Nukleäre Akkumulation und Zielgen-Erkennung von STAT1-Transkriptionsfaktoren von Thomas Meyer | ISBN 9783898206785

Nukleäre Akkumulation und Zielgen-Erkennung von STAT1-Transkriptionsfaktoren

von Thomas Meyer
Buchcover Nukleäre Akkumulation und Zielgen-Erkennung von STAT1-Transkriptionsfaktoren | Thomas Meyer | EAN 9783898206785 | ISBN 3-89820-678-5 | ISBN 978-3-89820-678-5

Nukleäre Akkumulation und Zielgen-Erkennung von STAT1-Transkriptionsfaktoren

von Thomas Meyer
Multizelluläre Organismen haben im Laufe der Evolution ein komplexes und kooperatives Kommunikationssytem zwischen einzelnen Zellen und Organen entwickelt, das es ihnen erlaubt, verschiedene Signalwege und Stoffwechselleistungen den Erfordernissen einer sich rasch wandelnden Umwelt anzupassen. Die Spezialisierung von Zellfunktionen erweitert das Repertoire von Metazoen, auf unterschiedliche externe Stimuli koordiniert zu reagieren. Multizellularität ermöglicht höheren Organismen eine vernetzte Regulation von metabo-lischen und proliferativen Prozessen und erfordert eine räumlich-zeitliche Steuerung von Dif-ferenzierungsvorgängen. Extrazelluläre Stimuli entfalten nach Bindung an ihre membranstän-digen Rezeptoren vielfältige Wirkungen als Wachstumsfaktoren, Hormone oder Mediatoren von inflammatorischen und apoptotischen Prozessen. Diese Stimuli modulieren vielfach die Aktivität nachgeschalteter Kinasen, die wiederum über spezifische Transkriptionsfaktoren an der Regulation der Genaktivierung beteiligt sind.
Einer der phylogenetisch ältesten und hochkonservierten Signaltransduktionswege wird über Janus-Kinasen (JAK) und Signal-Transduktoren und Aktivatoren der Transkription (STAT) vermittelt. STAT-Proteine als zentrale Komponenten dieses Signalweges wurden bisher in Dictyostelium, Caenorhabditis, Anopheles, Drosophila und Mammalia nachgewiesen (Meraz et al., 1996; Darnell, 1997; Ginger et al., 2000; Horvath, 2000; Ginger et al., 2000; Kisseleva et al., 2002; Levy und Darnell, 2002). Der JAK-STAT-Signalweg wird von einer Vielzahl von Cytokinen, Wachstumsfaktoren und Hormonen stimuliert und gewährleistet die Weiterleitung der an membranständigen Rezeptoren eintreffenden Signale bis in den Nukleus (Darnell, 1997; Williams, 1999; Levy und Darnell, 2002). Die JAK-Familie von Rezeptor-assoziierten Kinasen besteht bei Säugetieren nach heutigem Wissen aus den vier Mitgliedern JAK1, JAK2, JAK3 und Tyk2, die über eine carboxyterminale Kinase-Domäne und eine benachbarte funktionell inaktive homologe Domäne verfügen (Boehm et al., 1997; Levy und Darnell, 2002). Nach Rezeptor-Bindung des extrazellulären Liganden phosphorylieren JAK die in der Signalkette nachgeschalteten STAT-Proteine an einem singulären Tyrosin-Rest im carboxy-terminalen Molekülbereich (Shuai et al., 1992; Shuai et al., 1993; Schindler et al., 1992; Darnell et al., 1994; Heim et al., 1995; Schindler et al., 1995; Leung et al., 1996; Shuai et al., 1996; Boehm et al., 1997; Strehlow und Schindler, 1998; Imada und Leonard, 2000).
