Kulturerbe=Kulturpflicht? Theoretische Reflexionen zu archäologischen Orten | 3. Sonderheft der Archäologischen Nachrichten aus Schleswig-Holstein | ISBN 9783000585197

Kulturerbe=Kulturpflicht? Theoretische Reflexionen zu archäologischen Orten

3. Sonderheft der Archäologischen Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Buchcover Kulturerbe=Kulturpflicht? Theoretische Reflexionen zu archäologischen Orten  | EAN 9783000585197 | ISBN 3-00-058519-2 | ISBN 978-3-00-058519-7
Dieser Band richtet sich an Wissenschaftler und wissenschaftlich Interessierte, die sich mit dem Nachdenken über dem Umgang mit unserem archäologischen Erbe auseinandersetzen.

Kulturerbe=Kulturpflicht? Theoretische Reflexionen zu archäologischen Orten

3. Sonderheft der Archäologischen Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Auszug

Vorwort Das Nachdenken über den Umgang mit dem archäologischen Erbe oder, wie in diesem Fall, dem Kulturerbe erscheint schwierig. Wenn dem so ist, dann ist das Nachdenken über den richtigen Umgang mit archäologischen Orten, d. h. mit unbeweglichen Kulturdenkmalen oder Fundstellen, eine Herausforderung. Zunächst einmal besagt das Attribut ›richtig‹, dass es auch einen falschen Umgang geben kann oder gibt. Wer will das aber beurteilen? Wer kann das beurteilen oder wer ist Schiedsrichter? Die sich hier andeutende Diskussion ist nicht unproblematisch. Sie weist einige Schwierigkeiten auf. Das Kernproblem besteht aber im Aufeinandertreffen von unbestimmten wissenschaftlichen Begrifflichkeiten mit gleichsam unbestimmten Rechtsbegriffen sowie der Begegnung von Theorie und Praxis! Verständigten sich die ersten ›Archäologen‹-Generationen gegen Ende des 19. / zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch auf einen ›richtigen‹ Umgang mit dem archäologischen Erbe, was damals in der Hauptsache Funde meinte, so fällt ein solcher Konsens heute scheinbar leichter, zumal die UNESCO und die Europäische Union mit ihren Konventionen welt- oder europaweite Harmonisierungen anstoßen und anstreben. Zu nennen sind Strukturen wie ICOMOS oder Europae Archaeologiae Consilium. Durch diese und andere ›Motoren‹ und Initiativen erfuhr die Archäologie eine methodische Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung. Geht man hier ins Detail, dann stoßen sehr schnell unterschiedliche Auffassungen aufeinander. Ein Grund mag der Umstand sein, dass die ersten Generationen in vergleichbaren Umfeldern, den Museen, arbeiteten. Daraus entwickelten sich, wohl den skandinavischen Beispielen folgend, sehr schnell auch denkmalpflegerische Strukturen, deren Arbeitsziele und -inhalte sich von denen der Museen zu unterscheiden begannen. Im Hinblick auf Methodik und Systematik für Inventarisierung und Ansprache waren die Rahmenbedingungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert noch sehr ähnlich. Seitdem und insbesondere aufgrund der Modernisierungs- und Urbanisierungsprozesse infolge des Zweiten Weltkriegs veränderte sich der Umgang mit dem archäologischen Erbe akkumulativ. Dieses betrifft nicht mehr nur die eigene Fachlichkeit mit ihrer zunehmenden Spezialisierung, sondern inzwischen auch deren Wirkung auf die Öffentlichkeit: von vorzeitlichen / vorsintflutlichen Funden über vaterländische Altertümer zum archäologischen Erbe. Diese öffentliche Rezeption und Akzeptanz führen letztlich zur Weiterentwicklung der denkmalpflegerischen und universitären aus den musealen Strukturen und ist, da mit Identifikations- oder Identitätsfindungsprozessen kausal verbunden, durch Ungleichzeitigkeiten und Brüche gekennzeichnet. Die Auseinandersetzung mit der jeweils zeitgenössischen ›Öffentlichkeit‹ gab es immer schon. Dies dokumentieren die zahlreichen Appelle mit Aufrufen zum Schutz der archäologischen Denkmale oder etwa Berichte über Grabungen und Forschungsergebnisse in massenhaft verbreiteten Zeitschriften wie der Gartenlaube oder anderen. Dies belegt auch die Verbindung in der NS-Zeit zur Politik oder die Berücksichtigung im weltanschaulich-lebenskundlichen Unterricht. Eine Verbindung, die in vergleichbarer Form auch in der ehemaligen DDR existierte. Dies zeigen nicht zuletzt die Untersuchungen der letzten drei Jahrzehnte in archäologischer Denkmalpflege, Museen und Forschung auf. Gerade vor diesem Hintergrund der Pluralisierung von Aspekten ist eine Verortung von Perspektiven und Forderungen zwingend notwendig, da, neben der ›reinen‹ Fachlichkeit, unterschiedliche Sichtweisen auf Inhalte, Ansprüche usw. zugenommen haben. Während Museen ihre Etats haben, archäologische Denkmalpflegen neben ihren Haushalten durch Beauflagungen Projektmittel akquirieren können, hat sich in universitären Umfeldern und Forschungsinstitutionen eine Wettbewerbssituation entwickelt, die sich in der