Freundschaft und Macht von Wiegand Jahn | Eine Fallstudie aus Indus Kohistan / Nordpakistan | ISBN 9783896451644

Freundschaft und Macht

Eine Fallstudie aus Indus Kohistan / Nordpakistan

von Wiegand Jahn
Mitwirkende
Autor / AutorinWiegand Jahn
Reihe herausgegeben vonIrmtraud Stellrecht
Buchcover Freundschaft und Macht | Wiegand Jahn | EAN 9783896451644 | ISBN 3-89645-164-2 | ISBN 978-3-89645-164-4
Ethnologen, Hochgebirgsforscher, Soziologen

Freundschaft und Macht

Eine Fallstudie aus Indus Kohistan / Nordpakistan

von Wiegand Jahn
Mitwirkende
Autor / AutorinWiegand Jahn
Reihe herausgegeben vonIrmtraud Stellrecht
Indus Kohistan ist eine Region zu beiden Seiten der Indus-Schlucht in der pakistanischen North-West-Frontier-Province, die 1976 im Zuge des Baus des Karakorum Highways als Distrikt in das pakistanische Staatswesen integriert wurde. Die Bevölkerung besteht aus vielen Sprach-, Territorial- und Deszendenzgruppen, wobei letztere wiederum verschiedenen Statusgruppen zugeordnet werden. Shin ist die Bezeichnung für Deszendenzgruppen von hohem sozialem Rang und Prestige, die in den meisten Teilen Kohistans die Bevölkerungsmehrheit darstellen. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf die Beziehungen zwischen Akteuren und Gruppen der Shin.
Die Mehrzahl der etwa 600.000 Menschen zählenden Bevölkerung Indus Kohistans wohnt bis heute in den Indus-Seitentälern und lebt von traditionaler Subsistenzökonomie: Ackerbau und Hochweidewirtschaft. Eine Minderheit allerdings siedelte in den letzten zwei Jahrzehnten um in neuentstandene Bazar-Orte am Karakorum Highway und kehrte der traditionalen Subsistenzökonomie den Rücken: Sie arbeiten als Bedienstete in den „governmental departments“, als Lehrer in Schulen oder im „business“ auf dem Bazar. Angehörige dieser ökonomischen Minderheit, die sozial und politisch aber eng mit der Mehrheit in den Seitentälern verbunden bleiben, stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Konkreter Gegenstand der Fallstudie sind zwei Haushalte im Doppelort Dasu/Komila, dem politischen und ökonomischen Zentrum des Distrikts.
Die Arbeit basiert auf Daten, die auf einer 16-monatigen ethnologischen Feldforschung 1998–2000 erhoben wurden. Thematisch ergeben sich zwei Schwerpunkte:
Es wird erstens aufgezeigt, dass „Freundschaftsbeziehungen“ in einer traditionalen segmentären Gesellschaft auch in zentralen gesellschaftlichen Feldern eine tragende Rolle spielen. Dabei wird „Freundschaft“ definiert als eine Form interpersonaler Beziehungen, die auf Freiwilligkeit und Wahl basieren und ein weites Spektrum von egalitären bis hin zu hierarchisierten Patron-Klient-Beziehungen einschließen. Mit diesem Fokus soll die einseitige und bislang in der Ethnologie vorherrschende Sichtweise ergänzt werden, die in traditionalen und/oder segmentären Gesellschaften seit jeher allein Verwandtschaft und Deszendenz (in Indus Kohistan: streng patrilineare Deszendenzgruppen) als das Handeln der Akteure strukturierende Prinzipien (an)erkennt.
Zum Anderen werden diese Freundschaftsbeziehungen als Machtbeziehungen analysiert. Die Untersuchung von Macht bezieht sich auf die konkrete Handlungsebene. Macht wird dabei verstanden als Fähigkeit, das Handeln Anderer zu beeinflussen. Bezugspunkt ist der routinisierte Alltag „durchschnittlicher“ Akteure und nicht etwa das Handeln prominenter, erklärtermaßen „mächtiger“ Persönlichkeiten.
REZENSION „To conclude, friendship in Indus Kohistan is much more than a peripheral social phenomenon. The evidence is against the long standing conviction in social anthropology that in traditional societies only kinship is of real importance, leaving only limited, if any, space for friendship. This insight of the present study corresponds widely with recent fieldwork-based research results predominantly carried out in African societies (Grätz/Meier/Pelican 2003). However, this does not mean that the time has now come to simply put old convictions aside and propagate the dominance of bonds of friendship over those of kinship in traditional societies. Moreover, the time has come to pay more careful attention to the overlappings and interim zones between these social domains, be it in Western or in non-Western (traditional) societies.“ (Ulrich Oberdiek in „Anthropological Abstracts“, VIII/2009, 141-142)