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Erik der Rote oder Die Suche nach dem Glück
von Tilman RöhrigDer spannende Wikingerroman rund um Erik den Roten, den Entdecker Grönlands. Eine packende Erzählung über Liebe, Tod, Verrat und die Suche nach Glück vor dem Hintergrund der aufkeimenden Auseinandersetzung zwischen dem Glauben an die nordischen Götter und dem Christentum. Wie für jeden Wikinger ist auch für Erik den Roten die Suche nach Land, das noch keinem gehört, der Weg zum Glück. Bisher schien das Schicksal sich immer wieder gegen die Pläne Eriks zu wenden: Der Hof seines Vaters im kargen Norden Islands bedeutete stets Hunger und Not; vom Land im Süden wird er durch Aussagen falscher Zeugen vertrieben, die ihn eines Mordes beschuldigen. Doch Erik trotzt allen Widrigkeiten, zusammen mit seiner Frau Tjodhild und seinem treuen Freund Tyrkir. Der Bannspruch der Richter treibt Erik schließlich aufs offene Meer und macht ihn zum Entdecker Grönlands. Wird er dort endlich das erhoffte Glück für sich und seine Familie finden? Nach dem Erfolgsroman ROBIN HOOD - SOLANG ES UNRECHT GIBT liegt nun ein weiteres brillant erzähltes Werk des vielfach ausgezeichneten Autors Tilman Röhrig vor, der hier auf der Grundlage alter Quellen die Welt der nordischen Wikinger lebendig werden lässt. Eine Welt, deren Ende vorgezeichnet ist, als Leif, der Sohn Eriks, das Christentum nach Grönland bringt und in die Neue Welt, nach „Vinland“, aufbricht. INTERVIEW DES VERLAGES MIT TILMAN RÖHRIG: Sie haben in Ihren Romanen schon häufig historische Stoffe verarbeitet. Wie sind Sie auf Erik den Roten gekommen, was hat Sie persönlich an der Figur Eriks fasziniert? Ich denke viel über außergewöhnliche Gesellschaftsformen und -ordnungen in unserer europäischen Geschichte nach. Das ist einer meiner Wege, um mir selbst über Bausteine und Strukturen der heutigen Zeit klarer zu werden. Natürlich gehört die Wikingerzeit dazu, von der alle glauben sie zu kennen und die doch den meisten nur in Bildern aus Hollywood-Produktionen gegenwärtig ist: Also hörner-bewehrte Helme - welch ein Unsinn - und darunter stecken saufende, plündernde Raufbolde, von denen jeder einen halben Ochsen alleine verschlingen kann. Sie segeln mit ihren Drachenschiffen über die Meere, beten zu Odin und fluchen im Namen Thors oder lassen sich von Zauberinnen die Zukunft weissagen. Mehr nicht, und dies ist, so meine ich, viel zu wenig. Die Wikingerzeit setzte im ausgehenden achten Jahrhundert ein. Sie war ein Naturereignis, das über Europa und den Osten hinwegraste, die damalige Welt prägte und zweieinhalb Jahrhunderte andauerte. In den Sagas traf ich auf Erik den Roten. Schnell wurde mir klar: Er ist für mich die schillerndste Gestalt dieser nordischen Gesellschaft. Kein Held, sondern fragwürdig, unangepasst und besessen von der Sehnsucht, für sich und seine Familie das Glück zu finden. In seinem Leben spiegelte sich die ganze Wikingerzeit, sei es Recht und Gesetz, Götterglaube und Christentum, Ehrsucht und Rache; er war Kämpfer, Bauer und Herrscher; er suchte, versagte und gab nicht auf. Kurzum: Erik ist aus dem Stoff meiner Romanfiguren, die ich gerne jahrelang begleite. Sie sind ein Autor, der gründlich recherchiert. Wie sahen Ihre Recherchen für diesen Wikingerroman aus? Zwei Jahre habe ich an diesem Roman gearbeitet; eines davon mit der Recherche verbracht. Sie beschränkte sich nicht allein auf das Lesen der Sammlung Thule und das Studium oft recht trockener, wissenschaftlicher Arbeiten. Nein, ich musste reisen, die Orte meiner Handlung kennenlernen. Natürlich war ich in