gestiegenen Notwendigkeit niederschlägt, Drittmittel einzuwerben. Derlei Vorbedingtheiten zwingen uns, Relevanzdiskussionen neu zu führen, zumal das Berufsfeld ›Archäologie‹ deutlich vielschichtiger geworden ist. Die zunehmende Zahl an Berufsarchäologen führt gleichermaßen zu einer Pluralisierung der Praxis. Da diese sich an den die eigene Arbeit tragenden Organisationsformen orientiert, kommt es auch hier zu einer Ausdifferenzierung. Privatwirtschaftliche Arbeit stößt auf staatlich getragene Verwaltung und geförderte Forschung. Bei etwas konkreterer Betrachtung der archäologischen Tätigkeiten stehen, neben der staatlichen und privatwirtschaftlichen Denkmalpflege, die sich gleichermaßen ausdifferenzierende museale Arbeit sowie die universitäre und außeruniversitäre Praxis. Das Spektrum der Beschäftigungsverhältnisse reicht hier von Beamten und Angestellten, über Selbstständige bis hin zum Kollegenkreis der peripher Beschäftigten. Sie alle haben jeweils ein eigenes Rollenverständnis und damit verbundene Vorstellungen, wie richtig mit dem archäologischen Erbe umzugehen sei. Ein anderer determinierender Faktor sind die jeweils geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen. Entsprechend der Kulturhoheit der Länder kommt es zu einer Vielzahl an rechtlich-organisatorischen ›besseren‹ oder ›schlechteren‹ Lösungen, die gleichermaßen durch organisatorisch-personelle Entwicklungspfadabhängigkeiten wie politische Empfindlichkeiten geprägt sind. Dieser Band sammelt unterschiedliche Reflexionen zu diesem Thema und profitiert von den jeweiligen Standortbestimmungen auf Basis der individuellen organisatorischen Einbettung und beruflichen Praxis. Das umschriebene Themenfeld wurde daher in der Sektion »Kulturerbe=Kulturpflicht? Theoretische Reflexionen zum Umgang mit archäologischen Orten in Deutschland« aufgegriffen. Die Veranstaltung selbst fand am 29. Mai 2012 im Rahmen der Tagung des West- und Süddeutschen Verbands für Altertumsforschung statt und wurde von der AG Theorien in der Archäologie e. V. und dem Forum für Archäologie in Gesellschaft organisiert. Allen Referenten und Diskutanten sowie den Autoren dieser Publikation sei für ihr Engagement gedankt, über den Umgang mit dem archäologischen Erbe so bereitwillig nachzudenken. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass inzwischen so viel Zeit zwischen Sektion und Publikation vergangen ist. Die Gründe hierfür sind vielfältig, nicht zuletzt aber kausal an Arbeitsbelastungen gekoppelt. Daher nochmals unser besonderer Dank an alle, die mit ihrem Engagement diese Publikation getragen haben. Nominell sind dies, als Herausgebergremium, Kerstin Hofmann, Ulf Ickerodt, Matthias Maluck und Patricia Rahemipour sowie Birte Anspach, die die Entstehung dieses Sonderbandes erst ermöglicht hat. Ulf Ickerodt Matthias Maluck Schleswig, im Herbst 2017
Archäologisches Kulturerbe – Eine Einführung¹ Kerstin P. Hofmann abstract Archaeological cultural heritage is currently a broadly discussed international theme. Federally organised archaeological monument protection in Germany has benefitted from this discussion only marginally so far. Several issues concerning built-heritage conservation are also relevant for the socio-cultural practices within archaeological monument conservation. This includes, for instance, a historico-philosophical review of heredity, the listing and valorisation of monuments, the change in monument values and the question of who owns cultural heritage. These aspects will be discussed in further detail in the contributions in this edited volume in order to address the quo vadis of archaeological monument conservation in the light of current challenges. Key words cultural heritage monument conservation monument protection listing heritage value Es boomt und das in einem Bereich, der die Archäologie in ihrem Kern betrifft: Das kulturelle Erbe erlebt eine Hochkonjunktur und dies nun schon seit etlichen Jahren. In der anglophonen historischen Geografie wurde bereits sehr früh festgestellt: »All at once heritage is everywhere« (Lowenthal 2009 [1968], xiii). Neben der Konjunktur der Sache gibt es auch eine des Begriffs (Tschofen 2007, 20). Auch die wissenschaftlichen Kongresse und Studien zu heritage sind inzwischen konjunkturverdächtig geworden (Bendix 2007, 337). Bereits in den späten 1980er Jahren prägte Robert Hewison (1987) den Begriff heritage industry für Großbritannien, dessen Kommerzialisierungskritik inzwischen sicherlich zu Teilen auch auf Deutschland angewandt werden kann (vgl. Kircher 2012; Samida 2013). Wer eine Hochkonjunktur konstatiert, verschafft sich und seinem Thema zwar Bedeutung, muss aber zugleich stets aufpassen, nicht schon von dieser überholt zu werden, und somit dem boom und bust-Zyklus zum