Herausforderung Internationalisierung | Die Hochschulen auf dem Weg zum Europäischen Hochschulraum. Stand und Perspektiven. Dokumentation der 5. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung am 29.-30. April 2010 in Hannover | ISBN 9783930447930

Herausforderung Internationalisierung

Die Hochschulen auf dem Weg zum Europäischen Hochschulraum. Stand und Perspektiven. Dokumentation der 5. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung am 29.-30. April 2010 in Hannover

herausgegeben von Michael Leszczensky und Tanja Barthelmes
Mitwirkende
Herausgegeben vonMichael Leszczensky
Herausgegeben vonTanja Barthelmes
Buchcover Herausforderung Internationalisierung  | EAN 9783930447930 | ISBN 3-930447-93-2 | ISBN 978-3-930447-93-0

Herausforderung Internationalisierung

Die Hochschulen auf dem Weg zum Europäischen Hochschulraum. Stand und Perspektiven. Dokumentation der 5. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung am 29.-30. April 2010 in Hannover

herausgegeben von Michael Leszczensky und Tanja Barthelmes
Mitwirkende
Herausgegeben vonMichael Leszczensky
Herausgegeben vonTanja Barthelmes
Die tief greifenden Veränderungen, die die Hochschulsysteme in der letzten Dekade in Deutschland, Europa und darüber hinaus erfahren haben, sind geprägt durch Initiativen und Entwicklungen, die internationalen Charakter haben. Als politische Initiative auf europäischer Ebene ist vor allem der Bologna-Prozess zu nennen, in dem es um die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums bis 2010 ging und auch weiterhin geht, da der Prozess nicht abgeschlossen ist. In der Lissabon-Agenda mit ihrer Zielperspektive bis 2010 und in der Nachfolge auch in der Agenda Europa 2020 geht es im Rahmen der EU darum, die politischen Weichen für einen erfolgreichen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu stellen, in dem die Bildungspolitik und insbesondere auch die Hochschulpolitik eine prominente Rolle spielen. Diese Initiativen haben einen erheblichen Einfluss auf die Hochschulsysteme in Deutschland und den anderen EU-Mitgliedsstaaten sowie weiteren Staaten des Bologna-Raums. Sie entfalten ihre Wirkung vor allem durch indirekte Steuerung, indem neue Standards und Benchmarks gesetzt werden oder bestimmte bildungspolitische Themen auf die Agenda gehoben werden. Hinzu kommen Entwicklungen, die großenteils außerhalb des Einflusses von Bildungspolitik liegen, die in Form von Veränderungen der Rahmenbedingungen die Bildungssysteme aber weltweit beeinflussen: der demographische Wandel, der internationale Wettbewerb um Lehrende wie Studierende, Drittmittel und Kooperationen sowie die Globalisierung von Waren-, Personen- und Informationsströmen. All diese Entwicklungen haben Auswirkungen auf die nationalen Hochschulsysteme und führen zu verschiedenen Reaktionen bei den beteiligten Akteuren in Politik und Wirtschaft, bei den Hochschulleitungen, bei Lehrenden und Studierenden. Das Thema „Herausforderung Internationalisierung“ lässt sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten:
  • Eine erste Perspektive fokussiert auf den globalen Wettbewerb um hochqualifiziertes Humankapital („ökonomische Perspektive“).
  • In einer zweiten Perspektive sind die Schaffung von Rahmenbedingungen und Strukturen sowie die Formulierung von Leistungserwartungen an die Akteure des Hochschulsystems die relevanten Themenstellungen („politische Perspektive“).
  • Eine dritte Perspektive beleuchtet die Einstellungen, das Handeln und die Beziehungen der Akteure in sozialen Strukturen („soziale Perspektive“).
