Segler vor Ostafrika. von Hermann Winkler | Die Trimarane der Fischer | ISBN 9783896268761

Segler vor Ostafrika.

Die Trimarane der Fischer

von Hermann Winkler, Vorwort von van der Heyden Ulrich
Buchcover Segler vor Ostafrika. | Hermann Winkler | EAN 9783896268761 | ISBN 3-89626-876-7 | ISBN 978-3-89626-876-1
Interessenten für Schiffahrt, Segelboote und Fischereiwesen, insbesondere der Region Ostafrikas

Segler vor Ostafrika.

Die Trimarane der Fischer

von Hermann Winkler, Vorwort von van der Heyden Ulrich
Abseits ausgetretener Touristenpfade hat Hermann Winkler seit Jahrzehnten Informationen über Schiffbau und Fischerei und nicht zuletzt über das Alltagsleben der Fischer an der Ostküste des afrikanischen Kontinents gesammelt. Die Ergebnisse seiner Forschungen liegen nunmehr vor. Dafür muß ihm im Namen der Wissenschaft Dank gesagt werden. Mit der vorliegenden Arbeit von Hermann Winkler liegt eine einzigartige Publikation vor. Zweifelsohne ist die vorliegende akribische Ausarbeitung über die ostafrikanischen Auslegerboote eigentlich viel mehr als nur das Produkt einer jahrelangen intensiven Beschäftigung eines maritim-kulturgeschichtlich interessierten Seemannes mit einer oftmals als exotisch angesehenen Thematik, denn hier werden nicht nur seefahrtstechnische und maritime Besonderheiten einer von Küstenseefahrt und Fischerei geprägten Kultur vorgestellt, sondern es werden in einer verständlichen Sprache übersichtlich geordnet auch historische, kulturelle und ethnographische Aspekte derjenigen Menschen dem deutschsprachigen Leser nahe gebracht, die diese Boote zum Lebensunterhalt benutzen, ja für welche sie zum Lebensinhalt geworden sind. Dabei ist die Sichtweise eines Nautikers mit Kapitänspatent mit langjähriger Berufserfahrung, dessen spezielles Wissen nicht zuletzt während unzähligen Fahrten und späterer Reisen in die ostafrikanische Küstenregion entstanden ist, besonders interessant.
Die maritime Kultur Afrikas sowie die dort gepflegten Traditionen des Bootsbaus wurden bislang in der afrikanistischen und völkerkundlichen Fachliteratur kaum beachtet. Dabei gehörten und gehören noch heute die Wasserfahrzeuge zu den wichtigsten Bestandteilen der materiellen Kultur nicht weniger afrikanischer Völkerschaften in den verschiedensten Staaten des „schwarzen Kontinents“. Sie spielen im Leben der Menschen an Flüssen und Seen und vor allem an der Küste eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation, beim Handel, beim Transport, bei der Jagd und natürlich beim Nahrungserwerb. Es ist kein Wunder, dass diese maritime Kultur Eingang in traditionelle Riten und Bräuche sowie in bestimmte religiöse Vorstellungen gefunden hat.
So fließen in diesem Buch eigene Beobachtungen und Erfahrungen aus Aufenthalten an der Küste Ostafrikas zusammen mit solchen Forschungsergebnissen, die Hermann Winkler in jahrelanger Kleinarbeit in der vorhandenen Sekundärliteratur gewonnen hat. Herausgekommen ist eine flüssig geschriebene Darstellung, die sowohl den auf afrikanistischem und maritimem Gebiet arbeitenden Fachmann, wie auch ein breites interessiertes Lesepublikum begeistern wird. Dem Leser wird eine ungeahnte Komplexität des Themas sachkundig erschlossen, in dem der überraschende Reichtum einer lebendigen Küstenkultur am Rande des Indischen Ozeans im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen geführt wird. Dabei werden Erkenntnisse der wissenschaftlichen Erforschung der maritim beeinflussten Küstenkultur Afrikas praxisorientiert vom Autor verwertet, ohne sich in langen theoretischen Erörterungen zu verstricken.
Es existiert wohl kaum eine andere Region in Afrika, wo es noch heute Gelegenheit gibt, afrikanische Schifffahrt in ihrer ganzen Ursprünglichkeit zu studieren, als die Ostküste Afrikas. Bei der Auswertung relevanter, vor allem historischer Quellen hat sich Winkler auf eine breite Palette, allerdings weit zerstreut vorhandener, schriftlicher Zeugnisse berufen können. Sachkundig und zugleich den Text auflockernd, hat er frühe Beschreibungen der ostafrikanischen Fischerboote, die schon von den ersten Europäern, die die schnellen Boote bestaunten und ihr Erscheinen am Horizont mit dem Flug von Vögeln verglichen, sowie von arabischen Reisenden ausfindig gemacht und mit dem Gespür für eine spannende Darstellung in dem Text platziert. Zugleich untermauern solche historischen Beschreibungen seine vor allem auf eigener Erfahrung basierenden Ausführungen.