Ähnlich wie Smads, NF-B und Notch üben STAT-Moleküle eine duale Funktion als Sig-naltransduktoren und Transkriptionsfaktoren aus (Darnell, 1997; Horvath, 2000; Brivanlou und Darnell, 2002). Nach gegenwärtigem Kenntnisstand existieren in Säugetieren mindestens sieben STAT-Proteine (STAT1 bis -6, einschließlich -5a und -5b), die aus 700 bis 800 Aminosäuren (AS) bestehen und durch eine SH2-Domäne und eine carboxyterminale Trans-aktivierungsdomäne charakterisiert sind (Darnell, 1997; Horvath, 2000; Levy und Darnell, 2002). Funktionell bestehen STAT-Proteine aus einer proteolytisch abspaltbaren, konser-vierten aminoterminalen Domäne, einem Core-Bereich und einer für Transaktivierung essen-tiellen carboxyterminalen Domäne. Die ersten ~100 AS sind für kooperative DNA-Bindung zwischen verschiedenen STAT-Dimeren notwendig (Vinkemeier et al., 1996; Vinkemeier et al., 1998). Aus den verfügbaren Röntgenstrukturdaten von DNA-gebundenen STAT1- und STAT3-Dimeren ergibt sich ein modularer Aufbau des Core-Bereiches mit einem Vier-Helix-Bündel (AS ~130-320), einer DNA-Bindedomäne bestehend aus -Faltblattstrukturen und Schleifen sowie einer Linker-Domäne (AS 490-575) aus mehreren -Helices gefolgt von ei-ner klassischen SH2-Domäne (Becker et al., 1998; Chen et al., 1998). Die carboxyterminalen 38 AS von STAT1 bzw. ca. 75 AS von STAT3 enthalten die Transaktivierungsdomäne mit einem kritischen Serin-Rest in Position 727; diese fehlt bei der natürlichen Spleißvariante STAT1 (Wen et al., 1995; Zhang et al., 1995; Zhang et al., 1998; Kovarik et al., 2001).
Zu den Liganden, die an JAK-assoziierte Rezeptoren binden, gehören u. a. Interferone, Inter-leukine, Erythropoetin, Somatotropin, Prolaktin und Thrombopoetin. Daneben können STAT-Proteine aber auch direkt durch einige Rezeptoren mit intrinsischer Tyrosin-Kinaseaktivität phosphoryliert werden, so z. B. durch den Rezeptor für den epidermalen Wachstumsfaktor (EGF), den Plättchen-Wachstumsfaktor (PDGF) und den Kolonie-stimulierenden Faktor 1 (CSF-1), sowie ferner durch verschiedene G-Protein-gekoppelte Transmembran-Rezeptoren, wie den Angiotensin-II-, Serotonin-5HTA2A-, CD40- und T-Zell-Rezeptorkomplex (Darnell, 1997; Levy und Darnell, 2002). Außerdem können STAT-Proteine auch direkt als Substrate für einige Non-Rezeptor-Kinasen, wie Scr oder Abl, fungieren.
Die Bindung spezifischer Liganden an die extrazelluläre, aminoterminale Region von Cyto-kin-Rezeptoren führt zu einer JAK-katalysierten Tyrosin-Phosphorylierung des Rezeptors oder im Fall von Rezeptoren mit intrinsischer Tyrosin-Kinaseaktivität zu einer Autophos-phorylierung von carboxyterminal lokalisierten Tyrosin-Resten (Shuai et al., 1992; Schindler et al., 1992; Darnell et al., 1994; Heim et al., 1995; Leung et al., 1996; Boehm et al., 1997; Imada und Leonard, 2000). Durch die Liganden-vermittelte Dimerisierung der Rezeptor-Moleküle wird eine Kaskade von Tyrosin-Phosphorylierungen angestoßen, die zur Rekru-tierung von STAT-Molekülen am Rezeptor und zu deren nachfolgender Phosphorylierung führt. Mit der Bildung phosphorylierter STAT-Moleküle wird über reziproke SH2-Phospho-tyrosin-Interaktionen eine Homo- oder Heterodimerisierung von STAT-Monomeren einge-leitet (Greenlund et al., 1995; Heim et al., 1995). Nach Stimulation mit Interferon kommt es zur Bildung von STAT1-Homodimeren, während Interferon   die Entstehung von trimeren Komplexen bestehend aus STAT1-STAT2-Heterodimeren mit assoziiertem p48/IRF-9 be-wirkt (Schindler et al., 1992). Bei der Dimerisierung reagiert das Phosphotyrosin des einen Monomers mit einem Arginin-Rest in der SH2-Tasche des anderen Interaktionspartners unter Bildung eines funktionell aktiven STAT-Komplexes (Shuai et al., 1994; Chen et al., 1998; Becker et al., 1998).
