Rudolf Alexander Schröder von Klaus Goebel | Künstlergäste Schloss Neubeuern, Band 2 | ISBN 9783000392825

Rudolf Alexander Schröder

Künstlergäste Schloss Neubeuern, Band 2

von Klaus Goebel und Reinhard Käsinger
Mitwirkende
Autor / AutorinKlaus Goebel
Autor / AutorinReinhard Käsinger
Buchcover Rudolf Alexander Schröder | Klaus Goebel | EAN 9783000392825 | ISBN 3-00-039282-3 | ISBN 978-3-00-039282-5
Literatur 20. Jahrhundert

Rudolf Alexander Schröder

Künstlergäste Schloss Neubeuern, Band 2

von Klaus Goebel und Reinhard Käsinger
Mitwirkende
Autor / AutorinKlaus Goebel
Autor / AutorinReinhard Käsinger

Auszug

Dieses Buch birgt Überraschungen. Sie lassen sich vor allem in den Wiedergaben aus Gästebüchern entdecken. Wir stoßen auf Besucher, die sich während eines halben Jahrhunderts in Neubeuern eingefunden haben, unter ihnen Theodor W. Adorno, Dankwart Graf Arnim, Rudolf Borchardt, Hans Carossa, Gerty und Hugo von Hofmannsthal, Harry Graf Kessler und Walther Rathenau. Vor allem aber blättern wir in einer Fülle von Aquarellen und Zeichnungen. Schnell wird deutlich, dass Texte und Bilder eines einzigen Gastes den Mittelpunkt bilden. Der Dichter, Übersetzer, Essayist und Redner Rudolf Alexander Schröder genoss im geschlossenen Neubeurer Zirkel einen Ruf, in dem ihm nur Hofmannsthal gleichkam. Der geistreich parodierende Schnelldichter Rudi setzte seine klassisch geformten Reime zielsicher und besaß auch die Gabe, mit Zeichenstift und Pinsel zu karikieren, was ihm einer Karikatur wert schien. So entstanden Gelegenheitsgedichte und Zeichnungen, wie die Gelegenheiten sie im Wortsinne boten, manchmal ironisch, doch nie verletzend, witzig, aber stets wohlwollend, menschenfreundlich und nicht selten selbstironisch nach dem Goetheschen „Wer sich nicht selbst zum besten haben kann, der ist gewiss nicht von den Besten“. Dass er darüber hinaus Designer von Möbeln und Teppichen, ja ganzer Inneneinrichtungen war und Hausfassaden zu gestalten wusste, Klavier spielte, komponierte, rezitierte und die Neubeurer Gesellschaft daran teilhaben ließ, lässt sich an dieser Stelle mangels technischer Möglichkeiten nicht wiedergeben. Die Texte und Zeichnungen aus einem halben Jahrhundert sind aus Anlass des 50. Todestags zusammengestellt worden. Nahezu alles, was auf diesen Seiten zu lesen und zu besehen ist, ist unpubliziert. Schröder war zu seiner Zeit in Zeitschriften und Zeitungen präsent. Überblickt man das Presseecho, sucht man jedoch die Stichworte Neubeuern und Hinterhör vergeblich. Die Zusammenkünfte auf dem Schloss überdem Inntal und im wenige Kilometer entfernten Gutshof waren keine öffentlichen Veranstaltungen und fanden in der Öffentlichkeit darum auch keinen Berichterstatter. Rudi Schröders Eintragungen werden mit Daten aus seinem Leben und durch Gästebuch-, Brief- und Tagebuchäußerungen von Verwandten, Freundenund Zeitgenossen ergänzt. Leserin und Leser mögen sich an der Unmittelbarkeit der Texte erfreuen. Herkunftsnachweise sind nicht unterlassen worden. Auf einen ausführlichen wissenschaftlichen „Apparat“ wird aber verzichtet. Er bleibt den kommentierten Ausgaben von Briefen, Tagebüchern und sonstigen Editionen überlassen, aus denen wir Auszüge entnommen haben. Darin ist beispielsweise das Werk Hofmannsthals weit gediehen, während für Schröder erheblicher Nachholbedarf besteht. Die Herausgabe seiner Briefe steht erst in den Anfängen. Der noch unpublizierte Briefwechsel Hofmannsthal-Schröder lag in einer Abschrift vor, die möglicherweise nicht fehlerfrei ist. In den Tagen um Christfest und Jahreswechselprägten Geselligkeit und Gedankenaustausch das Leben in Schloss und Gut. Die Treffen, zu denen GräfinOttonie, ihre Schwägerin Baronin Julie und deren Schwester Baronin Dora einluden, ähnelten den Salons des 18. und 19. Jahrhunderts, trugen aber einen durchaus eigenen Charakter, betrachtet man allein die Aufenthaltsdauer mancher Gäste und ihre gesellschaftliche Herkunft. Der Freundeskreis wuchs und wechselte. Rudolf Alexander Schröder war in der Treue, die ihn charakterisierte, immer wieder zurStelle. Ottonie Gräfin Degenfeld widmete er seine Dankesverse nicht nur in Gästebüchern, sondern ließ ihr auch außerhalb der Treffen manche Zeile zukommen. 1947 war es ein Zyklus von vier Gedichten. Das letzte schließt:
„Von keinem fremden Aug erspäht, Die Wirrsal grün umzäunt:
Geheimnis, drin man sich versteht, Macht erst den Freund zum Freund.“ Am 22. August 1962 starb Schröder im 85. Lebensjahr in einer Klinik in Bad Wiessee. Im oberbayerischen Dorf Bergen nahe dem Chiemsee hatte er seit Ende 1935 gewohnt, eine gute halbe Stunde von Neubeuern entfernt. Wer je im kleinen Wohnhaus auf dem Bergener Sonnleiten die Bücherregalein Augenschein genommen hat, die bis an die Fenster heranreichen und den Besucher in Flur und Treppenhaus begleiten, mag sich vorstellen, was es dem Erblindeten bedeutete, von diesen Büchern jetzt abgeschnitten zu sein. Mochten sich da Reclambändchen und in Pergament gebundene barocke Poesienmischen, war ihr Besitzer auch als Kenner und Liebhaber von Büchern anerkannt und geschätzt – nun mussteer sich an die Erfindungsgabe halten, die ihn nicht verließ, und mit dem Wissen begnügen, das er gespeichert hatte. Hieß es nicht schon in Alten Mannes Sommer, 1944 niedergeschrieben, Abschiednehmen sei eine goldene Zeit, in der es gelte, sich reisefertig zu machen?„Mir altem Mann geht’s wunderlich, Hab viel verlernt, muß Neues lernen. –S´ ist an der Zeit: befreunde dich Der Nacht und ihren Sternen“. Gearbeitet hat er bis ans Ende seines Lebens. Die Originaltexte von Shakespeares Cymbeline, Wintermärchen und Othello ließ er sich vorlesen. Dann diktierte er seine Übersetzungen – bis in die letztenLebensmonate, als die Krankheit nach ihm griff, die zum Tode führen sollte. Klaus Goebel