Kandinsky von Victoria Charles | ISBN 9781780426228

Kandinsky

von Victoria Charles
Buchcover Kandinsky | Victoria Charles | EAN 9781780426228 | ISBN 1-78042-622-4 | ISBN 978-1-78042-622-8

Kandinsky

von Victoria Charles
Die Kunst Kandinskys trägt in sich nicht die Schicksalslast anderer Meister der russischen Avantgarde, denn er verließ Russland lange bevor sich die offiziöse sowjetische Ästhetik von der neuesten Kunst abwandte. Er war in Paris und Italien gewesen und hatte in seinen frühesten Werken dem Impressionismus einen gewissen Tribut gezollt. Zum Studium zog es ihn jedoch ausschließlich nach Deutschland und zu Recht spricht man vom „Polystilismus“ des beginnenden Kandinsky. Züge eines salonhaften Impressionismus, ein Anflug von etwas trockenen Rhythmen des Jugendstils, ein schwerer „demiurgischer“ Pinselstrich und die zuweilen mehrdeutigen Widerklänge des Symbolismus - all das und mehr hatte Platz in seinen frühen Gemälden. Deshalb fand er den Mut, als noch „unfertiger“ Künstler die Leitung der neuen Münchener Künstlervereinigung Phalanx zu übernehmen und bald darauf an der Kunstschule dieser Organisation mit dem Unterrichten zu beginnen. Kandinsky begann im August 1908 in Murnau zu arbeiten. Er tritt aus dem Feld der gegenständlichen Erdanziehungskraft heraus in die Schwerelosigkeit der nicht gegenständlichen Welt, wo die Hauptkoordinaten der Existenz - Unten, Oben, Raum und Gewicht - abhanden kommen. Er entfernt sich von der Realität, erteilt den Illusionen eine Absage und nähert sich, so will es scheinen, von neuem der höchsten Realität an. Doch auch in Russland wurde er nun berühmt. Der Aufsatz „Über das Geistige in der Kunst“ (Dezember 1912) ist bekannt durch Vorlesungen und Interpretationen. Der Künstler trennte sich zwar in seinen Improvisationen und Kompositionen der zweiten Hälfte des zweiten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts endgültig von der gegenständlichen Welt, bewahrte aber dennoch bis zum Beginn der 1930er Jahre in seinen Bildern den Eindruck von dynamischem, gar organischem Leben. In Russland war er zum Künstler geworden, russische Motive und Empfindungen nährten seine Malerei. In Deutschland reifte er zur Autorität, zum transnationalen Meister. In Frankreich, in dem er gefeierte Aufnahme fand, vollendete er - glänzend und ein wenig trocken - das, was er in Russland und Deutschland begonnen hatte.