David, das vergessene Kind von Helmut Lauschke | Zwischen Turm und Graben | ISBN 9783754102701

David, das vergessene Kind

Zwischen Turm und Graben

von Helmut Lauschke
Buchcover David, das vergessene Kind | Helmut Lauschke | EAN 9783754102701 | ISBN 3-7541-0270-2 | ISBN 978-3-7541-0270-1

David, das vergessene Kind

Zwischen Turm und Graben

von Helmut Lauschke
Es war ein kleiner Junge von magerem Körperbau, der zurückgelassen und verloren auf dem Bahnsteig stand und von einer Frau in Wehrmachtsuniform aufgelesen wurde. „Junge, hier in der Kälte kannst du nicht bleiben“, sagte die Frau, hob ihn auf und trug ihn in einen kleinen Raum, der beheizt war. „Auf wen wartest du?“, fragte sie. „Auf meine Eltern, sie sind ohne mich mit dem Zug abgefahren“, sagte der Junge. „Wie heißt du denn?“, fragte sie. „Ich heiße David.“ Die Frau in Uniform: „Und woher kommst du?“ Junge: „Wir sind auf dem Lkw aus dem Dorf in die Stadt und zu Fuß zum Bahnhof gebracht worden, wo wir auf dem Bahnsteig zu warten hatten.“ David: „Zwei Dinge beherrschen die Landschaft, es sind die Türme und die Gräben. Bei den Türmen unterscheiden sich die Kirchtürme von den Wach- und Schießtürmen und bei den Gräben sind zum einen die Gräben der militärischen Verteidigung und zum andern die Gräben zum Auffüllen mit erschossenen Männern, Frauen und Kindern. Es ist das Landschaftsbild der Trostlosigkeit, der Verworfen- und Verlorenheit und der Schande durch Arroganz und den Mangel an Brot und Menschlichkeit.“ Professor David Blumenthal: “Es war die Zeit der großen Prozesse der fünfziger und sechziger Jahre um die Geschehnisse von Auschwitz. Da ging es zum einen um die inhaftierten Menschen, die das Konzentrationslager überlebt hatten und zum andern um die anderen Menschen, die die Täter in den Lagern waren, sei es als Lagerleiter, “Lagerarzt”, Aufseher oder sonst eine Hilfsperson. Bei diesen Prozessen gab es große Probleme beim Berichten, was im Lager abgelaufen war. Der Zugang zur Seele geht durch eine Tür, die nach einem besonderen Schlüssel verlangt, um sie aufzuschließen. Eine außergewöhnliche Frau gab das Wort “Seelenaufschließer”. Diese Frau hat zur Zeit der Judentransporte nach Auschwitz mir das Leben gerettet, als sie mich als vergessenes Kind vom Bahnsteig holte und zu sich in ihr kleines Hinterhaus nahm und mir zu essen und einen Platz zum Schlafen gab.”