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In einer Denktradition, die seit Montesquieu die Rolle der 'forces intermédiaires' betont und die in deutlichem Bezug auf das nachrevolutionäre Frankreich literarisch auch von Alfred de Vigny (1797–1863) vertreten wird (Cinq Mars, 1825), sieht Tocqueville den Adel in einer politischen Schlüsselstellung zwischen Volk und Monarchen, die er sich etwa in England erhalten konnte, während seine Ausschaltung und Entpolitisierung – wie auch die der kommunalen Selbstorganisationsformen – in Frankreich den Weg zu Revolution und neuem Despotismus freimachte. Nicht zuletzt wohl aus aristokratischer Familientradition resultiert Tocquevilles Ablehnung jeder Form von Zentralismus, dessen einebnenden Tendenzen er seinen Freiheitsbegriff entgegenstellt ('Wer in der Freiheit etwas anderes sucht als sie selbst, ist zum Dienen geboren'). Die Anlage des Werks zielt auf eine Verlängerung der grundsätzlichen Entwicklungslinien bis in die fünfziger Jahre des 19. Jh. s ab. Der Parallelismus der Situation, aber auch der Hinweis, daß die Konzentration staatstragender Schichten auf Geschäftsbetrieb und Erwerbsstreben den Despotismus begünstige, darf als Hinweis auf das aktuelle Regime Napoleons III. verstanden werden, nach dessen Staatsstreich Tocqueville Frankreich verlassen hatte. (KLL)