Nach allgemein akzeptierter Ansicht stellt die im Cytoplasma stattfindende Dimerisierung der STAT-Proteine das Signal für deren nukleäre Translokation dar. STAT-Dimere gelangen als funktionell aktive Transkriptionsfaktoren in den Kern, um nach Bindung an spezifischen STAT-Bindestellen in den Enhancer- oder Promotorregionen von STAT-Zielgenen deren In-duktion zu initiieren (Shuai et al., 1992; Darnell et al., 1994). STAT1-Dimere binden spezi-fisch an palindrome DNA-Sequenzen, sogenannte GAS-Stellen (Gamma-activated sites), und können überdies an repetitiven STAT-Zielsequenzen mit benachbarten Dimeren über aminoterminale Interaktionen oligomerisieren (Seidel et al., 1995; Horvath et al., 1995; Vin-kemeier et al., 1996; Xu et al., 1996; Decker et al., 1997; John et al., 1999). Bis zu ihrer Dephosphorylierung bleiben STAT-Moleküle als Transkriptionsfaktoren im nukleären Kom-partiment aktiv an der Regulation der Genantwort beteiligt. Gemäß dem gängigen Modell der STAT-Aktivierung wird die Dauer der Kernlokalisation im wesentlichen durch die Aktivität einer nukleären Tyrosin-Phosphatase terminiert (David et al., 1993; Haspel et al., 1996; Haspel und Darnell, 1999). Erst kürzlich wurde für die nukleäre Isoform der T-Zell-Protein-Tyrosin-Phosphatase (TC45) eine Tyrosin- und für die dual-spezifische Phosphatase SHP-2 eine Serin- und Tyrosin-dephosphorylierende Aktivität von STAT1 beschrieben (ten Hoeve et al., 2002; Wu et al., 2002). Aufbauend auf diesen Ergebnissen formulierten David und Mit-arbeiter ein Modell für die STAT1-Dephosphorylierung, welches die Methylierung von Argi-nin 31 mit einer herabgesetzten Bindung des STAT1-Aminoterminus an den Proteininhibitor für aktiviertes STAT1 (PIAS) und zugleich einer verbesserten Bindung an TC45 assoziiert (Zhu et al., 2002). In einer weiteren Arbeit wurde eine Degradation von aktivierten STAT1-Molekülen durch den Ubiquitin-Proteasomen-Weg angenommen (Kim und Maniatis, 1996).
Erste Hinweise auf eine Phosphorylierungs-unabhängige nukleäre Präsenz von STAT-Pro-teinen wurden von den Arbeitsgruppen von Waxman und Stark für STAT1 bzw. STAT3 er-bracht (Ram et al., 1996; Chatterjee-Kishore et al., 2000). Neben den besser untersuchten Cytokin-induzierten Funktionen scheinen Transkriptionsfaktoren der STAT-Familie auch un-abhängig von extrazellulären Stimuli Einfluß auf die Expression konstitutiver Gene zu neh-men (Kumar et al., 1997; Chatterjee-Kishore et al., 2000; Ramana et al., 2000a; Ramana et al., 2000b). Kumar und Mitarbeiter (1997) konnten für die Aktivierung Apoptose-exekutierender Gene durch STAT1 zeigen, daß eine Phosphorylierung von Serin 727, nicht aber von Tyrosin 701, für eine effektive Transkriptionsinitiation benötigt wird.
Obgleich der Interferon--induzierte nukleäre Import von STAT1 die GTPase-Aktivität von Ran/TC4 benötigt, konnte ein klassisches Kernlokalisationssignal für STAT-Proteine bisher noch nicht identifiziert werden (Sekimoto et al., 1996). Während die Kernmembran als eine unüberwindbare Barriere für unaktivierte STAT-Monomere betrachtet wird (Köster und Hauser, 1999; Lillemeier et al., 2001), wurde für die Translokation von aktiviertem STAT1 durch die Poren der nukleären Lamina eine Interaktion mit dem Importin   NPI-1 nachge-wiesen (Sekimoto et al., 1997).
Unserer Arbeitsgruppe gelang die Identifizierung eines Leuzin-reichen Exportsignals im Vier-Helix-Bündel von STAT1, das für die nukleocytoplasmatische Translokation von STAT1-Molekülen verantwortlich ist (Begitt et al., 2000). Mutation von zwei Leuzinen in AS-Position 308 und 312 führte zum Verlust des nukleären Exports in einem isolierten Fragment mit der AS-Sequenz 302-314 und zu einer Verlängerung der Akkumulationsphase im Kontext des Volle-Länge-Moleküls. Eine weitere Arbeit postulierte einen durch JAK regulierten Kern-export von STAT1, bei dem ein Leuzin-reiches Exportsignal der AS-Sequenz von 197-205 involviert sein soll (Mowen und David, 2000). In STAT1-WT-exprimierenden JAK-Null-Zellen führte eine Kostimulation mit Vanadat/H2O2 und Interferon   zu einer cytoplasma-tischen STAT-Verteilung, während eine Mutation von Leuzin 199 zu Alanin mit einer präfe-rentiell nukleären Lokalisation verbunden war (Mowen und David, 2000).