Opfer zu fallen. Zur Avantgarde zählen wir in dem Strom an Tagungen und Publikationen zum Thema heritage jedenfalls nicht. Und wenn bereits zusammenfassende Bücher und Einführungen zu archaeological heritage bzw. Kulturerbe veröffentlicht sind (z. B. Skeates 2000; Carman 2002; Tauschek 2013), dann mag sich der eine oder die andere fragen, was noch ein weiterer Sammelband zu diesem Themenbereich soll. Boshafte Stimmen würden sagen, weil 1. Der vorliegende Text entstand während meiner Arbeit für das Berliner Exzellenzcluster 264 »Topoi. The Formation and Transformation of Space and Knowledge« und wurde überarbeitet, als ich Zweite Direktorin der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts in Frankfurt am Main geworden bin. Es handelt sich um eine leicht überarbeitete Fassung meines Eröffnungsvortrages für die Sektion »Kulturerbe = Kulturpflicht? Theoretische Reflexionen zum Umgang mit archäologischen Orten in Deutschland«, die am 29. Mai 2012 in Friedrichshafen im Rahmen der Tagung des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung stattfand, organisiert von der AG Theorien in der Archäologie e. V. und dem Forum für Archäologie in Gesellschaft. Für Diskussionen, konstruktive Kommentare und Korrekturen danke ich den Teilnehmerinnen der Sektion, den Mitherausgebenden dieses Sammelbandes sowie Sabine Pinter. Wir in der Archäologie und in Deutschland ja eh immer den Trends und Strömungen etwas hinterherhinken. Andere mögen auch Vorbehalte gegen ein Konzept haben, das in der Kulturpolitik des autoritären Zeitalters in Europa und insbesondere im Nationalsozialismus keine unbedeutende Rolle spielte (vgl. Tschofen 2007). Zumindest fällt auf, dass zwar international viel über archäologisches Kulturerbe diskutiert wird, und dies erstaunlicherweise mitunter auch mit deutscher Beteiligung, in Deutschland jedoch lange Zeit vergleichsweise wenig. Dies gilt insbesondere für die föderal organisierte archäologische Denkmalpflege in Deutschland (vgl. Fechner 1996). So war der Kolloquiumsband des Münsteraner Workshops von 1989 »Was ist ein Bodendenkmal? Archäologie und Recht« noch bis in die späten 1990er Jahre hinein das einzige deutsche Referenzwerk, auf das in Sachen archäologische Denkmalpflege verwiesen wurde (Horn 1993). Es besteht also noch Nachholbedarf, gerade was den Versuch angeht, universitär geführte Theoriediskussion mit den in der archäologischen Denkmalpflege entwickelten Diskursen und Praktiken zu verbinden (s. a. Winghart 1998; Herbert 2011). Dies war letztlich eines der Hauptanliegen der 2012 im Rahmen der Tagung des West- und Süddeutschen Verbands für Altertumsforschung stattfindenden Sektion »Kulturerbe = Kulturpflicht? Theoretische Reflexionen zum Umgang mit archäologischen Orten in Deutschland«, veranstaltet von der AG Theorien in der Archäologie e. V. und dem Forum für Archäologie in Gesellschaft am 29. Mai 2012, und ist auch das Ziel des vorliegenden Sammelbandes.3 Auf die sicherlich ebenfalls gewinnbringende Einbeziehung des Musealisierungs-Diskurses wurde zugunsten einer stärkeren Fokussierung auf die archäologische Denkmalpflege verzichtet, lediglich der Beitrag von Susanne Grunwald greift diese Thematik auf. Wenn wir uns auf die Erkundigung eines so boomenden und sicherlich auch verminten Feldes einlassen, müssen wir uns dabei immer bewusst sein, selbst Beteiligter bzw. Beteiligte zu sein. De-essentialisiert und in den Kontext der Geschichtskultur gestellt, lässt sich Denkmalpflege als soziokulturelle Praxis der Moderne begreifen (vgl. Csáky / Sommer 2005), die als Vermittlungsinstrument zwischen materieller, mentaler und sozialer Kultur aufgefasst werden kann (Falser 2008, 6 – 7 Abb. 1). Kritische Reflexion nicht nur der Ansichten und Handlungen anderer, sondern auch der eigenen, oft unhinterfragten Prämissen und Aktionen ist demnach angesagt (vgl. Gramsch 2000; Smith 2006; s. a. Beitrag Ickerodt / Müller i. d. Bd.). Hierbei gilt es, u. a. die Legitimation von Deutungs- und Zugangs- bzw. Umgangshoheit von Kulturerbe zu diskutieren. Die unterschiedlichen Positionen hängen dabei nicht selten von den jeweiligen Verortungen der Akteure ab. So wird heute z. B. aus akademischer Sicht oft die »Freiheit der Forschung« gefordert, während in den staatlichen Denkmalpflegebehörden vieles durch Verwaltungs- und Denkmalpflegerecht geregelt ist und vor allem der Schutz der Kulturgüter als hoheitliche Aufgabe im Vordergrund des Interesses steht (s. a. Ickerodt 2014 c). Der zunehmende internationale Wettbewerb Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielte eine entscheidende Rolle, Institutionen zum Schutz des kulturellen Erbes zu schaffen, da dieser mehr und mehr als »Gradmesser für den Kulturzustand eines Volkes« (von Oechelhäuser 1909, 5) galt. Dabei