Neue Zürcher Zeitung: »So präsentiert sich der Band
Berlin Hamlet
als ein Diptychon, das mit ›Leichenprunk‹ metaphysische Höhen erklimmt. Biblisches, antikes und jüdisch-chassidisches Gedankengut durchdringt die Verse, die gleichwohl nicht an drastischer Bodenhaftung verlieren. ... Bei allem formalen Können beherrscht Borbély auch die einfache, eingängige Sprache, denn er weiss, wovon er spricht. Die existenzielle Dringlichkeit seiner Gedichte vermittelt sich sofort und schmerzlich, man kann sich ihr nicht entziehen.«
Deutschlandfunk: ›Es war, als sollte die Scham ihn überleben‹, heißt es einmal bei Kafka, die Scham nämlich, dass dies die Weltordnung sei. Borbelys Texte stellen sich der Scham, leise, subversiv - und epochemachend in der ungarischen Dichtung.
Tip Berlin: Borbély mag tot sein, seine Dichtung aber lebt wie kaum eine andere.
Der Tagesspiegel: Fünf Jahre nach seinem Suizid im Alter von 50 Jahren ist noch immer ein Poet zu entdecken, den Kenner für den bedeutendsten ungarischen Lyriker des 21. Jahrhunderts halten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung: Borbély hat eine kunstvolle kalte, in ihrer Strenge hochpoetische Sprache gefunden, um gegen das Verstummen anzuschreiben.
Berlin Hamlet
Gedichte
von Szilárd Borbély, herausgegeben von Heike Flemming, aus dem Ungarischen übersetzt von Heike FlemmingSzilárd Borbély, der vor einigen Jahren mit seinem Roman Die Mittellosen international Aufsehen erregte, gilt als der bedeutendste ungarische Lyriker seit 1989. Erstmals liegen nun zwei Gedichtzyklen auf Deutsch vor: Zustandsbeschreibungen eines wahrnehmungssensiblen Ich, das in ruhigem Parlando über sich und seine Umgebung reflektiert ( Berlin-Hamlet ), und ein formstrenges Brevier von Trauergedichten, die auf ein ungesühntes Verbrechen eine Antwort suchen ( Leichenpomp ).
Ein mitteleuropäischer Flaneur streift durch das aufgerissene, im Umbruch begriffene Berlin der neunziger Jahre, sein Blick folgt dem Flugzeug über der Hermannstraße im Landeanflug auf Tempelhof, verirrt sich im Gewirr bunter Rohrleitungen über den Ausschachtungen, im Wald der Kräne am Potsdamer Platz. Gattungsbezeichnungen wie Allegorie, Brief, Epilog und Fragment, Zitate aus Shakespeare-Sonetten, aus Benjamins Passagenwerk und Kafkas Briefen an Felice verbannen die Stadtansichten in die Kulisse – es ist ein urbaner metaphysical poet , besessen vom Gedanken der Vergänglichkeit.
Der gewaltsame Tod der Eltern, die einem Raubmord zum Opfer fielen, und die Vernichtung der ungarischen Juden wurden zu Borbélys Lebensthema. In Leichenpomp greift er auf dichterische Formen katholischer Frömmigkeit und auf chassidische Legenden zurück, um dem Unerträglichsten einen Ausdruck abzuringen, der jegliche Erlösungsbotschaft verneint.