McBride und Mitarbeiter beschrieben, daß dephosphorylierte STAT1-Moleküle als Substrate des Export-Rezeptors Chromosome-Region-Maintenance 1 (CRM-1) aktiv aus dem Kern-kompartiment transloziert werden (McBride et al., 2000). Die Autoren nahmen an, daß durch Bindung an DNA ein Exportsignal in der DNA-Bindedomäne von STAT1 maskiert wird und daß nach der Freisetzung von DNA durch eine nukleäre Phosphatase dieses Signal wieder ex-poniert wird (McBride et al., 2000). Herrington und Mitarbeiter konnten für STAT5b zeigen, daß eine funktionell erhaltene DNA-Bindedomäne für die durch Wachstumshormon indu-zierte Kernakkumulation erforderlich ist (Herrington et al., 1999). Die Bedeutung einer intak-ten SH2-Domäne im STAT1-Molekül für dessen induzierbare nukleäre Akkumulation wurde erstmalig von Mowen und David erkannt (1998). Für den cytoplasmatischen Transport von STAT3 wurde eine Rezeptor-vermittelte Endocytose angenommen, bei der phosphorylierte STAT3-Dimere in Endosomen von der Zellmembran bis in die perinukleäre Region trans-loziert werden (Bild et al., 2002). Erst kürzlich beschrieben Bhattacharya und Schindler drei verschiedene nukleäre Exportsignale im STAT3-Molekül, von denen zwei (AS 306-318 und AS 404-414) bereits bei STAT1 beschrieben und ein weiteres Signal (AS 524-535) neu identi-fiziert wurde. In einer Arbeit über den Interleukin-4-vermittelten Signalweg wurde berichtet, daß bei kontinuierlicher Präsenz dieses Cytokins STAT6-Moleküle repetitiven Zyklen einer Aktivierung und nachfolgenden Deaktivierung unterliegen, die von einem nukleären Export und einer im Cytoplasma stattfindenden Reaktivierung begleitet sind (Andrews et al., 2002).
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem molekularen Mechanismus der nukleocyto-plasmatischen Translokation von STAT1-Proteinen und der Bedeutung der nukleären Reten-tion für die Zielgenfindung. Die Ergebnisse dieser Studie belegen, daß das etablierte statische Modell der STAT-Aktivierung in weiten Teilen einer Revision bedarf. Im folgenden wird ge-zeigt werden, daß STAT1 einem konstitutiven Shuttling zwischen Cytoplasma und Kern im unstimulierten Zustand unterliegt und daß sich der Transport des unphosphorylierten Mole-küls fundamental von dem der aktivierten Molekülspezies unterscheidet. Für den disparaten Transport des STAT1-Dimers konnte erstmalig ein heterologes Importsignal in der DNA-Bin-dedomäne identifiziert werden. Durch die genaue Charakterisierung von akkumulations-defekten STAT1-Mutanten konnte der Mechanismus der Cytokin-induzierten Kernakkumu-lation als Bindung an DNA entschlüsselt werden. Damit wurde erstmalig zuverlässig zwi-schen nukleärem Import und nukleärer Retention als zwei verschiedenen molekularen Schrit-ten bei der Kernakkumulation unterschieden. Die vorgestellten Daten demonstrieren, daß die Dauer der Tyrosin-Phosphorylierung in der Cytokin-induzierten Signalantwort die nukleäre Akkumulationsphase von STAT1 determiniert. Die Kinetik der Dephosphorylierung und damit die nukleäre Präsenzdauer wird entscheidend durch die Dissoziationsrate von DNA be-stimmt. Es wird gezeigt werden, daß durch Sequenz-spezifische Bindung an DNA Tyrosin-phosphorylierte STAT1-Moleküle vor der enzymatischen Inaktivierung durch Tyrosin-Phos-phatasen geschützt sind. Dieser einfache Mechanismus resultiert in einer verlängerten Lebens-dauer der an GAS-Stellen gebundenen, aktiven STAT1-Dimere. Demnach würde mit der direkten Kopplung der DNA-Bindung an den Erhalt der transkriptionell aktiven STAT1-Spezies eine optimale Erkennung von STAT1-Zielsequenzen erreicht, die sich in einer loka-len Konzentrationserhöhung der an GAS-Stellen gebundenen STAT1-Dimere äußern sollte. Dieses läßt den Prozeß der nukleären Akkumulation als einen hocheffektiven Mechanismus für die selektive Promotor-Findung von STAT1-Dimeren verstehen.