beschritt man den Weg von einer herrschaftsverpflichtenden zur gemeinschaftsorientierten, von der freiwilligen zur staatlichen Denkmalpflege, die »im Interesse der Allgemeinheit« (Wirminghaus 1912) liege. Wurden anfangs Archäologie und Bodendenkmalpflege rein von sog. Dilettanti getragen, kam es in einem langwierigen Prozess Anfang des 20. Jahrhunderts zur Institutionalisierung, Disziplinierung und Verwissenschaftlichung (s. Beiträge Grunwald; Hofmann; Pollak; Steigerwald i. d. Bd.) und damit einher zur Abgrenzung und mitunter sogar ›Ausgrenzung‹ von ›Laien‹. In den 1970er Jahren gab es einen Aufschwung der öffentlichen Denkmalpflege in Deutschland, die sich u. a. in der Verabschiedung von Denkmalschutzgesetzen und der Einrichtung von Behörden ausdrückte. Mit der Wiedervereinigung wurde auch in Ostdeutschland die Denkmalpflege föderalistisch organisiert. In den alten Bundesländern setzte man sich in den letzten Jahren an die Überarbeitung der Denkmalschutzgesetze. Neben notwendigen Anpassungen an die Welterbekonvention und im Zuge der Diskussionen um EU-Konventionen galt es, die Gesetze, auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen in den ›neuen Ländern‹, zu modernisieren. Zudem wird angestrebt und mitunter bereits auch rechtlich umgesetzt, Denkmalpflege verstärkt aktiv auszurichten und z. B. an langfristigen Raumplanungsprozessen zu beteiligen (Ickerodt 2007; Ickerodt / Lund 2015, 110). Hierbei spielt der Aspekt der aktiven Bürgerbeteiligung eine wichtige Rolle, die auch offiziell inzwischen als wichtiges Kriterium für denkmalpflegerische Nachhaltigkeit gilt (vgl. Ickerodt 2016). Durch die zunehmende internationale Verflechtung und weitere Ausweitung des Kulturerbe-Begriffes kam es in den letzten Jahren jedoch immer wieder auch zu kontroversen Diskussionen über Denkmale und die Rolle der Denkmalpflegebehörden. Im Zuge der Wertediskussion wurde insbesondere die Forderung nach einer stärkeren Bürgerbeteiligung lauter. So sprachen sich der Städteplaner Dieter Hoffmann-Axthelm (2002) und auch der Archäologe Raimund Karl (2011; 2012; 2016) für eine Entstaatlichung des Denkmalschutzes aus. Diese als Demokratisierung und Liberalisierung angedachte Reform sehen andere jedoch als Gefahr: Ihre Folge sei zwangsläufig die Unterwerfung unter ein »Diktat der Privatisierung und Ökonomisierung « (Meier / Will 2005, 323; s. a. Ickerodt 2005 a; 2011 b). Für die Archäologie stellt sich letztlich heute die Frage, wie konkret Ideen einer public archaeology (Darvill 2004; Merriman 2004; Thomas / Lea 2014) oder der citizen science im Rahmen der Denkmalpflege umsetzbar sind. Schon der französische Gelehrte François-Marie Puthod de Maison-Rouge (1757 – 1820), dem laut Edourd Pommier (1988, 58) Ersten, der sich mit dem patrimoine auseinandersetzte9, ging es Ende des 18. Jahrhunderts darum, Monumente dem Vergessen zu entreißen. Und auch heute ist laut der UNESCO kulturelles Erbe das Gedächtnis der lebendigen Kultur eines Volkes (Matsuura 2002; Deutsche UNESCO-Kommission e. V. 2010; s. a. Swenson 2007, 53). Kultur-Erbe gehört demnach in den weiteren Kontext von Geschichtskultur, von Erinnerung und Gedächtnis (vgl. Beier 2000; s. a. Beitrag Pollak i. d. Bd.), wobei sich jedoch nur sehr Wenige mit dem konkreten Prozess der Generierung und Übertragung von kollektiven Erinnerungen und den personalen Erfahrungen bei ihrer Adaptierung beschäftigen (positive Ausnahme: Dolff-Bonekämper 2011). Die Frage nach Heredität, also der Vererbung, ist ferner stets auch ein Thema der Historiografie und Geschichtsphilosophie. Wobei der Begriff des Erbes sich dadurch auszeichnet, dass er verschiedene Dimensionen der Überlieferung miteinander verbindet, indem z. B. der Übergang von Natur und Kultur reguliert, das Zusammenspiel von Materiellem und Immateriellem thematisiert, es als ein Scharnier zwischen subjektiven und institutionellen Aspekten von Kultur fungieren kann und Kontinuitäten trotz Veränderungen ermöglicht werden (Lüdemann 2001; Bodner / Sohm 2005; Willer u. a. 2013; s. a. Beitrag Grunwald i. d. Bd.). Letztlich gestalten die Lebenden im Umgang mit dem Erbe in der Gegenwart sowohl ihren Austausch mit den Verstorbenen als auch ihr Verhältnis zu den Zeitgenossen, aber auch zu den noch nicht Geborenen (vgl. Willer u. a. 2013). Auch wenn kulturelle Überlieferung in der retrospektiven Vogelperspektive oft wie ein kontinuierlicher Vorgang wirkt, ist sie doch durch Umbrüche, Konflikte und Widersprüche oder Verschiebungen geprägt (Willer 2013, 160). Trotz zahlreicher Schwierigkeiten bei Erbschaften im eigenen Bekanntenkreis gehen wir oft von einem irgendwie natürlichen, unproblematischen Prozess aus, der – von einem »Phantasma der Homogenität « (Tschofen 2007, 22) geleitet – konfliktuelle Diversität