Aus ökonomischem Blickwinkel geht es primär um Globalisierungstendenzen und den entsprechenden Wettbewerbsdruck, genauer gesagt um den zunehmenden globalen Wettbewerb um hochqualifiziertes Humankapital (brain drain, brain gain). In diesem Kontext stehen auch Fragen der Öffnung nationaler Hochschulmärkte und deren gegenseitige Durchdringung im Fokus des Interesses. Politisch steht die Schaffung von wettbewerbstauglichen und gesellschaftlich erwünschten Rahmenbedingungen auf der Agenda. Es geht dabei um die Formulierung von Leistungserwartungen an das Hochschulsystem und die Schaffung von Strukturen und deren internationale Abstimmung. Es geht aber auch um die Gestaltung von Hochschule als sozialem Raum auch über nationale Grenzen hinweg (vgl. Eurostudent/Eurostat 2009) und um das Setzen von Anreizen zur Förderung von Mobilität. In diesem Sinn ist mit dem Bologna-Prozess eine Europäisierung der Hochschulsysteme eingeleitet worden. In einem politisch gewollten Vereinheitlichungsprozess innerhalb des Bologna-Raums versuchen die 47 beteiligten europäischen Staaten, durch strukturelle Maßnahmen die Austauschbeziehungen zu verbessern. Im Rahmen der Agenda Europa 2020 der EU werden darüber hinaus Benchmarks vereinbart, um sich gegen die durch die Globalisierung eingeleiteten schärferen Wettbewerbsbedingungen besser positionieren zu können. In der dritten Perspektive geht es um Einstellungen und Verhalten der Akteure des Hochschulsystems, der Studierenden sowie der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Dabei spielen durch Internationalisierungstendenzen veränderte Kontexte eine große Rolle. Die Studienstrukturreform mit ihren Auswirkungen auf Studienzeiten, Curricula, Lehr- und Lernmethoden, Studienverhalten (Abbruch, Fach- und Hochschulwechsel) etc. ist seit einigen Jahren ins Zentrum des Interesses der Hochschulforschung gerückt. Vor allem das Mobilitätsverhalten der Studierenden, aber auch das der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ist in jüngster Zeit Gegenstand vieler Untersuchungen (vgl. DAAD/HIS 2010, Isserstedt/Kandulla 2010). Generell geht es in dieser Perspektive um die Auswirkung von Internationalisierung auf der Ebene von Beziehungs- undRollengefügen, auf individueller Ebene und auf Kompetenzentwicklung und Employability. Internationalisierung als Thema im weitesten Sinn beinhaltet alle drei Perspektiven. Internationalisierung im engeren Sinne bezeichnet nach Lanzendorf und Teichler (2003) den Aufbau bzw. Ausbau von internationalen Kooperationsbeziehungen zwischen in ihre nationalen Kontexte eingebetteten Hochschulen, betont also die Freiwilligkeit des Austauschs und des wissenschaftlichen Diskurses, in dem es primär um Erkenntnisgewinn und nicht so sehr um Marktpositionen und machtpolitisches Kalkül geht. In dieser engeren Begriffsbestimmung schließt Internationalisierung die ökonomische und teilweise auch die politische Perspektive weitgehend aus. Für analytische Zwecke erscheint eine Fokussierung und Differenzierung der Begriffe Internationalisierung, Europäisierung und Globalisierung in der Regel angemessen. Die tatsächliche Entwicklung der Hochschulsysteme, ihrer nationalen Rahmenbedingungen und internationalen Vernetzung, setzt sich jedoch über diese Grenzlinien hinweg. Vor allem die Entwicklung der Wissensgesellschaft setzt einen Wettbewerb um personale Ressourcen in Gang, der die freiwilligen Austauschbeziehungen in der Wissenschaft ebenso berührt wie die Agenden der Hochschulpolitik. Immer mehr in den Fokus der hochschulpolitischen Betrachtung gerät das Tempo, in dem die Wissensintensivierung im Produktions- und Dienstleistungsbereich weltweit voranschreitet. Hochqualifizierte Erwerbstätige, die an Hochschulen ausgebildet werden, spielen eine Schlüsselrolle im Innovationswettbewerb, dessen Ausgang die ökonomischen und politischen Zukunftsperspektiven moderner Gesellschaften bestimmt. Der internationale Vergleich entsprechender Entwicklungen wird zum Standardinstrument. So ist es z. B. aus deutscher Sicht nicht unproblematisch, dass die Studienanfänger- und Absolventenquoten von Hochschulen im internationalen Vergleich am unteren Rand liegen (Leszczensky et al. 2011). Die