Qualität von Verkehrsnachfragemodellen von Jörg Sonnleitner | ISBN 9783982113821

Qualität von Verkehrsnachfragemodellen

von Jörg Sonnleitner
Buchcover Qualität von Verkehrsnachfragemodellen | Jörg Sonnleitner | EAN 9783982113821 | ISBN 3-9821138-2-2 | ISBN 978-3-9821138-2-1
Inhaltsverzeichnis 1

Qualität von Verkehrsnachfragemodellen

von Jörg Sonnleitner
Mit der fortschreitenden Entwicklung in der Fahrzeugtechnik wird sich in den kommenden Jahren die Funktionalität von Pkw und damit deren Nutzung verändern. Noch sind die Auswirkungen der Fahrzeugautomatisierung auf Verkehrsablauf und Mobilitätsverhalten nur unzureichend bekannt. Dies erschwert eine Prognose der künftigen Verkehrsnachfrage. Verkehrsnachfragemodelle können Planern und Entscheidungsträgern helfen, mögliche Auswirkungen technischer Entwicklungen bei automatisierten Fahr-zeugen (AV) und zugehöriger regulatorischer Maßnahmen auf den zukünftigen Verkehr besser zu verstehen. Automatisierte Fahrzeuge werden ein anderes Fahrverhalten als Menschen zeigen und folglich Fahrtzeiten im Verkehrsnetz in Abhängigkeit des Anteils dieser Fahrzeuge in der Fahrzeugflotte verändern. Diese Einflussgrößen müssen auf geeignete Weise in vorhandene Fahrtzeitermittlungsmodelle integriert werden. Hochgradig automatisierte Fahrzeuge erlauben es den Personen, die sonst die Fahraufgabe übernehmen, einen Teil der im Fahrzeug verbrachten Zeit mit anderen Aktivitäten zu verbringen. Dies führt zu der Annahme, dass sich die Wahrnehmung der Fahrzeit in AV von derjenigen in konventionellen Fahrzeugen unterscheidet. Änderungen von tatsächlichen oder empfundenen Fahrtzeiten sind entscheidend für den Ablauf eines Verkehrsnachfragemodells, weil diese die Angebotsqualität beeinflussen, die sich durch Rückkopplung in der Nachfrageberechnung auf die Ziel-, Modus- und Routenwahl auswirkt. Damit wirken sich die erwähnten Einflussgrößen auf Mobilitätsverhalten und Verkehrsnachfrage aus. Verkehrsnachfragemodelle müssen diese Einflüsse adäquat abbilden können. Dies führt zur Notwendigkeit, die Modelle dafür zu erweitern, sodass Nachfragewirkungen automatisierter Fahrzeuge abgeschätzt werden können. In dieser Arbeit werden Modellierungsmethoden vorgestellt, um die Eigenschaften und Auswirkungen von automatisierten Fahrzeugen in makroskopische Verkehrsnachfragemodelle zu integrieren. Der Zweck dieser Methoden ist es, den Personen, die solche bestehenden Modelle anwenden, eine Möglichkeit zur Erweiterung dieser aufzuzeigen, damit diese, basierend auf Annahmen oder Daten zu AV, Prognosen erstellen können. Um die Wirkungen eines veränderten Fahrverhaltens von AV in Fahrtzeitermittlungsmodellen zu berücksichtigen, wird das Konzept der Personenkraftwagen (Pkw)-Einheiten erweitert. Dieses Konzept umfasst die Umrechnung der Fahrzeuganzahl aller Fahrzeugtypen in die Einheit herkömmlicher Pkw. Die Leistungsfähigkeit eines AV wird dann über Pkw-Einheiten-Faktoren angegeben, die von der Funktionalität des Fahrzeugs und vom Typ der Straßenanlage abhängen. Die Arbeit stellt auch eine Methode vor, um die Fahrtzeitwahrnehmung in AV, die nicht vollautomatisiert und damit Teil des Modus Pkw-Fahrer sind, anzupassen. Dafür wird die automatisierte