nicht kennt und daher Rechte und Pflichten geradezu aus sich selbst heraus verteilt. So erscheinen auch im Kulturerbe-Diskurs die Zuweisungen bzw. Fronten, obwohl immer wieder Änderungen unterworfen, nach ihrer Etablierung doch klar und selbstverständlich. Im 18. Jahrhundert setzte Abbé Henri Jean-Baptiste Grégoire (1750 – 1831) die Bewahrung des »Erbes« mit Zivilisation, Bildung, Patriotismus und Freiheit gleich. Mit dem von ihm als Antonym gebildeten Vandalismusbegriff wurden die »Erbeschützer« zu den Zivilisationsbringern und die »Erbezerstörer« zu Barbaren (Swenson 2007, 63; Michel 1988). Das Denkmal fungierte dabei nicht selten als Beleg der eigenen Fortschrittsgeschichte und spielte so auch bei der Konstituierung kollektiver Identitäten, z. B. der Nationen, eine wichtige Rolle. Ein neuer Gegensatz etablierte sich im Rahmen einer Grundsatzdebatte Anfang des 20. Jahrhunderts. Auch durch die geschichtswissenschaftliche Betrachtung von Denkmalen als Quellen angeregt, kam es zu systematischeren Unterscheidungen zwischen Altem und Ergänztem / Verändertem. Die vom Kunsthistoriker Georg Dehio (1850 – 1932) im Jahre 1905 geprägte Devise »Konservieren, nicht restaurieren« wurde lange Zeit jedoch nur in sehr eingeschränktem Maße verfolgt (Hellbrügge 2002), aber in der Charta von Venedig 1964 mit dezidierten Einwänden gegen Restaurierungsarbeiten wieder aufgegriffen (s. a. Franz 2014; Seidenspinner 2006). Die Bevölkerung wünschte jedoch immer wieder Rekonstruktionen und sie sind auch für die Denkmalvermittlung von zentraler Bedeutung (s. a Beitrag Grunwald i. d. Bd.), weshalb man auch immer wieder kreative Lösungen fand, die aber zugleich den übergeordneten Forderungen nach der Authentizität des Denkmals und wissenschaftlichen Rekonstruktionsstandards gerecht zu werden hatten. (Hellbrügge 2002, 4; s. a. Peltz / Zorn 2009). Die damit einhergehende Relativierung entspricht auch der in Deutschland allerdings wenig rezipierten, 1979 in Australien beschlossenen Charta von Burra (Schmidt 2008, 78 – 79; 156 – 161, insb. 159). Heute sind die ›richtigen‹ ErbebewahrerInnen, so der ehemalige Generaldirektor der UNESCO, Ko¯ichiro¯ Matsuura, zudem Friedensbewahrer und Weise. Ferner sei das Kulturerbe ein individuelles Menschenrecht. Zudem gibt es Tendenzen, Kulturerbestätten nicht mehr als von der alltäglichen Lebenswelt separierte »andere Orte«12, sondern vielmehr als living sites anzusehen, deren Bedeutung sich dynamisch verändern kann. Mit all diesem Vokabular und Reden wurde und wird der Schutz von Kulturerbe zur moralischen Verpflichtung. Mit Transzendenzmetaphern des Denkmaldiskurses, wie Thomas Meier in seinem Vortrag »›Erbe‹ und ›kommende Generationen‹« erläuterte, wird versucht, materielle Relikte der Vergangenheit nachhaltig für die Gegenwart und Zukunft zu ›retten‹ (vgl. Ickerodt 2016). Diesen wird dabei meist ein intrinsischer Wert für die Menschheit zuerkannt. Der / Die DenkmalpflegerIn sieht sich dementsprechend vor allem als Verwalterin und AdvokatIn der Vergangenheit, im Englischen unter dem Stichwort stewardship diskutiert (Lynott / Wylie 2000; Pace 2012). Nur selten betrachtet er / sie sich hingegen als gegenwartsorientierter Intellektuelle/r, der / die Geschichtspolitik betreibt, was er / sie nach Yannis Hamilakis (1999) zumindest auch sein sollte. Was ist jedoch eigentlich archäologisches Kulturerbe? Dies ist eine Frage, die zwar in Reden und Positionspapieren immer wieder mit klaren Statements beantwortet wird, die – so Regina Bendix (2007, 340) – jedoch schon falsch gestellt ist, denn »Kulturerbe ist nicht, es wird.«. Versuchen wir uns daher, dem Werden praxeologisch zu nähern, sprich der Prädikatisierung kulturellen Erbes bzw. neu-deutsch der heritagification zu widmen. In Deutschland gibt es heute über eine Million Denkmale, die unter Denkmalschutz stehen. Dabei ist die Inventarisierung der Denkmale nicht abgeschlossen, sondern ein fortlaufender, derzeit – trotz der beständigen Zerstörung kulturellen Erbes – exponentiell steigend anmutender Prozess. Die Verbreiterung des ›Erbträchtigen‹ im Bereich von ›Kultur‹ erfolgte im Laufe der letzten Jahrhunderte vor allem auf drei Achsen – einer sozialen bzw. kulturellen, einer räumlichen und einer zeitlichen (vgl. Bendix 2007, 341 – 342; Falser 2011, 6). Waren es anfänglich vor allem Denkmale hochkultureller bzw. oberschichtiger Provenienz, die als wertvoll und bewahrenswert galten, sowie allenfalls die Sachkultur, die die jeweilige (trans)nationale oder regionale ›Kultur‹ als Referenz und Anker für ihre Identitätskonstruktionen nutzte, wurden und werden zunehmend auch Zeugnisse der Alltagskultur verschiedenster Bevölkerungsteile mit dem Prädikat heritage versehen. So kann man heute nach Barbara Kirshenblatt-Gimblett (2006, 