Entwicklung der Wissensgesellschaften hat den Hochschulsektor zu einem ganz entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden lassen, dessen Bedeutung als Produktionsstätte für die zentralen Ressourcen der Zukunft die Politik zunehmend umtreibt. „Higher education institutions are increasingly viewed by policy makers as ‚economic engines‘ and are seen as essential for ensuring knowledge production through research and innovation and the education and continuous up-skilling of the workforce” (Sursock/Smidt 2010: 14). Der ökonomische Globalisierungsdruck entwertet aber nicht die politischen, kulturellen und sozialen Aspekte von Internationalisierung im Hochschulbereich. Die durch Austauschbeziehungen von Studierenden, Lehrenden und Forschenden bewirkte gegenseitige kulturelle Durchdringung hat einen ganz eigenen Wert auch unabhängig vom wirtschaftlichen Kalkül. Haben Picht (1964) und Dahrendorf (1965) den Bildungsstand der Bevölkerung in Deutschland in den 1960er Jahren aus ganz unterschiedlichen Perspektiven – ökonomische Notwendigkeit und Chancengerechtigkeit – als zu gering für die anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen diagnostiziert, so waren doch beide letztlich Motor der nachfolgenden dynamischen Bildungsmobilisierung, die in gleicher Weise zu mehr hochqualifiziertem Arbeitskräfteangebot als auch zu mehr sozialer und politischer Teilhabe führte. Übertragen auf den Bereich der Internationalisierung des Hochschulsektors heißt dies, dass sowohl ökonomische als auch politische, soziale und Prozesse kultureller Entdifferenzierung die Entwicklung vorantreiben, je nach Gewicht mit etwas unterschiedlichen Folgen für den sozialen Raum Hochschule. Beim globalen Wettbewerb um die besten Köpfe sind die staatliche und die institutionelle Perspektive zu unterscheiden. Die staatliche Herausforderung besteht darin, für die nationalen Hochschulen die besten Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Die institutionelle Perspektive wird eher von der Fragestellung bestimmt, wie eine Hochschule die besten ausländischen Studierenden und Wissenschaftler/innen attrahieren kann, wie sie entsprechend ihr Hochschulmarketing gestaltet und wie sie im Rahmen des weiteren Ausbaus von international erfolgversprechenden Kooperationsbeziehungen in der Forschung erfolgreich agieren kann. Auf der einen Seite erleben wir einen mit der Internationalisierung im weitesten Sinn einhergehenden Prozess der Entdifferenzierung, z. B. von Studienstrukturen, Hochschulabschlüssen etc. Auf der anderen Seite steht dem auf nationalstaatlicher Ebene ein Prozess der horizontalen und vertikalen Differenzierung entgegen. Mit der Auffassung, die deutschen Universitäten seien in etwa von gleicher Qualität, hat spätestens der Exzellenzwettbewerb aufgeräumt. Die Hochschulen müssen sich zunehmend einem globalen Wettbewerb stellen, müssen ihr Profil schärfen und ihre Benchmarks im internationalen Konzert der besten Einrichtungen suchen. Aus Sicht der Hochschulforschung besteht zunehmender Bedarf an mehr synthetischer Betrachtung, in der die ökonomischen, politischen und sozialen Implikationen von Internationalisierung im Hochschulbereich zusammengeführt werden. Das betrifft Ursachenanalysen und Folgenabschätzungen. Dies bedeutet aber auch eine Verstärkung des ohnehin schon sehr interdiziplinär angelegten Forschungsansatzes. Auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung am 29./30. April 2010 in Hannover sind die Veränderungsprozesse in den nationalen Hochschulsystemen und deren zunehmende Vernetzung relativ breit analysiert und diskutiert worden. Es waren Beiträge angefragt, die • sich mit den politischen Initiativen theoretisch auseinandersetzen, welche die internationale Reformdynamik ausgelöst haben und weiter vorantreiben, • die politischen Maßnahmen auf nationaler oder regionaler Ebene in Reaktion auf diese Initiativen beleuchten, • die Reaktionen auf institutioneller Ebene analysieren und • die sozialen Konsequenzen der genannten Veränderungen empirisch untersuchen. Internationalisierung konnte dabei als multidimensionales Phänomen im Hinblick auf einzelne Länder, Regionen oder Institutionen untersucht werden. Es ging um