Haitabu bei Schleswig, in Dänemark, Schweden und Norwegen. Ich wanderte durch Island, stand auf Ruinen, stieg hinauf zum Schneefelsgletscher, sah die hellen Nächte, erlebte Regen und Stürme. Wie weit ist Ihre Geschichte Eriks Fiktion und in wie weit geht sie auf die historischen Tatsachen zurück, auf die Sie bei Ihren Recherchen gestoßen sind? Erik, der Grönland entdeckte, wie auch sein Sohn Leif, der Amerika im Jahre 1000 entdeckte, sind historische Gestalten. Nicht allein das Denkmal der beiden in Reykjavik bürgt dafür. Ich fand im Nordwesten Islands die Ruinen des Erikhofes, die Thingstätten und vieles mehr. In der Sammlung Thule wird das Leben Eriks auf wenigen Seiten dargelegt. Aus diesem Bericht und auf dem Hintergrund meines Wissens über die Wikingerkultur, konnte dann dieser Roman erblühen. Sie unterbrechen die Romanhandlung durch sogenannte „Runensteine der Erinnerung“, auf denen Sie in einer Zeittafel historisch belegte Tatsachen nennen, ohne dass diese Ereignisse einen direkten Bezug zu den Geschehnissen Ihres Romans bekommen. Was hat Sie bewogen, beides nebeneinander zu stellen? Die Wikinger kannten nicht die Zeitrechnung, wie sie in den südlicheren Teilen Europas üblich war. Ein Problem für mich, den Romanschreiber, denn der Leser sollte die Handlung zeitlich einordnen können. Meine „Runensteine der Erinnerung“ helfen ihm, sich auf der Reise zurecht zu finden. Zunächst begleiten ihn die Zeitleisten, scheinbar ohne direkten Bezug, doch sie berichten vom immer näher kommenden Christentum mit all seinen schreckhaften Auswüchsen. Dann schneidet der Christenglaube in die Handlung ein. Das vorher nur nützlich Informierende wird zur Wegscheide für Erik und seine Familie. Dieser Kunstgriff entsprach meinem literarischen Wollen mehr, als eine gewöhnliche Zeittafel an den Schluss des Buches zu setzen. In Ihrem Roman spielt auch die germanische, besser gesagt die nordische Mythologie eine wichtige Rolle. Ungewohnt in der deutschen Literatur nach dem Missbrauch durch die Nationalsozialisten. Ja, aber dafür wurde es endlich Zeit. Wie kann etwas über Wikinger geschrieben werden, ohne dass man sich mit den Bildern der Göttermythen beschäftigt? Ob Erik oder Thjodhild, für meine Romanfiguren existiert Walhall, sie kennen den Urriesen Imir, die nordische Schöpfungsgeschichte und glauben an die Kraft Thors, Odins oder Freyas. Ich denke, mehr als fünfzig Jahre nach Hitler, an der Schwelle zum neuen Jahrtausend, sollten wir das heimliche Tabu aufgeben und uns ohne Scheu wieder den aufregenden Kultsagen der germanischen, bzw. nordischen Götter zuwenden, so wie wir uns auch mit den griechischen und arabischen Mythen beschäftigen. Sonst gerät viel Wertvolles in Vergessenheit. Im Übrigen wurde dies längst schon eifrig in der Fantasy-Literatur geübt. Viele dieser Schriftsteller schöpften Wundersames und Geheimnisvolles aus der Edda, ummäntelten ihre Quelle aber geschickt mit den Mitteln ihres Genres. In meinem Roman verwebe ich alte Bräuche, lasse den hinterlisten Quertreiber Loki die Ordnung in Walhall durcheinanderbringen und Freya auf ihrem Katzenwagen fahren. Für Heldisches der Nazis habe ich in meinem Denken und Schreiben wahrhaftig keinen Platz. Es ist anzunehmen, dass Sie den Roman zu Beginn des Projektes noch nicht fertig vor Augen hatten. Haben Sie im Laufe der Recherchen oder während des Schreibens „Überraschungen“ erlebt? Ich kann keine Romanhandlung solchen Ausmaßes ohne genauen Plan angehen. Wie Fixsterne kannte ich lediglich die Knotenpunkte der Geschichte, auf diese Zwischenziele musste ich hinarbeiten. Überraschungen