170) mit Verweis auf Werner Sollors(1986) zwischen lokalisiertem Abstammungserbe (descent heritage)´und translokalem Zustimmens-Erbe (consent heritage) unterscheiden. Während Ersteres für raumbezogene Identitätsgruppen eine große Rolle spielt, ist Letzteres im Rahmen des westlich geprägten Weltkulturerbes, aber wohl auch für viele der archäologischen Denkmale entscheidend. Ferner kam es zu einer Erweiterung des räumlichen Maßstabs von vorerst Einzelfunden bzw. -befunden zu Einzelmonumenten mit ihrem Umfeld über den Ensembleschutz bis hin zu ganzen Kulturlandschaften (vgl. Bauerochse u. a. 2007; Ickerodt 2007). Die in Deutschland überwiegend auch aufgrund ihrer fachlichen – Kunstgeschichte, Prähistorische Archäologie, Biologie – und strukturell unterschiedlichen Ausrichtung sich weitgehend eigenständig entwickelnde Bau-, Boden- und Natur-Denkmalpflege stehen nun vor der Herausforderung, ihre verschiedenen Diskurse wieder zusammenführen zu müssen (s. u. a. Martin / Krautzberger 2010; Hampicke 2013; Ickerodt u. a. 2015). Auch eine temporale Ausweitung ist feststellbar: Zum einen wird die zu verstreichende Zeitspanne, zwischen der das Prädikat »Kulturerbe« verleihenden Gegenwart und dem Zeitalter, aus dem das zu prädikatisierende Denkmal stammt, immer kürzer. Der Philosoph Hermann Lübbe (2000) bezeichnet dies als Phänomen der »Gegenwartsschrumpfung und zivilisatorischen Selbsthistorisierung «. So wurde z. B. in der archäologischen Denkmalpflege und in den Denkmalschutzgesetzen die Neuzeit anfangs nicht berücksichtigt. Erst seit Kurzem umfasst der Untersuchungszeitraum auch die nationalsozialistische Zeit und die Nachkriegszeit (Theune 2010; Theune-Vogt 2014; Ickerodt 2014 b). Zum anderen geht man von der vormals eher statisch-materiellen zu einer mehr dynamisch-prozessualen Perspektive über. In der Archäologie findet dies vor allem Ausdruck darin, dass nicht mehr nur eine Zeitscheibe und Bedeutung eines Denkmals, sondern seine Entwicklung inklusive Rezeptionsgeschichte zunehmend in den Fokus gerät (Holtorf 1995; 2000 – 2008; Beiträge in Ickerodt / Mahler 2010; s. a Beiträge Hofmann; Ickerodt / Müller; Maluck i. d. Bd.). Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, ob wir bzw. die Gesellschaft eigentlich wirklich immer alle unter Denkmalschutz stehenden archäologischen Befunde und Funde mit dem immer noch oft hoch konnotierten Etikett »Kulturerbe« oder »Kulturdenkmal« versehen würden oder doch nur eine Auswahl. Wenn Letzteres zutreffen sollte, welches sind dann die Selektionskriterien? Um dieses Thema besser diskutieren zu können, hilft ein kurzer Blick auf die mit dem Kulturerbe und Denkmalbegriff einhergehende Werte- Diskussion (vgl. Meier / Scheurmann 2010; Ickerodt 2014 a; s. a Beitrag archäologisches kulturerbe – eine einführung 15 Steigerwald i. d. Bd.). Diese ermöglicht es vielleicht auch, die Frage nach Narrativen der archäologischen Denkmalpflege und ihrer zeitgenössischen Aktualität fundierter zu behandeln. Ohne Wertzuschreibung kein Denkmal. Werte sind jedoch nicht essentialistisch, weder in Dingen durch ihre physische Beschaffenheit noch rein im Geist des Menschen verhaftet, sondern situativ und kontextgebunden (vgl. Boesler 2011; Bokern / Rowan 2014; Ickerodt 2014 a). Sie sind stets Resultat der Relationen von Menschen und Dingen und Produkt kulturell spezifischer Bedeutungszuschreibungen (Speitkamp 1996, 82). Wie gelangt man dann aber zu einer anerkannten Einschätzung, dass es sich bei einem Ding um ein Denkmal handelt? Zuallererst muss man es wahrnehmen, es benötigt somit ein gewisses Aufmerksamkeitspotenzial (Nitzsche 2003, 1). Dies erklärt im Übrigen auch, warum die meisten archäologischen Bodendenkmale von einem Großteil der Menschen gar nicht als solche erkannt bzw. erst bei ihrer Zerstörung bemerkt werden (Hofmann 2016; im Review). Durch Wahrnehmungsprozesse werden Empfinden und Denken ausgelöst, angeregt und geistig erfasst. Die In-Wertsetzung von Denkmalen ist demnach nie rein rational und diskursiv, sondern zugleich emotional und intuitiv (Bendix 2012). Dennoch gibt es Zeiten, in denen kognitive historische, andere, in denen affektive emotionale Werte den Denkmaldiskurs bestimmen. Der vermeintliche Antagonismus von kognitiven und affektiven oder auch ideellen und wirtschaftlichen Werten ist jedoch in der Praxis so nicht aufrechtzuerhalten. Es gilt vielmehr, eine holistische Betrachtung anzustreben.15 Zentral für die wissenschaftliche Denkmalwert-Theorie war lange Zeit der von Alois Riegl 1903 definiertesog. Alterswert, der den Wert eines Denkmals in seinem spurengezeichneten, schicksalhaften Zustand der Geschichtlichkeit sieht und daher folgerichtig Rekonstruktionen ablehnt und kritisch formuliert einem »Echtheits-« bzw. »Substanzfetischismus« (Waetzoldt / Schmid 1979; Petzet 1994, 14 – 15) den Weg ebnete (vgl. Falser 2006; Meier / Scheurmann 2010). Vom künstlerischen Original hin zum Ursprünglichen, Charakteristischen und besonders Aussagekräftigen wurde es der immer wieder neu definierte Begriff der Authentizität16, der den direkten Zugang zur Vergangenheit versprach. Anfangs als eine rein europäische Bündelung klassischer Denkmalwerte, die mithilfe der Kriterien Form, Material, Technik, Funktion und Ortsgebundenheit bestimmt wurden, gewannen mit wachsender Fortschrittskritik und im Zuge neuer pluralistischer, postmoderner Wertekonstellationen wieder stärker bildhaft-emotionale Stimmungswerte an Bedeutung, was sich z. B. in der Nara-Konferenz von 1994 und ihrem Dokument widerspiegelt (vgl. Falser 2008; 2011). Die vermeintlich klaren Gegensätze zwischen Authentizität und Inszenierung bzw. Wiederholung – und damit auch Rekonstruktion und Reproduktion – wurden damit immer weiter hinterfragt (vgl. Hattendorf 1994; Daur 2013; s. a Beitrag Hofmann i. d. Bd.) und dennoch spielt die Frage nach dem Zeugniswert in Zeiten der Wiederentdeckung der Materialität und der Diskussion um fake news nicht nur im Rahmen der Quellenkritik für die Geschichtswissenschaft (Hofmann 2016) nach wie vor eine zentrale Rolle. Während früher der Kunst- und dann lange Zeit der Substanzwert dominierten, werden heute immer häufiger auch der gesellschaftspolitische Streit- und Mahnwert sowie die sozialen Werte betont (Dolff-Bonekämper 2003; 2010, 33 – 34; Díaz-Andreu 2016). Ferner gewinnen »unbequeme Denkmale« (Huse 1989; 1997; Merrill / Schmidt 2009) bzw. »negative heritage« (Meskell 2002) auch für die Archäologie an Bedeutung (eher kritisch zu dem recht unklaren Begriff: Scheurmann 2010). Festzuhalten ist, dass es auch innergesellschaftlich sehr unterschiedliche Denkmalwerte gibt und diese immer wieder neu ausgehandelt werden müssen (vgl. Boesler 2011), wobei sie auch diametral zum fachlichen und rechtlichen Verständnis stehen können. Georg Dehio, einer der Gründerväter des modernen Denkmalbegriffs, forderte nicht umsonst jede Generation dazu auf, Denkmale und Denkmalpflege neu zu überdenken (Scheurmann 2010, 67). Die von Wolfgang Seidenspinner (1993) geforderten Perzeptionsgeschichten von Denkmalen wären hier sicherlich sehr aufschlussreich, aber nur ein Anfang. Ziel sollte es vielmehr auf Dauer sein, konsequent die komplexen Mensch-Ding-Beziehungen auch jenseits von z. B. Produzenten- und Konsumenten-Dichotomien in die Denkmalgeschichten zu integrieren. Hierbei ist auch der immer stärker werdende Verlust der Deutungshoheit archäologischer und denkmalpflegerischer Institutionen durch die verschiedensten Beteiligungsformate zu beachten. Die (Wieder-)Einbindung verschiedener Akteure erfordert letztlich nämlich auch, deren Einwände gegen etablierte Praktiken zur Kenntnis zu nehmen, und die von der Fachwelt angelegten Kriterien zu prüfen. Wem gehört welches kulturelle Erbe? Die Prädikatisierung »kulturellen Erbes« ist, wie eben schon angeklungen, eng mit der in den letzten Jahren immer häufiger gestellten Frage »Who owns the past?« (Kristiansen 2004; s. a. Wolfram / Sommer 1993) verknüpft, die hier mit Claudia Maria Melisch in »Wem gehören Boden-Denkmale? « bzw. gar aufgrund der Tatsache, dass in Zeiten der Globalisierung und Pluralisierung auch das Erbe der Anderen verwaltet wird (vgl. Vinken 2016), in »Wem gehört welches kulturelle Erbe?« zu konkretisieren wäre (s. a Beitrag Ickerodt / Müller i. d. Bd.). Die Definitionshoheit und das Recht, den Umgang mit archäologischen Orten zu regulieren, obliegen dem in internationale Konventionen eingebundenen Staat, wobei in Deutschland die kulturellen Aufgaben des Staates in die Zuständigkeit der Bundesländer fallen, hier haben die Länder Kulturhoheit. Diese sollen mit ihren Denkmalpflegebehörden, denen auch die Aufgabe der Denkmalvermittlung obliegt, im öffentlichen Interesse handeln und dieses auch gegen Privatpersonen, z. B. GrundstücksbesitzerInnen, durchsetzen. Der in anderen Ländern viel diskutierte Indigenen-Interessenschutz spielt in Deutschland bisher kaum eine Rolle, obwohl in der Praxis die ansässige Bevölkerung für die archäologische Denkmalpflege von großer Bedeutung sein kann und das Engagement von Bürgern sowie die mitunter praktizierten Identitätsdiskurse und -politiken die Forderungen nach einem stärkeren Mitspracherecht lauter werden lassen (s. Beitrag Hofmann i. d. Bd.). Sodann gibt es eine derzeit steigende Anzahl an Interessengruppen. Neben den WissenschaftlerInnen und DenkmalpflegerInnen handelt es sich dabei u. a. um interessierte LaiInnen, TouristInnen und TourismusmanagerInnen, AnhängerInnen religiöser Bewegungen, sowie Akteure bzw. Akteurinnen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Alle