die Einführung, Umsetzung und Konsequenzen der wichtigsten Aspekte des Bologna-Prozesses (dreizyklische Studienstruktur, ECTS, EQF, diploma supplement) und um die Vor- und Nachteile der Internationalisierung für bestimmte soziale Gruppen, Länder und Regionen. Es ging um die Internationalisierung von Lehre und Forschung sowie um die internationale Mobilität von Studierenden und von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Von Interesse war die Konvergenz der Hochschulsysteme auf europäischer und Diversifizierung auf nationaler Ebene. Auch Fragestellungen im Kontext von Governance und Steuerung auf internationaler, nationaler und institutioneller Ebene wurden diskutiert. Nicht zuletzt ging es auch um Methoden und Schwierigkeiten des internationalen Vergleichs und um die Qualität, Verfügbarkeit und Auswertungsmöglichkeiten internationaler Datenquellen. Die hier versammelten Beiträge beleuchten exemplarisch die Bandbreite der auf der Tagung diskutierten Fragestellungen. Einleitend gibt der Beitrag von Barbara Kehm einen Überblick über die Vielschichtigkeit des Themas. Kehm analysiert, was die zunehmende Internationalisierung der Hochschulen in Europa und die Schaffung des Europäischen Hochschul- und Forschungsraums für die Hochschulforschung bedeuten. Ein Überblick über den Stand der Forschung zu Fragen der Internationalisierung im Hochschulbereich zeigt einen klaren Trend zu einer Verstetigung des Themas, der zu einer zunehmenden Vielfalt in den bearbeiteten Fragestellungen führt. Gleichwohl kristallisieren sich nach Ansicht der Autorin sieben thematische Schwerpunkte der Forschung über Internationalisierung im Hochschulbereich heraus: 1) Mobilität, 2) wechselseitige Einflüsse von Hochschulsystemen aufeinander, 3) Substanz des Lehrens, Lernens und Forschens, 4) institutionelle Strategien der Internationalisierung, 5) Wissenstransfer, 6) Kooperation und Wettbewerb sowie 7) nationale und supranationale Politiken. Neben einer größeren thematischen Vielfalt, dem Auftreten neuer Akteure und einer Perspektiverweiterung in geographischer Hinsicht konstatiert Kehm eine Zunahme des methodischen und theoretischen Anspruchs vieler Studien. Dies hat jedoch nicht zur Dominanz einer Disziplin oder eines methodischen Ansatzes geführt; vielmehr vollzieht sich Forschung über Internationalisierung im Hochschulbereich in Anbindung an eine Vielzahl von Disziplinen und Methodologien. Um zukünftig eine systematische Beobachtung und Erfassung des Forschungsstands im Bereich Internationalisierung gewährleisten zu können, schlägt Kehm vor, alle Studien in diesem Feld an einem Ort zu sammeln und zu dokumentieren. Dies würde auch den Zugang zu Forschungsergebnissen erleichtern, die sonst nur schwer auffindbar sind. Mobilität von Studierenden und wissenschaftlichem Personal ist seit geraumer Zeit eines der Hauptthemen der Forschung zu Internationalisierung im Hochschulbereich. Unterschieden wird dabei zumeist zwischen horizontaler und vertikaler Mobilität. Erstere meint Mobilität zwischen weitgehend gleich entwickelten Ländern, letztere wird verstanden als Mobilität aus weniger entwickelten in hochentwickelte Länder. Mobilität lässt sich zum einen aus einer individuellen Perspektive betrachten. Dann spielen Themen wie Organisation und Finanzierung von Auslandsaufenthalten, Anerkennung von im Ausland erbrachten Studienleistungen und Auswirkungen von Auslandsaufenthalten auf die Kompetenzentwicklung und Employability eine Rolle. Aus einem institutionellen Blickwinkel stellen sich zum anderen Fragen wie die nach der Anwerbung und Auswahl ausländischer Studierender oder nach der Bereithaltung von Unterstützungs- und Betreuungsangeboten für diese Studierenden. Von den in diesem Band versammelten Beiträgen befassen sich drei mit Fragen der Mobilität von Studierenden und wissenschaftlichem Personal. Der Aufsatz von Harald Schomburg erörtert methodische Probleme bei der Erfassung temporär mobiler Studierender. Verschiedene Befragungen unterschiedlicher Institutionen ermitteln in Deutschland Werte für die Anteile temporär international mobiler Studierender. Dabei handelt es sich einerseits um Studierenden-, andererseits um Absolventenbefragungen. Schomburg