A Happy Moment (2008), beides Arbeiten, in der eine „Animation der Zeit, im Sinne der Belebung“ stattfindet. Beim Foto, so David Claerbout, habe man die Sicherheit eines vergangenen Moments; die Zeit, die man mit Betrachtung des Fotos verbringe, sei die Versicherung der Gegenwart. In The Quiet Shore und The Algiers' Sections of A Happy Moment gebe das fotografische Werk seine Exklusivität auf, die Vergangenheit zu verkörpern, der Film wiederum seine Exklusivität, für das Hier und Jetzt zu stehen, so David Claerbout.
Wer sich einen stringenten Handlungsablauf erwartet, wird enttäuscht: „In meinen Arbeiten ist das Erwartungsmuster gestört. (…) Cinematografische Erlösung wird vermieden, und ein erzählerischer Strang kommt nicht zustande.“* Vielmehr erzählen folgende ProtagonistInnen die Geschichten: Die Träger der Medien Fotografie und Film, also Zeit und Licht, Musik sowie Komposition, versinnbildlicht durch die (moderne) Architektur. Letztere steht auch oft im Gegensatz zur sehr präsenten Natur, etwa in The Stack (2002) oder in der schon erwähnten Arbeit Bordeaux Piece.
David Claerbout beschäftigt sich intensiv und lange mit seinen Arbeiten. Oft fotografiert oder filmt er das Originalsetting, in das er später die in der Blue Box aufgenommenen menschlichen ProtagonistInnen montiert. Und viel Zeit erfordert auch die Betrachtung seiner Arbeiten. „Ich habe das Glück, meine Arbeiten an Orten ausstellen zu können, wo man die tickende Uhr der vergehenden Zeit nicht hören kann. Darum geht man doch ins Museum: zurückzuschauen.“ Und das ist David Claerbouts wichtigstes Werkzeug als Filmemacher: „nicht der Film, sondern die Erinnerung“.*
*David Claerbout im Gespräch mit Inka Graeve Ingelmann. Aus dem Katalog uncertain eye, Pinakothek der Moderne, München 2010
Texte: Boris Groys und Peter Eleey