sog. stakeholder haben dabei eigene Konventionen, Absichten und Interessen (s. a. Castañeda / Matthews 2008; Joyce 2002). Zudem sind an die Seite der etablierten Geschichtswissenschaften und der Denkmalpflege in den letzten Jahrzehnten neue Medien und Akteure der Geschichtsvermittlung getreten, die – bei aller Unterschiedlichkeit im Einzelnen die »wissenschaftliche Ratio« mit einer Sehnsucht nach Stimmungswerten und bildhafter Visualisierung von Geschichte konfrontieren (Samida 2013). Statt immer von festen Gruppen, wie die Öffentlichkeit, die Denkmalpflege etc. auszugehen, sollten wir immer wieder auch akteurInnen-orientiert analysieren, um nicht vorschnell eigenen Vorurteilen und Legitimationsstrategien bzw. den normativ geführten Debatten um Kulturerbe zum Opfer zu fallen. In diesem Zusammenhang stellt sich aber sodann auch die Frage, wenn schon die regionale Denkmalpflege vor der Herausforderung der Akzeptanz multipler gesellschaftlicher Vorstellungen zum Umgang mit Relikten aus der Vergangenheit steht, wie kann dann das in den letzten Jahrzehnten immer mehr in den Vordergrund tretende überregionale oder gar internationale Denkmalrecht überhaupt den verschiedenen Kulturen und Werten gerecht werden? Neben der zunehmenden internationalen Verflechtung und der Problematik nicht immer historisch gewachsener Staatsgrenzen war für die Bestrebungen eines globalen Denkmalschutzes nicht nur die Forderung des Schutzes des eigenen Kulturerbes im Kriegsfalle, sondern auch der Gedanke ausschlaggebend, dass es sich bei Denkmalen grundsätzlich um gemeinsames Erbe handelt, das zur Kenntnis der Menschheitsgeschichte beiträgt und folglich eines besonderen Schutzes bedarf. Und spätestens, wenn ein für einen selbst bedeutsam erscheinendes Denkmal zerstört werden soll, finden diese überregionalen Bemühungen nur allzu gerne Zustimmung. Doch neben den sich schon innergesellschaftlich andeutenden und international noch stärker vorhandenen Interessenskonflikten führt eine großräumige Denkmalpolitik häufig zu einer Überbetonung und -finanzierung einzelner Geschichtszeugnisse und Metanarrative (s. Beiträge Ickerodt / Müller; Maluck i. d. Bd.). Hier hilft auch das Konstatieren und Zulassen von Pluralität sowie das Verfolgen transkultureller Übersetzungs- und Transformationsprozesse entgegenzuwirken (vgl. Falser / Juneja 2013) nur bedingt weiter. Quo vadis archäologische Denkmalpflege? Die Frage nach dem »Nutzen und Nachteil der Denkmalpflege für das Leben« wird – in Anspielung auf Nietzsches zweite von vier unzeitgemäßen Betrachtungen (Nietzsche 2005 [1874]) – auch heute immer wieder mal laut, mal leise gestellt. Letztlich geht es darum, vor dem Hintergrund gesellschaftlichen Wandels neue Wege für eine inzwischen zwar staatlich institutionalisierte, aber dennoch immer wieder – auch durch Sparmaßnahmen – infrage gestellte archäologische Denkmalpflege zu finden. Die (un)gewünschte Aneignung von archäologischen Denkmalen durch verschiedene Interessengruppen fordert – wie die Beiträge des Sammelbands zeigen – zu Stellungnahmen auf, die ganz unterschiedlich ausfallen können. Einfache Antworten auf die Frage, wohin sich die archäologische Denkmalpflege entwickelt bzw. entwickeln sollte, sind dabei nicht zu erwarten. Die materialisierte Geschichte in Form von Bodendenkmalen scheint durch ihre Präsenz und Verortung mitunter die ansonsten in der postmodernen Gesellschaft so evidente Überlagerung von Räumen, Diskontinuitäten und Fragmentierungen zu negieren. Dennoch lassen sich aber auch in der archäologischen Denkmalpflegepraxis die heute immer wieder konstatierten pluralen Ausdrucksformen kultureller Gedächtnisse und der darin verwobenen Denkmale nicht leugnen. Zudem drohen archäologische Forschung, Denkmaltheorie und -praxis sowie die verschiedenen Denkmalverständnisse immer wieder bis zur Zerreißprobe auseinanderzudriften. Ein Anzeichen hierfür sind die selbst unter FachkollegInnen nicht selten polemisch geführten Diskussionen um Konservieren und Rekonstruieren oder um Sammlungsstrategien. Wir müssen daher also nicht nur unser Verhältnis zu den Dilettanti immer wieder kritisch hinterfragen, sondern insgesamt unsere z. T. doch sehr elitären Wissenshierarchien zur polyphonen Diskussion öffnen, denn nur so kann Denkmalpflege auf Dauer ihre gesellschaftlich legitimierte Aufgabe wahrnehmen. Vor welchen Herausforderungen man dabei ganz konkret stand / steht und wie diese angegangen wurden, werden bzw. werden könnten, ist jedoch am besten anhand von Fallbeispielen aus unterschiedlichen Perspektiven zu zeigen. Neben wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungen werden dabei in den Artikeln dieses Sammelbands auch ganz aktuelle Aushandlungsprozesse beleuchtet und reflektiert.