Gesammelte Erzählungen II von Paul Bowles | ISBN 9783442309603

Gesammelte Erzählungen II

von Paul Bowles
Buchcover Gesammelte Erzählungen II | Paul Bowles | EAN 9783442309603 | ISBN 3-442-30960-3 | ISBN 978-3-442-30960-3
Leseprobe
Paul Bowles' Gestalten sind Pilger, die im Fremden nach Erlösung suchen - doch sie finden Gewalt, Wahnsinn und Tod. Die gleißende Wüste, der unbewegbare Dschungel sind Landschaften, die innere Leere und die Verwirrung der Gefühle nicht aufheben, sondern tödlich verstärkt zurückspiegeln. Bowles ist eine kühler Beobachter menschlicher Abgründe. Nichts ist außergewöhnlich, nichts ist schockierend, nichts ist zu bedauern oder zu verurteilen. Alles ist so, wie es ist.

Gesammelte Erzählungen II

von Paul Bowles
Paul Bowles, weltberühmt für seine Romane, ist zugleich einer der größten amerikanischen Kurzgeschichtenerzähler des letzten Jahrhunderts. Gore Vidal, der Paul Bowles einmal zu den drei aufregendsten amerikanischen Autoren seiner Zeit gezählt hat, schreibt über den Short-Story-Autor Bowles voller Bewunderung: „Seine Erzählungen gehören zu den besten, die je von einem amerikanischen Schriftsteller geschrieben wurden. Es gibt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur wenige, die auf diesem Gebiet so gut sind wie er.“
Die „Gesammelten Erzählungen II“ versammeln die drei Erzählbände „Midnight Mass“ [„Mitternachtsmesse“] (1981), „Unwelcome Words“ [„New York – Tanger“] (1988) sowie verstreute Erzählungen, die auf deutsch 1993 unter dem Titel „Der ferne Kontinent“ erschienen sind - also allesamt Werke, die Paul Bowles im Anschluß an seine berühmte Erzählsammlung „Collected Stories 1939 –1976“ [„Gesammelte Erzählungen I“] in den achtziger und neunziger Jahren noch veröffentlicht hat. Der Großteil der hier versammelten Stories sind „späte Erzählungen“, d. h. Geschichten, die er nach 1976 geschrieben hat; der Band enthält aber auch nicht genau datierte bzw. datierbare Erzählungen sowie Stories aus den fünfziger und sechziger Jahren, die Bowles nicht in die „Collected Stories I“ mit aufgenommen hatte.
„Mitternachtsmesse“ enthält dreizehn Geschichten, die Paul Bowles nach 1976 geschrieben hat und 1981 erstmals bei Black Sparrow Press veröffentlichte. Es sind ebenso geheimnisvolle wie faszinierende Stories von trancehafter Schönheit und Magie über die rätselhafte, oft grausame Welt des Orients, über den Wandel der Zeiten, den Niedergang der Tradition und über das Grauen, die Abgründe und Fallgruben, die sich jederzeit unter der dünnen Oberfläche des Alltags auftun können.
Demgegenüber sind die meisten Stories von „New York – Tanger“ in den USA angesiedelt. Aber auch sie sind klassische Bowles-Texte, kleine Meisterwerke über Menschen in Ausnahmesituationen, über Gestalten am Rande der Gesellschaft und des Seins. Wie so oft in Bowles‘ Werken geht es auch hier um die Erforschung der Abgründe der Seele und der Existenz. Da ist beispielsweise Julian Vreeden, der eines Tages seine Eltern ermordet, weil sie seine Liebe zur Poesie nicht verstehen wollen. Da ist Hugh Harper, der eine makabre Leidenschaft für Blut hat. Oder da ist der verschrobene Sir Nigel mit seinem exaltierten Faible für marokkanische Mädchen.
Auch die Stories in „Der ferne Kontinent“ spielen an den verschiedensten Schauplätzen. Und auch sie erforschen wieder auf unnachahmliche Weise die Topographie der Seele. Bowles‘ Menschen sind Wesen, die in sich eingeschlossen leben und ein Inseldasein führen; es sind Einzelgänger, umhüllt von Gleichgültigkeit und Einsamkeit. Am vielleicht eindrucksvollsten zeigt dies „Sekou“, die längste Erzählung in „Der ferne Kontinent“. Es ist die Geschichte der Amerikanerin Anita, die nach der Scheidung von ihrem Mann für einige Zeit zu ihrem Bruder Tom, einem Maler, nach Afrika geht. Die Flucht in ein Tal an den Ufern des Niger ist eine Befreiung für sie. Doch schon bald beginnt das Leben in der Fremde sie zu bedrücken. Mysteriöse Vorgänge und merkwürdige Alpträume quälen die junge Frau. Anita verdächtigt Sekou, den „Haushofmeister“, hinter alldem zu stecken. Doch ihr Bruder will davon nichts wissen.
Wie schon Bowles‘ „Gesammelte Erzählungen I“ beschwören auch die in diesem Band vereinten Stories verstörende Begegnungen mit der Fremde in uns und um uns herum. Es sind Geschichten über die Reise in exotische Welten – und ins „innere Ausland der Seele“ (stern), über Identitätskrisen und die Konfrontation mit den dunklen Seiten in uns. Und es sind Geschichten um Angst und Gewalt und Verderben, die an Abgründigkeit den besten Werken von Edgar Allan Poe in nichts nachstehen.