"Begraben sind die Bibeljahre längst" von Valentina DiRosa | Diaspora und Identitätssuche im poetischen Entwurf Else Lasker-Schülers | ISBN 9783897854444

"Begraben sind die Bibeljahre längst"

Diaspora und Identitätssuche im poetischen Entwurf Else Lasker-Schülers

von Valentina DiRosa
Buchcover "Begraben sind die Bibeljahre längst" | Valentina DiRosa | EAN 9783897854444 | ISBN 3-89785-444-9 | ISBN 978-3-89785-444-4

"Begraben sind die Bibeljahre längst"

Diaspora und Identitätssuche im poetischen Entwurf Else Lasker-Schülers

von Valentina DiRosa
Else Lasker-Schüler: Eine alters- und zeitlose Dichterin, die sich als ortlos zwischen Himmel und Erde stilisiert, dem biblischen Ägypten genauso zugetan wie dem deutschen Heimatland, zwischen der realen Gegenwart und einer mythischen jüdisch-orientalischen Vergangenheit gespalten: 'Poesie' bedeutet für Lasker-Schüler eine dem Menschen zumutbare Wahrheit, die den Anspruch erhebt, die Misere einer prosaischen Welt durch die höhere Ordnung einer phantasierten Gegenwelt zu transzendieren. Die Identitätssuche vollzieht sich als experimentelle Poetik der Existenz. Die kultivierte Ego-zentrik der Dichterin wird hier in die Werkstruktur integriert und als konstitutives Moment ihres Versuches gedeutet, die eigene Vita als Metapher zu konstruieren – ein Experiment, das darauf abzielt, nicht als Diskurs über das eigene Ich, sondern als Metadiskurs über das Wagnis des schöpferischen Prozesses rezipiert zu werden. Die Texte werden also in deren eigentümlicher Verschränkung von fiktiven Begebenheiten und ekstatischen Bekenntnissen gelesen, um dabei der chiffrierten Kombination von Utopie, Reflexion, Spiel auf die Spur zu kommen. Den Rahmen bilden die antibürgerlichen Enklaven der Berliner Boheme und im besonderen die antinaturalistische Programmatik der Neuen Gemeinschaft, die sich um charismatische Figuren wie Peter Hille, Julius und Heinrich Hart, Gustav Landauer, Martin Buber gruppiert, wobei das neue Pathos der expressionistischen Moderne mit den geistigen Impulsen der parallel aufkommenden zionistischen Avantgarde zu einem kreativen Dialog im Sinne eines mystischen Monismus findet. Mit Bezug auf diesen kulturkritischen Diskurs, der sich aus dem unglücklichen Bewußtsein der Diaspora speist, wird Lasker-Schülers Unbehagen an der Assimilation als kühner Entwurf einer Ästhetik des Widerstandes gedeutet, kraft derer der Mythos eines uralten, 'wilden' Morgenlandes gegen den Logos eines kalten, 'unerquicklichen' Abendlandes ausgespielt wird. Als Stationen im Drama einer symbolischen Identitätssuche gelten die unsichtbaren Städte von Bagdad, Theben, Jerusalem zugleich als Fluchtpunkte einer imaginierten Topographie des Orients, das im Sinne eines exotisch anmutenden 'Heimwehs' neu inszeniert wird.