Der Saal der schwarzen Feuer
von christoph nellessen1. DAS LEBEN GEFÄHRDET DEN TOD
Du musst richtig leben, damit du besser sterben kannst! Immer wieder schossen Godert von Bourtange diese Wörter durch den Kopf. Du musst richtig leben, damit du besser sterben kannst! Was sollte das überhaupt heißen? Sie waren einfach da. Warum, wusste er nicht. Er wusste nicht, woher sie kamen und fand einfach kein passendes Bild dazu, geschweige denn eine Person, eine Stimme oder ein Schriftstück. Sein Knappe legte ihm gerade den Brustpanzer an; er spürte das immense Gewicht, das ihn nach unten zog, das ihn fast in die Knie zwang. Godert versuchte, sich unter größerem Kraftaufwand zu strecken und machte sich mühsam wieder gerade. Die Nackenwirbel knackten und ihm wurde kurzzeitig schwarz vor den Augen. Er taumelte etwas, als seine Söhne soeben den Raum betraten. Bestürzt kamen sie herbeigelaufen. „Vater, was ist los?“, fragte ihn Heinrich, sein jüngster Sohn. Klaus, der ältere, kam hinzu und wollte ihm unter den Arm greifen. Godert ließ es aber nicht zu und hob lächelnd seine Rechte:
spürte er ihren Blick, der ihm erwartungsvoll folgte, bis er im Treppenabgang verschwand. Godert glaubte ihre letzten und leise gesprochenen Worte mehr zu spüren als zu hören:
ruhig kommen! Auf Männer!“ Die Reiterei setzte sich in Bewegung und nahm ihn und seine Söhne in die Mitte. Sie hielten direkt auf sie zu. Einer der Männer rief plötzlich:
kleinsten Bewegung, aber auch das fiel unendlich schwer. Nach einigen weiteren Versuchen gab er schließlich erschöpft auf und blieb leblos liegen. Er horchte in den Raum hinein und versuchte irgendeinen Klang aufzufangen. Schließlich glaubte er, das leise Knistern eines brennenden Holzscheites zu hören. Aber er war sich nicht sicher. Denn er konnte nicht den geringsten Feuerschein, geschweige denn eine Spur von Licht erkennen. Lange Zeit war es das Einzige, das ihm das Gefühl gab, nicht alleine zu sein. Plötzlich erschrak Godert. Er glaubte, leise Schritte zu hören, die sehr vorsichtig durch den Raum schlichen. Einer Katze gleich und doch noch zu laut, um sie überhören zu können. Er versuchte zu rufen, aber ihm versagte die Stimme. Vergeblich versuchte er, jene Richtung herauszufinden, aus der die Geräusche kamen. Stattdessen spürte er einen ganz feinen Luftzug, der ihn an der Wange berührte. Wie der Saum eines langen und feinen Mantels, aus der edelsten Seide gewoben. Er war sich nicht sicher, aber er glaubte den zarten Duft von Thymian zu erkennen. Abermals versuchte er zu rufen, aber es gelang ihm nicht. Es war, als hätte man ihm den Mund zugenäht. Immer wieder kreisten seine Gedanken um die gleiche Frage:
Helene! Schoss es ihm durch den Kopf und er spürte das erste Mal so etwas wie eine Wärme in sich aufsteigen. Den Namen seiner Frau, hatte er ihn gesagt, oder hatte er ihn nur gedacht? Er wusste es nicht mehr. Tausende Bilder erschienen vor seinem Auge und alles um ihn herum begann sich zu drehen. Plötzlich hörte er seinen eigenen misstönenden Aufschrei und erschrak. Hatte er ihren Namen gerufen? Die Kraft schwand schlagartig und es wurde wieder dunkel. Dagegen loderten die Flammen plötzlich hell auf. Da wusste Godert, was er die ganze Zeit vermisst hatte. Er spürte sein Herz nicht mehr. Also bin ich tot. Aber nicht allein, dachte er und das tröstete ihn sehr. Er hatte sich an ihren Namen erinnern und ihn sagen können. Das war ihm Leben genug. Genug, um nochmals dafür sterben zu wollen. Aus weiter Entfernung hörte er schwach eilige Schritte näherkommen. Über sich sah er schemenhaft drei Gesichter, die sich über ihn beugten, wie durch einen Schleier oder Nebel. „Wer ist Helene? Wie konnte er es bis hierher in das Feuer schaffen?“, flüsterte eine verwunderte Stimme. Das mittlere Gesicht nickte langsam und schien besorgt zu lächeln:
„Also bringen wir ihn doch ins Zimmer des Vergessens und überlassen ihn seinem Schicksal?“, flüsterte leise eine heisere Stimme mit einer nicht geringen Faszination im Unterton, die mit Spannung diesem Verlauf des Gespräches zugehört hatte. Godert lauschte dieser Unterhaltung und hatte kein gutes Gefühl nach den letzten Äußerungen. Er spürte, dass es im Moment nicht gut für ihn aussah. Hilfe suchend schaute er in die Runde und hoffte, Helene unter einer der Kapuzen zu erkennen. Eine der Gestalten beugte sich nun nach vorn und hielt etwas Langes hoch. Godert starrte auf den Gegenstand, der wie durch einen Schleier sehr unförmig wirkte. „Ihr wisst, was das bedeutet?“, fragte die raue Stimme. Die Gestalt zu seiner Rechten, die ihm am nächsten stand, senkte den Kopf und nickte. Er hörte aus dieser Richtung Helenes Stimme mit einem leisen Seufzer, der ihre Hoffnungslosigkeit widerspiegelte, kaum hörbar sagen:
Du musst richtig leben, damit du besser sterben kannst! Immer wieder schossen Godert von Bourtange diese Wörter durch den Kopf. Du musst richtig leben, damit du besser sterben kannst! Was sollte das überhaupt heißen? Sie waren einfach da. Warum, wusste er nicht. Er wusste nicht, woher sie kamen und fand einfach kein passendes Bild dazu, geschweige denn eine Person, eine Stimme oder ein Schriftstück. Sein Knappe legte ihm gerade den Brustpanzer an; er spürte das immense Gewicht, das ihn nach unten zog, das ihn fast in die Knie zwang. Godert versuchte, sich unter größerem Kraftaufwand zu strecken und machte sich mühsam wieder gerade. Die Nackenwirbel knackten und ihm wurde kurzzeitig schwarz vor den Augen. Er taumelte etwas, als seine Söhne soeben den Raum betraten. Bestürzt kamen sie herbeigelaufen. „Vater, was ist los?“, fragte ihn Heinrich, sein jüngster Sohn. Klaus, der ältere, kam hinzu und wollte ihm unter den Arm greifen. Godert ließ es aber nicht zu und hob lächelnd seine Rechte:
spürte er ihren Blick, der ihm erwartungsvoll folgte, bis er im Treppenabgang verschwand. Godert glaubte ihre letzten und leise gesprochenen Worte mehr zu spüren als zu hören:
ruhig kommen! Auf Männer!“ Die Reiterei setzte sich in Bewegung und nahm ihn und seine Söhne in die Mitte. Sie hielten direkt auf sie zu. Einer der Männer rief plötzlich:
kleinsten Bewegung, aber auch das fiel unendlich schwer. Nach einigen weiteren Versuchen gab er schließlich erschöpft auf und blieb leblos liegen. Er horchte in den Raum hinein und versuchte irgendeinen Klang aufzufangen. Schließlich glaubte er, das leise Knistern eines brennenden Holzscheites zu hören. Aber er war sich nicht sicher. Denn er konnte nicht den geringsten Feuerschein, geschweige denn eine Spur von Licht erkennen. Lange Zeit war es das Einzige, das ihm das Gefühl gab, nicht alleine zu sein. Plötzlich erschrak Godert. Er glaubte, leise Schritte zu hören, die sehr vorsichtig durch den Raum schlichen. Einer Katze gleich und doch noch zu laut, um sie überhören zu können. Er versuchte zu rufen, aber ihm versagte die Stimme. Vergeblich versuchte er, jene Richtung herauszufinden, aus der die Geräusche kamen. Stattdessen spürte er einen ganz feinen Luftzug, der ihn an der Wange berührte. Wie der Saum eines langen und feinen Mantels, aus der edelsten Seide gewoben. Er war sich nicht sicher, aber er glaubte den zarten Duft von Thymian zu erkennen. Abermals versuchte er zu rufen, aber es gelang ihm nicht. Es war, als hätte man ihm den Mund zugenäht. Immer wieder kreisten seine Gedanken um die gleiche Frage:
Helene! Schoss es ihm durch den Kopf und er spürte das erste Mal so etwas wie eine Wärme in sich aufsteigen. Den Namen seiner Frau, hatte er ihn gesagt, oder hatte er ihn nur gedacht? Er wusste es nicht mehr. Tausende Bilder erschienen vor seinem Auge und alles um ihn herum begann sich zu drehen. Plötzlich hörte er seinen eigenen misstönenden Aufschrei und erschrak. Hatte er ihren Namen gerufen? Die Kraft schwand schlagartig und es wurde wieder dunkel. Dagegen loderten die Flammen plötzlich hell auf. Da wusste Godert, was er die ganze Zeit vermisst hatte. Er spürte sein Herz nicht mehr. Also bin ich tot. Aber nicht allein, dachte er und das tröstete ihn sehr. Er hatte sich an ihren Namen erinnern und ihn sagen können. Das war ihm Leben genug. Genug, um nochmals dafür sterben zu wollen. Aus weiter Entfernung hörte er schwach eilige Schritte näherkommen. Über sich sah er schemenhaft drei Gesichter, die sich über ihn beugten, wie durch einen Schleier oder Nebel. „Wer ist Helene? Wie konnte er es bis hierher in das Feuer schaffen?“, flüsterte eine verwunderte Stimme. Das mittlere Gesicht nickte langsam und schien besorgt zu lächeln:
„Also bringen wir ihn doch ins Zimmer des Vergessens und überlassen ihn seinem Schicksal?“, flüsterte leise eine heisere Stimme mit einer nicht geringen Faszination im Unterton, die mit Spannung diesem Verlauf des Gespräches zugehört hatte. Godert lauschte dieser Unterhaltung und hatte kein gutes Gefühl nach den letzten Äußerungen. Er spürte, dass es im Moment nicht gut für ihn aussah. Hilfe suchend schaute er in die Runde und hoffte, Helene unter einer der Kapuzen zu erkennen. Eine der Gestalten beugte sich nun nach vorn und hielt etwas Langes hoch. Godert starrte auf den Gegenstand, der wie durch einen Schleier sehr unförmig wirkte. „Ihr wisst, was das bedeutet?“, fragte die raue Stimme. Die Gestalt zu seiner Rechten, die ihm am nächsten stand, senkte den Kopf und nickte. Er hörte aus dieser Richtung Helenes Stimme mit einem leisen Seufzer, der ihre Hoffnungslosigkeit widerspiegelte, kaum hörbar sagen: