Das Buch und die vier Ecken der Welt von Thomas Rainer | Von der Hülle der Thorarolle zum Deckel des Evangeliencodex | ISBN 9783895007095

Das Buch und die vier Ecken der Welt

Von der Hülle der Thorarolle zum Deckel des Evangeliencodex

von Thomas Rainer
Buchcover Das Buch und die vier Ecken der Welt | Thomas Rainer | EAN 9783895007095 | ISBN 3-89500-709-9 | ISBN 978-3-89500-709-5
Inhaltsverzeichnis

„Die Darstellung bleibt nicht in der formalen Thematik stehen, sondern bietet immer wieder theologische Interpretationen. Das macht das gelehrte Werk auch für die Liturgiewissenschaftler interessant, weil die Bedeutung des geöffneten Codex, immer wieder thematisiert wird. (...) Die thematische Fortschreibung des „Buch"-Themas besitzt also Aktualität.“

Von: Angelus Häußling

In: Archiv für Literaturwissenschaft
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„Die Arbeit ist eine - durch Indizes leider nicht weiter erschlossene - Fundgrube für alle, die an Kunstgeschichte Bibelwissenschaft, Kirchengcschichte, Theologie und Bibliothekswesen interessiert sind.“

Von: Joef M. Oesch

In: Zeitschrift für katholische Theologie, Band 135, 2013, Heft 4, S.446-447.
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„Thomas Rainer kann aufzeigen, dass dabei die Verzierung mit den winkelförmigen Motiven an den vier Ecken der Deckel, eine große Rolle spielte. So wurde er zum Spiegel des Buchinhalts und inszenierte den Vierevangeliencodex zu einem Abbild der Welt. (...)
Spannend ist vor allem der Epilog der Dissertation, der eine Brücke zur Bibliothèque nationale de France in Paris schlägt, die von Dominique Perrault gleichsam über einem Grundriss in Form der Buchhülle mit Gammadiae errichtet wurde und daher zum Nachdenken über die „Lesbarkeit der Welt“ anregt.“

I. Siede

In: Bulletin codicologique. 2012, 1. S. 94-95.

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„Druck und Reproduktionen sind vorzüglich. Eine großartige Arbeit. Faszinierend auch für uns Bücherfreunde ist, daß und wie der Autor eine Brücke vom spätantiken Buchdeckel und vom Mantel der Thorarolle zur Architektur der neuen französischen Nationalbibliothek schlägt: „das mittelalterliche Weiterleben der Bibliothek als Scrinium oder Capsa des kultisch verehrten Buches“ (S. 217). Die vorliegende Untersuchung ist ein wichtiger Beitrag über die „Lesbarkeit der Welt“ im Sinne der gleichnamigen Veröffentlichungen von Hans Blumenberg (1979) und Uwe Timm (2009).“

Dieter Schmidmaier

In: Marginalien. 206 (2012) 2. S. 96-97.

Das Buch und die vier Ecken der Welt

Von der Hülle der Thorarolle zum Deckel des Evangeliencodex

von Thomas Rainer
Ausgangspunkt der Arbeit ist eine genaue ikonographische Analyse der als Gammadiae bezeichneten, winkelförmigen Motive in den vier Ecken der Buchdeckel, die die Langobardenkönigin Theodelinda um 600 an die Basilika San Giovanni in Monza stiftete. Anhand dieses Motivs wird der Prozess rekonstruiert, der in der frühchristlichen Kunst den Buchdeckel zum Spiegel des Buchinhalts werden ließ und den Vierevangeliencodex als ein Abbild der Welt inszenierte. Besondere Berücksichtigung findet dabei das Verhältnis von jüdischer und christlicher Buchverwahrung. Es entwickelte sich vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Buchformen, Rolle und Codex, die in den beiden Religionen zur Aufzeichnung der heiligen Schriften präferiert wurden. Der Weg des Codex von einer in der klassischen Antike als minderwertig angesehenen Buchform zum Repräsentationsobjekt im spätantiken Christentum wird anhand bildlicher Darstellungen der biblischen Bücher nachgezeichnet. Erscheinen diese im jüdischen Kontext in der Regel in der Form von Rollen im Thoraschrank an einem festen Ort innerhalb der Synagoge, versetzt sie das Christentum in Mobilität. Biblische Schriften werden als Rollen in einem Tragebehälter, der Capsa, zu Füßen des lehrenden Christus gezeigt, der selbst einen geöffneten, später auch geschlossenen Codex als Zeugnis seines Evangeliums in Händen hält. Parallelen im liturgischen Zeremoniell, insbesondere der im Rahmen der Taufe vollzogene Ritus der Expositio Evangeliorum, erklären die Entwicklung der Repräsentation des Evangeliums von einem zunächst stets geöffnet präsentierten Buch zum geschlossenen Codex. Dessen Buchdeckel konnte zunehmend die Funktion der Türen des Thoraschranks übernehmen. Die kosmologische Deutung der damit gleichgesetzten Bundeslade wurde auf den christlichen Buchdeckel übertragen, der sich als ein Medium etablierte, das zwischen Offen und Geschlossen, zwischen Bild und Wort vermittelt und gleichermaßen die Welt wie die heilige Schrift repräsentiert. Wie prägend dieses ikonographische Konzept für das abendländische Schriftverständnis wurde, zeigt der Epilog der Arbeit, der eine Brücke vom spätantiken Buchdeckel bis zu der von Dominique Perrault entworfenen Architektur der neuen Nationalbibliothek in Paris schlägt. Die Untersuchung erweist sich damit als fundamentaler Beitrag zur Debatte um die „Lesbarkeit der Welt“, eine Debatte, die angesichts des Entstehens allumfassender digitaler Bibliotheken gerade in Bezug auf die materielle Form des Buches höchste Aktualität besitzt.