Zuhause nur im Wort. | Eine Anthologie der Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil Deutschsprachiger Länder. Mit einem Vorwort von Wolfgang Schlott. | ISBN 9783937139647

Zuhause nur im Wort.

Eine Anthologie der Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil Deutschsprachiger Länder. Mit einem Vorwort von Wolfgang Schlott.

Vorwort von Wolfgang Schlott, herausgegeben von Exil PEN
Buchcover Zuhause nur im Wort.  | EAN 9783937139647 | ISBN 3-937139-64-8 | ISBN 978-3-937139-64-7
Allgemein

Zuhause nur im Wort.

Eine Anthologie der Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil Deutschsprachiger Länder. Mit einem Vorwort von Wolfgang Schlott.

Vorwort von Wolfgang Schlott, herausgegeben von Exil PEN
Seit der Veröffentlichung der letzten Anthologie der Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil Deutschsprachiger Länder mit dem Titel Feuer, das ewig brennt sind acht Jahre vergangenen: Jahre, in denen zwei Ereignisse unseren Exil-P. E. N. bewegten. Am 1. Dezember 2005 verstarb unser damaliger Präsident, Dr. Rudolf Ströbinger, der über zwanzig Jahre die Geschicke unserer Vereinigung gelenkt hatte. Im Herbst 2006 begingen wir den 50. Jahrestag des Exil-P. E. N.-Clubs, indem wir auf einer Tagung des Ungarn-Aufstands gedachten. In unserer seit 53 Jahren bestehenden Vereinigung, der mehr als hundert Autorinnen und Autoren aus zehn Ländern angehören, spielen die Jahre 1956, 1968, 1981 und 1989 eine wesentliche kulturpolitische Rolle. Während die militärische Niederschlagung der ungarischen Revolution, des Prager Frühlings und der Solidarność in Polen als mahnende Erinnerung an die lange Geschichte kommunistischer Repressionen in unsere Exilgeschichte und unsere Exilgeschichten eingegangen sind, steht das Jahr 1989 als Wegmarke der Befreiung von kommunistischer Zwangsherrschaft. Sowohl die friedlichen Revolutionen in Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei und der DDR als auch der blutige Umsturz in Rumänien hatten die Implosionen der kommunistischen Diktaturen eingeleitet. Für unsere Mitglieder, die aus diesen Ländern, aber auch aus der UdSSR, ihren Nachfolgestaaten und Vietnam emigriert waren, erwies sich die einsetzende schwierige Transformation der von posttotalitären und autoritären Ordnungen geprägten Gesellschaften als eine Verpflichtung und Herausforderung zugleich: Endlich an der Gestaltung freiheitlicher Gesellschaften mitwirken, endlich Menschenrechte durchsetzen, die in vielen anderen Ländern auf unserem Globus immer noch brutal verletzt werden, endlich auch eigene Erfahrungen mit Demokratie ihren Landsleuten in den alten Heimatländern vermitteln! Diese in literarisch vielfältigen Formen zum Ausdruck gebrachten Absichten schlugen sich bereits in den meisten Texten unserer letzten Anthologie nieder. Der Geist der Gründerväter des Exil-P. E. N., der auch in unserer Satzung festgehalten ist, war auf diese Weise, wie unser langjähriger Präsident damals betonte, nicht nur wieder belebt, sondern in den meisten Texten der Anthologie Feuer, das ewig brennt auch aufgegriffen worden. Für mich als Dr. Rudolf Ströbingers Nachfolger war es deshalb eine Verpflichtung, in unserer neuen Anthologie diesen freiheitlichen, unzerstörbaren Gedanken wieder aufzunehmen. Tatsächlich zeichnen sich die neunzig Beiträge aus den Bereichen Lyrik, Prosa und Essay durch einen Reichtum an Themen aus, die europäische und außereuropäische Lebensweisen widerspiegeln. In ihnen sind tradierte Beschreibungen von Erfahrungen im Exil, die Chancengleichheit in der Demokratie, das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit oder die Durchsetzung von Karrieren oft durch neue Lebensmuster abgelöst worden. Sie kommen vor allem in der Verdichtung von Eindrücken in der heimisch gewordenen westlichen Lebenswelt zum Ausdruck. Aber auch Darstellungen von Erlebnissen aus der Kindheit sind in der Anthologie enthalten: Erinnerungen an verloren gegangene heimatliche Gefilde und die Wut über die in den Diktaturen vergeudete Lebenszeit. Nicht zu vergessen sind Kulturmuster, die, aus den postsowjetischen und asiatischen Lebensräumen stammend, auch in Deutschland und im deutschen Sprachraum ihre markanten Spuren hinterlassen. Sie verbinden sich mit den bereits multikulturell angereicherten Wortfeldern zu einem Ensemble an Stimmen und Meinungen, in dem das lyrische und das erzählende Ich immer neuen Brechungen unterworfen werden und sich im vielstimmigen Bewusstseinsstrom behaupten müssen. Umso wichtiger erscheinen mir die hier vorliegenden Texte, die so unterschiedliche Erfahrungen, Empfindungen und Visionen von mehr als zwei Generationen exilierter Autorinnen und Autoren transportieren. Sie regen nicht nur den Gedankenaustausch zwischen den nationalen Literaturverbänden an, sie fördern auch den Dialog zwischen europäischen Kulturvereinigungen. Sie erweisen sich darüber hinaus als Zeugnisse eines Kontinents, der sich dem breiten Strom transkontinentaler Einflüsse öffnet und zugleich eine – bislang noch verschwommene – europäische Identität gewinnen muss. Eine Anthologie, die in ihrem Titel Zuhause nur im Wort den Gedanken enthält, dass man sich im vertrauten Exil geborgen fühlen kann, ist ein Schritt in diese Richtung.
Prof. Dr. Wolfgang Schlott Präsident des Exil-P. E. N.