Mittelalterliche Zisterzienserinnenklöster im südwestlichen Ostseeraum | Materielles Gut zwischen Alltag und Spiritualität | ISBN 9783910011984

Mittelalterliche Zisterzienserinnenklöster im südwestlichen Ostseeraum

Materielles Gut zwischen Alltag und Spiritualität

herausgegeben von Felix Biermann, Katrin Frey und Gudrun Gleba
Mitwirkende
Herausgegeben vonFelix Biermann
Herausgegeben vonKatrin Frey
Herausgegeben vonGudrun Gleba
Buchcover Mittelalterliche Zisterzienserinnenklöster im südwestlichen Ostseeraum  | EAN 9783910011984 | ISBN 3-910011-98-5 | ISBN 978-3-910011-98-4

Aus Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens, Heft 133, 2022, S. 620–622
Der Band ist eine Sammlung von 18 Vorträgen, die 2019 anl ässlich einer Tagung im Dominikanerkloster Prenzlau gehalten wurden. Prenzlau bewahrt eine Sammlung von Kulturgut aus der ehemaligen Frauenzisterze Seehausen. Das in der Uckermark gelegene Zisterzienserinnenkloster (auch als Marienwerder bekannt) bestand vom 13. bis ins 16. Jahrhundert und wird seit 1984 tiefergehend erforscht. Die Forschungslage um Marienwerder ist ein Beispiel dafür, wieviel wertvolle Information nachträglich aus dem Abfall eines Klosters gewonnen werden kann. Kulturhistorische Auswertungen von Alltagsobjekten erschließen in manchen Fällen Einsichten, die aus Briefen, Verwaltungsschriftgut und bildlichen Quellen nicht hervorgehen. Die Herausgeber erklären im Vorwort die Absicht des Bandes, „die aktuelle Forschung zu Zisterzienserinnenklöstern und materieller Kultur im Südwesten der Ostsee zusammenzuführen"“ (11). Die Fachgebiete Archäologie, Geschichtsforschung, Kunstgeschichte, Architektur und Denkmalpflege sind durch kompetente und international anerkannte Forscher vertreten. Sechs von den Aufsätzen sind dem Kloster Seehausen gewidmet, drei der Architektur von Frauenklöstern generell und sechs dem Themenkomplex Frömmigkeitsgeschichte. Drei gehören zur Kategorie, die mit „Grundherrinnen“ überschrieben ist und sich mit Landesausbau, Verwaltung und Politik beschäftigt. Das Ergiebige am Seehausener Ansatz ist sicher nicht das Bild eines Klosterbaus, denn erstens ist es nicht mehr sichtbar und zweitens war es in keiner konventionellen Hinsicht „bedeutsam“. Aber die Informationserschließung durch „Zeugs“ (so die Wortwahl von Herausgeberin Gleba auf 25) hat tat­ sächlich Neuigkeitscharakter. Verzeichnet sind Gegenstände von Obstkernen bis Buchschließen und Spielzeug (1500 Murmeln, Würfel und zahlreiche Tonfiguren wurden gefunden). Darauf folgt eine stolze Behauptung über das Kloster Marienwerder: „Nirgendwo sonst ist der zweite klösterliche Alltag so umfassend und buchstäblich greifbar wie in den tausenden von Fundobjekten, die aus dem Kontext des Zisterzienserinnenklosters stammen“ (27). Der Griffel in der Form eines Hundes, zum Beispiel, erlaubt eine Verbindung zu einem sehr ähnlichem Objekt, das im Frauenkloster Wienhausen er­halten ist (128). Pilgerzeichen belegen eine spirituelle Topographie und Vernetzung (91). Rosenkranzperlen aus Knochen, Glasperlen und sogar Bergkristall sind erhalten (91). Auch die Fingerringe, die die Schwestern bei der Profess angesteckt bekamen, sind aufschlussreich. In diesem Fall ist zwar die Kunstfertigkeit nicht besonders hoch, aber ein starker Christusbezug ist auf jedem der abgebildeten Ringe zu erkennen, sei es durch Christusmonogramm oder durch Kreuzdarstellung (123). Die Aufteilung der Referate bei der Seehausener Tagung war eindeutig um Abwechslung bemüht; diese löbliche Absicht fordert freilich auch Kompromisse: Manche Aufsätze (etwa die über die rezenten Ausgrabungen) sind sehr detailorientiert und nur für Spezialisten genießbar. Andere, dahingegen, sind thematisch so breit aufgestellt, dass sie für ein fokussiertes Fachpublikum wenig Relevanz haben. Es wird sich kaum eine Leserin finden lassen, die mit Interesse sowohl Biermann und Schifers Aufsatz über Neutronenaktivierungsanalyse und archäologisch- typologische Herkunftsbestimmung der Keramikfunde als auch Löfflers Aufsatz über liturgische Handschriftenfragmente aus dem Nonnenchor des Klarissenkonvents Ribnitz in Mecklenburg lesen werden. Das Buch zeichnet sich durch Einsichten der Alltagsgeschichte aus, und es leistet der Forschung den guten Dienst, ein so gut wie „verschwundenes“ Frauenkloster ins farbenfrohe Leben zurückzurufen. Der Tagungsband ist mit einer dreistelligen Zahl von Farbabbildungen ausgestattet. Er enthält ein Personen- (286-287) und Ortsregister (288-291). Den einzelnen Aufsätzen folgen gründlichste Literatur- und Quellenverzeichnisse. Alkuin Schachenmayr, St. Peter/Salzburg

Aus: Cistersienser Chronik, Heft 3, 2022, S. 701–703

Nach dem ersten Durchblättern des Bandes erinnerte sich der Rezensent an den Besuch einer - freilich lange Zeit zurückliegenden - Ausstellung im Regionalmuseum Xanten im Jahre 1976: „Archäologie eines Bauernhofes“. Dort waren zahlreiche Fundstücke aus der Abfallgrube eines bei Wesel gelegenen Hofes zu sehen, vor allem die Bruchstücke von Keramikgefäßen. Ziel der Ausstellung war es, deren Bedeutung für die bäuerliche Sozialgeschichte und die Handelsbeziehungen im 18. Jahrhundert herauszustellen.
Das im 13. Jahrhundert gegründete uckermärkische Zisterzienserinnenkloster Seehausen entstammt einer viel früheren Zeit als der am Niederrhein gelegene Bauernhof. Oberirdisch ist von dem in der Reformationszeit verschwundenen Kloster nichts mehr zu sehen. Dennoch lassen sich Erkenntnisse sowohl zur architektonischen Gestalt als auch zur Alltagsgeschichte des Klosters aus den Ergebnissen einer 1984 durchgeführten archäologischen Grabung gewinnen. Neben den geringen bauplastischen Bruchstücken ist es vor allem das Fundmaterial aus einer in den angrenzenden See hinein gelegten Abfallgrube. Es handelt sich dabei möglicherweise um die Latrine des Klosters. Wie bei dem niederrheinischen Bauernhof lassen sich auch hier aus den achtlos entsorgten Gegenständen wertvolle Erkenntnisse für die Alltagsgeschichte des Klosters gewinnen. Die Heranziehung der materiellen Kultur für die Forschung ist charakteristisch für das in den siebziger und achtziger Jahren erwachende Interesse an der in den schriftlichen Quellen oftmals nur unzureichend vermittelten Alltagsgeschichte.
Im Kloster Seehausen gab es, worauf schon in der Einleitung des Buches hingewiesen wird, zwei Grabungsperioden. Die eine war von 1984-1991, die andere 2011/12. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse bildeten die Grundlage für ein zwischen 2018-2021 gefördertes Forschungsprojekt, das vom Dominikanerkloster Prenzlau - Kulturzentrum und Museum (K. Fey), dem Institut für Geschichte der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (G. Gleba) und dem Brandenburgischen Amt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum in Zossen-Wünsdorf (F. Biermann) getragen wurde. Um was es ging, wird aus dem Arbeitstitel deutlich: „Die Sprache der Objekte - Materielle Kultur und Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen“. Bei den für Mediävistik, Kunstgeschichte und Archäologie verantwortlichen beiden Wissenschaftlerinnen und dem Wissenschaftler handelt es sich um die Herausgeber des Buches. Dass man sich für das untergegangene Kloster Seehausen als Forschungsschwerpunkt entschieden hat, macht deutlich, dass in ihm, anders als in einem baulich erhaltenen und urkundlich besser überlieferten Frau­ enkloster allein schon wegen der besonderen archäologischen Voraussetzungen eher die Chance gegeben ist, das alltägliche Leben der Nonnen zu erforschen.
Die am Kloster Seehausen gewonnen Erkenntnisse bildeten die Grundlage für ein vom 25.-28. September 2019 im Dominikanerkloster Prenzlau durchgeführtes interdisziplinäres Kolloquium. Es ist zu begrüßen, dass mit der Veröffentlichung der 18 Vorträge der Veranstaltung im vorliegenden Buch nicht nur den insgesamt 70 anwesenden Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern, sondern der Allgemeinheit der Tagungsverlauf zugänglich gemacht wird. Am Beginn des Buches steht eine bereits in den Tagungsverlauf einführende Einleitung der beiden Herausgeberinnen und des Herausgebers. In vier Sektionen folgen übersichtlich gegliedert die einzelnen Vorträge. Den Anfang bildet, wie nicht anders zu erwarten, mit insgesamt sechs Vorträgen das Kloster Seehausen („Seehausen- ein Frauenkloster im Fokus“). Insbesondere die Herausgeberinnen und der Herausgeber befassen sich hier mit der territorialgeschichtlichen Einordnung des Klosters, den architektonischen Beziehungen zur regionalen Kunstlandschaft und der Archäologie. Hier nehmen die Funde der Abfallgrube eine besondere Stellung ein.
Der engere, auf Seehausen bezogene Bezugsrahmen wird im zweiten Abschnitt erweitert: „Gebaute Frömmigkeit - Architektur der Frauenklöster“. Es geht um die Spezifika der mittelalterlichen Frauenklöster, wie sie sich im westlichen Ostseeraum darstellen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf den dänischen Frauenklöstern. Im dritten Abschnitt, „Materielle Kultur als Zeugnis von Alltag und Glaubensvorstellungen in Frauenklöstern“, geht es, anknüpfend an das Kloster Seehausen, um die „materielle Kultur“, also um die gegenständlichen Funde. Neben methodischen Fragen sind es vor allem bei Bauarbeiten gemachte Funde, wofür das Zisterzienserinnenkloster Wienhausen wohl das bekannteste ist. Zur materiellen Kultur gehört auch die Textilkunst, die in den Frauenklöstern besonders gepflegt wurde. Die spirituelle Seite der materiellen Kultur findet sich in Handschriftenfragmenten wie einem Fund im Nonnenchor des Klarissenkonvents im mecklenburgischen Ribnitz. Ebenso wird ein Brevier erörtert, das sich am Tagungsort, dem Kulturhistorischen Museum im Dominikanerkloster Prenzlau, befindet. Da es in mittelalterlichen Klöstern immer wieder zu Feuersbrünsten kam, stellen die nach Brandkatastrophen entsorgten und verformten Metallobjekte eine wertvolle Quelle für die Alltagskulturforschung dar.
Im letzten Abschnitt „Grundherrinnen – Frauenklöster im Landesausbau, Verwaltung und Politik“ geht es um die weltlichen Verflechtungen der Frauenklöster in der Grundherrschaft und Territorialpolitik. Gleichsam dem tatsächlichen Ablauf des Kolloquiums folgend, schließt sich dem Aufsatzteil ein Rückblick an, bei dem noch einmal der Ausgangspunkt, die Seehausener Funde materieller Kultur in der Abfallgrube, besonders an­ gesprochen wird: „Zisterzienserinnen, Klöster und materielles Gut: Resümee der Tagung und Perspektiven“. Dankenswerterweise finden sich neben den Verzeichnissen der Auto­ rinnen und Autoren, dem Abbildungsnachweis und dem Personenregister noch „English Abstracts“, die den Inhalt des Aufsatzbandes in kurzer Form einer internationalen Leserschaft zugänglich machen. Auf die Besprechung der einzelnen Beiträge wurde hier des großen Umfangs wegen verzichtet. Es soll vielmehr darum gehen, Anregungen zur Lektüre des Buches zu geben. Es ist so angelegt, dass abgesehen von den mündlichen Diskussi­onen die Tagung durch die Lektüre gleichsam nacherlebt werden kann. Dazu trägt nicht nur der Wortlaut der einzelnen Vorträge bei, sondern auch die zahlreichen unmittelbar auf den Text bezogenen farbigen Abbildungen, Tabellen und Wiedergaben von Quellen. Es handelt sich bei dem Buch nicht um die Chronik eines Zisterzienserinnenklosters. Auch nicht um eine auf die Spiritualität eines einzelnen Klosters abzielende Untersuchung. Hier steht der sich weniger in Quellentexten als in der materiellen Kultur manifestierende klösterliche Alltag im Zentrum. Es lohnt sich, Kirchengeschichte auch einmal aus dieser Sicht zu betrachten. Vielleicht regt das Buch ja dazu an, die im Umfeld des untergegangenen Klosters gelegenen historischen Stätten einmal aufzusuchen.
Arnd Friedrich

