Dornenwege

Der bekannte Moskauer Rechtsanwalt Grigorij B. Kravtschik, Jahrgang 1907, belegt mit diesen autobiographischen Aufzeichnungen nicht nur verschiedene Stationen seines Lebensweges, sondern er dokumentiert zugleich in eindrucksvoller Weise mehrere Jahrzehnte sowjetischer Zeitgeschichte. Ausgehend von den Erinnerungen an die Auswirkungen der Oktober-Revolution in seinem Geburtsort Mariupol (Ukraine) werden die zeithistorisch wichtigsten Phasen sowjetischer Geschichte, des Stalinismus und der 50-er Jahre bis zum 20. Parteitag (1956), am Schicksal eines einzelnen Bürgers beschrieben. Dabei steht das Schicksal des Autors beispielhaft für Millionen Sowjetbürger jener Zeit: den manchmal enthusiastischen 20-er Jahren mit dem Veränderungswillen, dem ungestümen Glauben an und der Hoffnung auf eine neue sozialistische Gesellschaft, folgte für viele das grelle Erwachen in den stalinistischen Lagern, unschuldig gefoltert und gequält von den nahezu allgegenwärtigen geheimen Staatsorganen NKWD und MGB (KGB). Insgesamt 13 Jahre mußte auch er in Verbannung und Gefängnissen Kasachstans verbringen.
Die einfühlsam beschriebenen bürokratischen Hürden, die zu seiner Rehabilitierung zu nehmen waren, zeigen die erschütternd geringe Bereitschaft der Justizorgane, den Verfolgten und Verbannten nach Stalins Tod Gerechtigkeit zu erweisen.