kommt zu dem Schluss, dass Absolventenbefragungen sich zur Bestimmung des Ausmaßes internationaler Mobilität von Studierenden besser eignen als Studierendenbefragungen, da sie retrospektiv eine Bilanzierung aller Auslandsaufenthalte während der gesamten Studienzeit erlauben. Studierendenbefragungen unterschätzten demgegenüber – in Abhängigkeit von der Validität der im Rahmen dieser Befragungen prospektiv geschätzten Anteile noch geplanter Auslandsaufenthalte – möglicherweise das Ausmaß der Mobilität. Aus welchen Ländern junge Menschen zu einem Studienaufenthalt nach Deutschland kommen und welche Variablen einen Einfluss auf die Anteile der Herkunftsländer ausüben, ist Thema des Beitrags von Gerd Grözinger. Auf Basis von Daten der Amtlichen Statistik und unter Anwendung multivariater Analysen zeigt der Autor, dass sich die Anteile der verschiedenen Herkunftsländer durch vier Variablen in einem hohen Maß erklären lassen: die Bevölkerungsgröße im Herkunftsland, die Zahl der in Deutschland lebenden Angehörigen dieser Nation, die Intensität des wirtschaftlichen Austauschs des Herkunftslandes mit Deutschland sowie – negativ – die Distanz zwischen Deutschland und dem Herkunftsland. Zugleich erlaubt es der von Grözinger gewählte Ansatz, Erwartungswerte für die Anzahl der in Deutschland studierenden Bildungsausländer aus einem bestimmten Land zu berechnen. Ein Vergleich zwischen den berechneten Werten mit den realen Werten zeigt, dass aus einigen Ländern, darunter z. B. China, mehr Studierende nach Deutschland kommen als durch das Modell prognostiziert. Umgekehrt fallen für eine Reihe von Ländern die tatsächlichen Anteilswerte teils erheblich hinter den prognostizierten Werten zurück. Dies ist z. B. für die Niederlande, Großbritannien und die USA der Fall. Hier wären weitere Untersuchungen nötig, um die Ursachen für diese Disparitäten aufzudecken. Mit der internationalen Mobilität des wissenschaftlichen Personals und ihren Auswirkungen auf das Individuum befasst sich der Beitrag von Carola Bauschke-Urban. Die internationale Mobilität von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat, so eine These der Autorin, nicht nur quantitativ zugenommen, sondern sich auch in ihrer Qualität verändert. Demnach bilden immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler multiple Formen von Mobilität und grenzüberschreitender Vernetzung aus. Die These von einer Transnationalisierung der Karrierewege in der Wissenschaft wird anhand einer Befragung von Nachwuchswissenschaftlerinnen empirisch überprüft. Die Befunde deuten nach Ansicht der Autorin auf die Herausbildung eines neuen Typus transnational mobiler Wissenschaftlerinnen hin: So entwickelten die Befragten ein ausgeprägtes transnationales und kosmopolitisches Selbstverständnis sowie hoch flexibilisierte Lebensstile, die sie in (virtuellen) transnationalen Netzwerken mit anderen Akteuren teilen. Migration stellt einen ganz anderen Fall von Mobilität dar. Sie ist das Ergebnis vorangegangener, nicht-temporärer eigener Mobilität oder der der Eltern bzw. Großeltern und hat nichts mit der temporären Mobilität während des Studiums zu tun. Die Eingliederung von Migrantinnen und Migranten in das gesellschaftliche System der aufnehmenden Länder ist ein wichtiges politisches Thema und insbesondere Hochschulbildung gilt als sichtbares Zeichen von erfolgreicher Integration. Dorit Griga und Kai Mühleck untersuchen vor diesem Hintergrund migrationsspezifische Unterschiede beim Zugang zu höherer Bildung im Vergleich von sechs europäischen Ländern. Die Analyse wird auf der Basis von Daten aus dem European Social Survey (ESS) durchgeführt. Im Ergebnis zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Ländern. Während sich beispielsweise für die erste Einwanderergeneration in Deutschland Nachteile beim Zugang zu höherer Bildung feststellen lassen, wird für Großbritannien der gegenteilige Zusammenhang ermittelt. Die Analyse zeigt auch, dass die zweite Einwanderergeneration in einigen der untersuchten Länder beim Erwerb höherer Bildung besser abschneidet als die erste Generation. Für Personen mit einem inländischen Elternteil ergeben sich hingegen keine Vorteile gegenüber Personen