Mittelalterliche Zisterzienserinnenklöster im südwestlichen Ostseeraum

Materielles Gut zwischen Alltag und Spiritualität

herausgegeben von Felix Biermann, Katrin Frey und Gudrun Gleba
Mitwirkende
Herausgegeben vonFelix Biermann
Herausgegeben vonKatrin Frey
Herausgegeben vonGudrun Gleba
Der Band legt die Beiträge einer Fachtagung von 2019 im Dominikanerkloster Prenzlau vor, in deren Fokus die Sachkultur mittelalterlicher Zisterzienserinnenklöster im Südwesten der Ostsee stand. Archäologische, kunstgeschichtliche und historische Aufsätze entwerfen ein facettenreiches Bild weiblichen klösterlichen Lebens im Mittelalter.
Der im Dominikanerkloster Prenzlau bewahrte reiche Fundus von Dingen aus der untergegangenen Frauenzisterze Seehausen wird derzeit wissenschaftlich erschlossen. Dies war Anlass zur Präsentation und Diskussion aktueller wissenschaftlicher Perspektiven auf die materielle Kultur mittelalterlicher Frauenkonvente. Ausgehend von den materiellen Relikten – vom profanen Alltagsgegenstand bis zur prachtvollen Architektur – werden die unterschiedlichen Ebenen behandelt, auf denen weibliche Ordensgemeinschaften des Mittelalters agierten: die Organisation des Alltags mit seinen liturgischen, profanen und sozialen Anforderungen, die sozialen Netzwerke, die klösterliche Ökonomie, der Ausdruck kollektiver, individueller und sozialer Identität sowie die Verwirklichung religiöser Überzeugungen. Dieses Themenspektrum beleuchtet der reich bebilderte Tagungsband in interdisziplinärer Vielfalt.