Fahrtzeit mit einem zusätzlichen, vorzugebenden Parameter multipliziert. Dies wirkt sich auf die Routenwahl aus. Anhand des AV-Anteils werden die empfundenen Fahrtzeiten für konventionelle und automatisierte Fahrzeuge gewichtet gemittelt, um empfundene Fahrtzeiten des Modus Pkw-Fahrer als Input für die Modellstufen der Ziel- und Moduswahl zu erhalten. Der Wahrnehmungsparameter für die Modellanwendung in dieser Arbeit reduziert die empfundene automatisierte Fahrtzeit und folgt damit Erkenntnissen der Literaturauswertung. Die verwendeten Faktoren für die Pkw-Einheiten von AV werden durch die Auswertung von Daten mikroskopischer Verkehrsflusssimulationen ermittelt. Beide Methoden werden im makroskopischen Verkehrsnachfragemodell des Verbands der Region Stuttgart angewendet, um Auswirkungen automatisierter Fahrzeuge zu untersuchen. Der Anteil von AV an der privaten Pkw-Flotte wird vorgegeben. Im Rahmen dieser Arbeit sind AV hochautomatisiert und benötigen daher immer eine Person mit Fahrerlaubnis und Pkw-Verfügbarkeit. Für automatisierte Fahrzeuge der ersten Generation wird ein vorsichtigeres Fahrverhalten zugrunde gelegt. Diese beeinflussen dadurch den Verkehrsablauf im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen negativ und verursachen Fahrtzeitverlängerungen. Bei dieser geringeren Leistungsfähigkeit von AV gehen Verkehrsaufkommen und Verkehrsleistung für Pkw-Modi geringfügig zurück. Mit fortschreitender technologischer Entwicklung kann das Fahrverhalten so verbessert werden, dass AV leistungsfähiger als CV sind und den Verkehrsablauf positiv beeinflussen können. Das Verkehrsaufkommen und die Verkehrsleistung der Pkw-Modi nehmen zu. Die Wirkungen fallen mit steigendem AV-Anteil stärker aus. Eine veränderte Wahrnehmung automatisierter Fahrtzeit, sodass diese als kürzer empfunden wird, erhöht die empfundene Angebotsqualität und Erreichbarkeit von Zielen und macht den Modus Pkw-Fahrer damit attraktiver. Aufgrund von dadurch ausgelösten Änderungen in der Ziel- und Routenwahl nehmen mittlere Fahrtweiten und die Verkehrsleistung zu. Für die Ergebnisse ist es entscheidend, wie dicht das Straßennetz ist, das als automatisiert befahrbar zugrunde gelegt wird. Um von den Vorteilen automatisierten Fahrens profitieren zu können, sind Personen bereit, ihre Routenwahl anzupassen. Dies führt dazu, dass die Belastung auf den automatisiert befahrbaren Straßen im Verhältnis stärker zunimmt. Die Modellergebnisse zeigen, dass aufgrund der fortschrittlichen Fähigkeiten hochautomatisierter Fahrzeuge die Pkw-Verkehrsleistung in der Region Stuttgart um etwa 18 % zunehmen könnte. Die Vorteile des automatisierten Fahrens für die Personen, die diese nutzen, bringen also auch erhebliche negative Auswirkungen mit sich, die aus der Zunahme des Straßenverkehrs resultieren. Die Erkenntnisse der Modellanwendung können als Grundlage für die Diskussion über geeignete Maßnahmen aus der Verkehrsplanung dienen, um negative Folgen der Fahrzeugautomatisierung abzumildern oder zu vermeiden. Solche Maßnahmen müssen die Nutzung der zum Pkw konkurrierenden Modi attraktiver machen. Dies kann mit der Förderung anderer Verkehrsmodi oder der Einschränkung der Pkw-Nutzung erreicht werden.