Die beschriebenen Fischerboote in jener Region geben lebendiges Zeugnis davon ab, wie die Besonderheiten der Natur von und für den Lebensunterhalt der Menschen genutzt werden können. Heute werden solche Erfahrungen etwa von Fischereitechnikern auch für unsere Breiten wieder als Alternative zu modernen Fangmethoden für möglich gehalten, weil sie den gegenwärtig am häufigsten genutzten Techniken sowohl ökonomisch, als auch ökologisch überlegen sind.
Besondere Hervorhebung verdienen die Einschätzungen des fachkundigen Autors über die Perspektive des traditionellen Seeverkehrs sowie die übersichtliche Systematik der an der afrikanischen Küste vorhandenen Bootstypen, die er im Zusammenhang mit der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Region am Indischen Ozean aufgestellt hat. Die exakte Zusammen- und Vorstellung der verschiedenen Typen traditioneller ostafrikanischer Küstenfahrzeuge vom Horn von Afrika bis nach Mosambik und Madagaskar zählen zu den besonderen wissenschaftlichen Verdiensten dieser Publikation. Damit hat Winkler eine Kultur dokumentiert und teilweise analysiert, die trotz ihrer zeitlos wirkenden traditionellen Seefahrt droht, in Vergessenheit zu geraten. Neben den Auslegerbooten wird allerdings auch auf andere traditionelle Wasserfahrzeuge ostafrikanischer Bauweise Bezug genommen.
Hermann Winklers Aussagen werden durch mannigfache Illustrationen bestärkt und sprechen damit zusätzlich einen größeren Leserkreis als den rein fachwissenschaftlich orientierten Interessenten an.
Hermann Winkler hat sich mit diesem Werk nicht nur als akribisch arbeitender Wissenschaftspublizist erwiesen, sondern auch sein Talent als Fotograf unter Beweis gestellt. Seine Fotos untermauern und ergänzen die Aussagen des Textes in hervorragender Weise und werden die Leser und Betrachter in Faszination versetzen. Jeder, der von den Schwierigkeiten des Fotografierens in islamisch dominierten Regionen weiß, wird solche Aufnahmen zu schätzen wissen. Es ist dem Autor in wunderbarer Weise mit seiner Kamera gelungen, viele zusätzliche Informationen ästhetisch anspruchsvoll ins Bild zu setzen.
Gleichermaßen beeindruckend sind die geradezu detailversessenen technischen Beschreibungen der Wasserfahrzeuge, die mit Kamera, Bandmaß und Notizblock festgehalten wurden und zum großen Teil Eingang in die ausführlichen Darstellungen der Bootstypen gefunden haben. Es ist Winkler gelungen, die Konstruktion der Fischerboote, insbesondere des Auslegergeschirrs, mit einer Vielzahl von zum Teil bislang unbekannten Fakten zu belegen, so dass die These des Autors über die menschliche Besiedlung Madagaskars mit Hilfe der damaligen Boote, die in ihrer Grundkonstruktion den noch heute verwendeten gleichen, durchaus nachvollziehbar ist.
Dazu kann er auf eine besondere Quelle verweisen. Denn das berühmte Schiffsrelief aus dem javanischen Boro-Budur-Tempel ist jetzt von einem deutschen Schiffshistoriker als Modell rekonstruiert worden und wird im vorliegenden Buch erstmalig präsentiert.
Für die Wissenschaft wertvoll sind nicht nur die Ausführungen und Belege für die von Winkler vorgenommenen Aussagen und Schlussfolgerungen, sondern auch die Verweise auf Lücken in der Forschung. Insbesondere die Beschreibung der sich heute noch zahlreich vor der Ostküste des afrikanischen Kontinents im Einsatz befindlichen verschiedenen Typen traditioneller Boote und nicht zuletzt die präsentierten Forschungsergebnisse über den historischen Ursprung des afrikanischen Bootsbaus dürften einen besonderen wissenschaftlichen Wert haben.
Es besteht dennoch die Gefahr, dass diese Segelfahrzeuge in wenigen Jahrzehnten vom Indischen Ozean verdrängt sind und somit für „Feldforschungen“ nicht mehr zur Verfügung stehen. Besonders bemerkenswert ist die immer wieder zu Tage tretende tiefe Zuneigung des Autors für die afrikanischen Menschen, die dem Ozean ihre Lebensgrundlage verdanken.
Nicht nur die an Afrika interessierten Akademiker werden dieses von Hermann Winkler vor uns ausgebreitete Kapitel afrikanischer Kulturgeschichte ob des betretenen wissenschaftlichen Neulandes der maritimen Ethnographie Afrikas schätzen, sondern es als eine ebenso spannende wie lehrreiche, um visuelle Highlights bereicherte Lektüre zu genießen wissen.
Ulrich van der Heyden
Januar 2009