mit zwei ausländischen Elternteilen. Über alle Länder hinweg bestätigt sich der vermutete positive Zusammenhang zwischen der sozioökonomischen Stellung der Eltern und dem Vorhandensein eines höheren Bildungsabschlusses. Der sozioökonomische Hintergrund des Elternhauses ist – so ein generelles Ergebnis der Untersuchung – in vielen Fällen die zentrale Variable zur Erklärung der beobachteten Vor- und Nachteile von Personen mit Migrationshintergrund beim Erwerb höherer Bildung. Welchen Einfluss hat die Internationalisierung in der Forschung eigentlich auf die Qualität der Lehre, insbesondere unter den Bedingungen der Studienstrukturreform im Bologna-Raum? Diese Fragestellung untersucht Sonja Lück in ihrem Beitrag unter einem spezifischen Blickwinkel: Sind international erfolgreich publizierende Forscherinnen und Forscher auch gute Lehrende? Oder geht der Erfolg in der Forschung auf Kosten der Lehre? Die Ergebnisse der geschätzten Panel- Modelle sind mit Blick auf die vermutete Korrelation von hoher Forschungs- und hoher Lehrkompetenz nicht eindeutig: Während die Bewertung der Lehrqualität im Bachelorstudium signifikant positiv durch den Forschungsoutput in Form von Publikationen beeinflusst wird, ist für die Masterphase ein signifikant negativer Einfluss feststellbar. Weiterführende Analysen legen allerdings den Schluss nahe, dass die schlechteren Lehrbewertungen der forschungsstarken Lehrenden in der Masterphase auf eine Überforderung der Studierenden zurückzuführen sind. Der Beitrag von Sonja Lück steht zugleich exemplarisch für zwei erfolgreiche Foren der Tagung – das Ideenforum des Hochschulforschernachwuchses in der Gesellschaft für Hochschulforschung und das hochschuldidaktische Forum –, die die Perspektive über das jeweilige Tagungsthema hinaus öffnen und Raum für themenübergreifende und hochschuldidaktische Vorträge bieten. Eine beträchtliche Anzahl von Publikationen zur Internationalisierung im Hochschulbereich beschäftigt sich mit institutionellen Internationalisierungsstrategien. In zunehmendem Maße setzten die Hochschulen auf ein strategisches Management ihrer internationalen Aktivitäten. Dazu gehören eine aktive Profilbildung und -schärfung und das Bekanntmachen des hochschuleigenen Profils durch gezielte Marketingaktivitäten ebenso wie die aktive und selektive Rekrutierung ausländischer Studierender und Wissenschaftler/innen, der Export eigener Studienangebote ins Ausland bis hin zur Eröffnung von Zweigstellen in anderen Ländern, die Auswahl von Partnerhochschulen für Kooperations- und Austauschbeziehungen und deren Pflege sowie der Auf- und Ausbau von Netzwerken auf den verschiedenen Ebenen. Mit dem strategischen Handeln von Hochschulen auf dem Feld der Internationalisierung befasst sich der Beitrag von Thomas Schröder und Ilka Sehl. Er stellt die generalisierten Befunde eines Benchmarking-Verfahrens zur Internationalisierung an Hochschulen vor, für das sich sechs Hochschulen aus Österreich und Deutschland unter Moderation des HIS-Unternehmensbereichs Hochschulentwicklung zusammengefunden hatten. Der Beitrag zeigt auf, inwieweit die beteiligten Hochschulen Internationalisierungsstrategien entwickelt haben und einsetzen, wie sie auf externe Erwartungen reagieren und welche Motive ihren Internationalisierungsaktivitäten zugrunde liegen. Die Ergebnisse des Benchmarking-Verfahrens bestätigen eine bereits früher in der Literatur formulierte Erkenntnis: Es gibt nicht die Internationalisierung von Hochschulen, sondern nur die Internationalisierung einer bestimmten Hochschule, die hochschulspezifischen Rahmenbedingungen unterliegt. Daraus folgt unmittelbar, dass es nicht die eine erfolgreiche Internationalisierungsstrategie gibt, sondern dass sich die gewählten Strategien je nach Hochschule unterscheiden. Im Rahmen des Benchmarkings konnte herausgearbeitet werden, dass die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie dann erfolgversprechend ist, wenn a) die Hochschule Kenntnis über ihre eigenen Stärken und Schwächen besitzt, b) sie ihre individuellen internen und externen Rahmenbedingungen berücksichtigt und c) eine institutionell sinnvolle Verankerung und Kommunikation der Strategie sowie die Verknüpfung