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Metamorphosen der Antike in Goethes Werk
von Jochen SchmidtIn Goethes produktiver Hinwendung zur Antike gibt es lebenslang nur eine Konstante: eine fortwährende Höchstschätzung. Vom Sturm und Drang bis zum Alterswerk zeichnen sich aber charakteristische Metamorphosen ab. Ob sich Goethe mit Homer, Pindar und Euripides, mit Platon oder Seneca beschäftigt, immer ist die Antike für ihn Medium einer auf die aktuelle Lebenssituation bezogenen Selbstverständigung oder Medium historischer Reflexion auf seine eigene Zeit. Die beiden größten Zeugnisse, Iphigenie auf Tauris und Faust II, zeigen ein aufschlussreiches Gegenprofil. Es ergibt sich aus der historischen Differenz dieser durch epochale Erfahrungen getrennten Werke und lässt zugleich eine wesentliche Wandlung in Goethes Geschichtsdenken erkennen. Im zweiten Teil des Faust reflektiert Goethe die Metamorphosen der Antike selbst schon kulturhistorisch angesichts einer von instrumenteller Vernunft bestimmten Moderne, deren geschichtliche Logik er als Überschreitung der aus der neuzeitlichen Rezeption der Antike entstandenen humanistisch-ästhetischen Kultur versteht.