von operativer und strategischer Ebene erfolgen. Das Benchmarking-Verfahren hat des Weiteren gezeigt, dass Hochschulen auch ohne das Vorhandensein einer expliziten Internationalisierungsstrategie auf dem Gebiet der Internationalisierung erfolgreich sein können. Die explizite Formulierung einer Strategie weist jedoch deutliche Vorteile gegenüber eher unkoordinierten Ad-hoc-Internationalisierungsaktivitäten auf, indem sie Ziele definiert, Ressourcen sinnvoll verteilt und messbare Maßnahmen zur Zielerreichung ableitbar macht. Benchmarking-Zirkel oder Clubs bieten den Hochschulen die Möglichkeit zu einem systematischen Austausch über Herausforderungen, Praxiserfahrungen und Lösungsmöglichkeiten und damit zum Lernen von anderen. Ähnliche Beweggründe haben Forscherinnen und Forscher, wenn sie ihre Untersuchungsgegenstände aus einer international vergleichenden Perspektive betrachten. Indem sie analysieren, wie sich die Situation in einem anderen Land bzw. in anderen Ländern darstellt und welche Lösungen dort für die untersuchte Problemstellung gefunden wurden, können sie Anhaltspunkte für die nationale Debatte liefern und eine Orientierung an internationalen Standards ermöglichen. Dieses Vorgehen wählt Lydia Hartwig in ihrer vergleichenden Untersuchung der Qualitätssicherungssysteme an den schweizerischen und britischen Universitäten. Dabei zeigt sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf und identifiziert darauf aufbauend Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung des deutschen Akkreditierungswesens. Im Falle der Schweiz wird insbesondere den sog. Quality Audits Beachtung geschenkt, mit denen in vierjährigem Abstand die Qualitätssicherungssysteme der Universitäten und Eidgenössischen Technischen Hochschulen einer Überprüfung unterzogen werden. Im Falle Englands konzentriert sich die Autorin auf das 2003 eingeführte Verfahren der Institutional Audits, das – darin dem schweizerischen Verfahren ähnlich – zur Überprüfung der Prozesse eingerichtet wurde, die die Hochschulen zur Sicherung der Qualität in der Lehre und der akademischen Standards etabliert haben. In Deutschland genießen demgegenüber Programmakkreditierungen einen vergleichsweise hohen Stellenwert. Angesichts der Erfahrungen, die in der Schweiz und in England mit externen Qualitätssicherungsverfahren gemacht wurden, empfiehlt Hartwig für die deutsche Diskussion, die Akkreditierung stärker auf eine externe Prüfung hochschuleigener Qualitätssicherungssysteme auszurichten statt wie bislang auf die Einzelfallprüfung von Studiengängen und -fächern zu fokussieren. Die Hochschulen stehen in einem internationalen Wettbewerb um exzellente Wissenschaftler/innen und Studierende, um Drittmittel und Kooperationen. Um erfolgreich auf dem internationalen Bildungsmarkt agieren zu können, bedarf es der Entwicklung eines entsprechenden internationalen Hochschulmarketings. Ulrich Heublein präsentiert in seinem Beitrag die Ergebnisse einer bundesweit repräsentativen Untersuchung unter den deutschen Hochschulen zu ihren internationalen Marketingaktivitäten. Es zeigt sich, dass die Entwicklung eines internationalen Hochschulmarketings an einigen Hochschulen bereits sehr weit fortgeschritten ist, während andere Hochschulen noch am Anfang stehen. Die Untersuchung liefert Antworten auf folgende Fragen: Welche Ziele verfolgen die Hochschulen mit internationalen Marketingaktivitäten? Welche Maßnahmen ergreifen sie, um diese Ziele zu erreichen? Welche Marketinginstrumente kommen zum Einsatz? Viele Hochschulen verfolgen in ihren Internationalisierungsbemühungen beispielsweise das Ziel, die Immatrikulationszahlen ausländischer Studierender zu erhöhen. Um dies zu erreichen, haben sie, wie Heublein zeigt, einen Katalog von Maßnahmen und Instrumenten entwickelt. Besonders aktiv sind hier die Technischen Universitäten und die privaten Hochschulen, die zugleich eine besonders zielgruppenfokussierte Vorgehensweise verfolgen. Unterschiedlich sind die Argumente, mit denen die Hochschulen für sich werben. Besonders beliebt: der Verweis auf kulturelle und atmosphärische Aspekte. Für die Hochschulforschung sieht Heublein künftig die Herausforderung in der analytischen Einbindung des internationalen Hochschulmarketings in einen größeren Steuerungskontext. Neben den Hochschulen und anderen nationalen Akteuren wie den Wissenschaftsministerien sind internationale und supranationale Akteure treibende Kräfte einer fortschreitenden Internationalisierung im Hochschulwesen. Eine wachsende Zahl von Studien analysiert die Politik internationaler und supranationaler Organisationen, die im Hochschulbereich aktiv sind, und ihre Auswirkungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene. Nicht selten kommen sie zu dem Ergebnis, dass trotz fortschreitender Globalisierungstendenzen der Einfluss nationaler Politiken gewahrt bleibt. Bei den untersuchten Zusammenhängen handelt es sich jedoch nicht um solche mit einer einseitigen Wirkrichtung dergestalt, dass die supranationale Ebene Einfluss auf die nationalen und die subnationalen Ebenen nimmt. Vielmehr gehen von letzteren auch umgekehrt Wirkungen auf die Politikgestaltung auf supranationaler Ebene aus, so dass jüngere Studien vermehrt die wechselseitigen Einflüsse in Mehrebenensystemen in den Blick nehmen. Der Beitrag von Ulf Banscherus untersucht am Beispiel der Bildungsbeteiligung im Tertiärbereich für drei Länder (Deutschland, Großbritannien, Finnland), inwiefern institutionelle Pfadabhängigkeiten und nationalstaatliche Traditionen europäische Zielsetzungen im Bologna-Prozess zumindest teilweise überlagern. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass auch zehn Jahre nach Beginn des Bologna-Prozesses nationale Traditionen, Leitideen und Institutionen von erheblicher Bedeutung für die Weiterentwicklung der Bildungssysteme sind: So bestehen trotz einer schrittweisen Konvergenz der Studienstrukturen im Europäischen Hochschulraum deutliche Unterschiede bei der Beteiligung an akademischer Bildung zwischen den drei untersuchten Ländern fort. Die Veränderungen, die in den Bildungssystemen stattgefunden haben, beschränkten sich demnach bislang weitgehend auf die institutionellen Strukturen, während die dahinterstehenden gesellschaftlichen Funktionen stabil geblieben seien, so das Fazit des Autors. Der Beitrag von Aylâ Neusel und Christiane Rittgerott geht am Beispiel der Türkei der Frage nach Interdependenzen zwischen regionaler sozioökonomischer Entwicklung und der Entwicklung der nationalen Hochschulsysteme nach. Er knüpft damit an die Hypothese an, dass in Europa ein zunehmendes regionales sozioökonomisches Gefälle zu beobachten sei, welches zugleich Spuren in den nationalen Hochschulsystemen hinterlasse. In der Folge konzentrierten sich Spitzenhochschulen zunehmend in den Wohlfahrtszentren, während die Hochschulen in strukturarmen Regionen peripherisiert würden. Dies führe, so die Autorinnen, zu einer Neustrukturierung des Europäischen Hochschulraums jenseits der nationalen Bezugsräume. Für die Türkei findet sich der postulierte Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Entwicklung und dem Stand der Hochschulentwicklung nur für einige Regionen bestätigt. Daneben gibt es Regionen mit einer schwachen ökonomischen Entwicklung, in denen die Hochschulentwicklung dennoch weit vorangeschritten ist, und umgekehrt solche, die trotz einer erfolgreichen ökonomischen Entwicklung in der Hochschulentwicklung hinterherhinken. Nach Ansicht der Autorinnen müssen daher noch weitere Faktoren berücksichtigt werden, die Einfluss auf die Hochschulentwicklung nehmen können, zum Beispiel die staatliche Hochschulpolitik. Abschließend möchten wir uns bei allen Referentinnen und Referenten, Moderatorinnen und Moderatoren für ihren Beitrag zum Gelingen der 5. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung bedanken. Insbesondere danken wir den Autorinnen und Autoren dieses Tagungsbandes für ihr Engagement. Ihre Beiträge stehen exemplarisch für die vielen hochwertigen Forschungsberichte, die im Rahmen der Tagung behandelt wurden. Leider konnten nicht alle in diesem Band Platz finden. Einmal mehr hat sich bestätigt, dass Internationalisierung ein wichtiges Thema der Hochschulforschung ist. Allein die hier versammelten Beiträge zeigen, wie viele Fragen noch offen sind, und können so hoffentlich Anregungen für weiterführende Forschungsprojekte geben.