gab es auf dem Weg unzählige. Woher sollte ich wissen, wie schwer Tyrkir im Kampf verletzt wird; woher wissen, wie lange Thjodhild in den Wehen liegt, welches Wetter bei der Flucht vorherrscht? Oft bedeutete es Mühe, den Fluss der Handlung wieder in die notwendige Richtung zu lenken. Die Arbeit an einem Roman ist für mich aufregend und verlangt eine Konzentration, wie sie ein Schachspieler benötigt, der zehn Partien blind und simultan meistert. Hatten Sie von vornherein geplant, nicht nur Eriks Geschichte zu verfolgen, sondern sich in besonderem Maße auch seinem Sohn Leif zuzuwenden? Da es Zeit war, sich endlich mit den Wikingern und ihrem Leben zu beschäftigen und nicht nur eine Episode von Seefahrt und Überfällen zu erzählen, hatte ich mir gleich vorgenommen eine große Generationengeschichte zu schreiben. Wie verändert sich das Angefangene, wohin fließt der Strom einer Entwicklung? Nur so kann der Leser mitleben, er kann teilhaben an Geburt, Hochzeit und Sterben, er wird sich fürchten vor dem Kampf und bangen um das Glück seiner Lieben. Neben die Familie Eriks des Roten stellen Sie seinen Freund Tyrkir als eine der tragenden Figuren. Welche Funktion übernimmt er? Tyrkir, der Deutsche, den seine versklavte Mutter schon als Kind umtaufte, damit er sich in der Wikingergesellschaft leichter zurechtfinden sollte - er ist der kluge, gebildete Mann. Von seiner Herkunft ist es ihm gegeben, über den Horizont hinwegschauen zu können. Er ist nicht verhaftet in dem oft fatalen Kreislauf von Ehre-Rache-Sühne, der beinah zwangsläufig neue Ungerechtigkeit hervorbringt. Tyrkir wird trotz seiner Fehler zur Chance für den in der Tradition verhafteten Erik. Haben Sie eine oder mehrere Lieblingsfiguren in Ihrem Roman? Haben sich Ihre Sympathien im Laufe des Schreibens verändert? Die große Lieblingsfigur ist mein Tyrkir, beinah gleichwertig sehe ich Thjodhild, den Erik und Leif. Als Schriftsteller bin ich mit meiner Leidenschaft auch der Handlung unterworfen. So blieb es nicht aus, dass ich mich ärgerte über Dummheit, zornig wurde bei Übereifer und menschlicher Nachlässigkeit. Dies veränderte zwangsläufig den Pendelausschlag meiner Sympathien. Wie sehen Sie die Frauengestalten des Romans? Die Wikingerfrau hatte zweifelsfrei das Sagen im Haus, war vom Gesetz schon mit Rechten ausgestattet, die zum Teil heute noch von Frauen unserer Gesellschaft erstritten werden müssen. Meine Thjodhild, pardon die Frau Eriks, ist sicher keine strahlende Heldin mit eben solch strahlender Botschaft, aber sie wagt sich vor. Thjodhild setzt sich über Regeln hinweg, weist Erik auf dessen Fehler hin, zwingt ihn gar vom Schwarz-Weiß-Denken teilweise abzulassen und nach einem Kompromiss zu suchen. Dabei zeigt sie selbst Schwächen, ich denke da an ihre heimliche Liebe zu Tyrkir, nie aber wird sie zur Feindin ihres Mannes. In Hallweig, ihrer Freundin, in der Magd Katla, in der Tochter Freydis spiegeln sich unterschiedliche Frauengestalten der Wikingerzeit; den außergewöhnlichen Frauen, den Völvas, nähere ich mich in den Zauberinnen Thorgunna und Trude, hier streiten eine christliche und eine heidnische Heilkundige in sicher prallen, lustvollen Kapiteln miteinander und Tyrkir hat seine liebe Not den verführten Ziehsohn Leif vor Schaden zu bewahren. Hätten Sie selbst gerne als Wikinger gelebt? Leicht geantwortet, würde ich sagen: Nein, ich trinke lieber Rotwein, rauche meine Pfeife oder eine gute Zigarre und freue mich an mediterranem Essen. Genauer besehen bleibe ich bei dem Nein, denn auch ich will nicht zurück. Wäre ich aber ein Wanderer in der Zeit und dürfte mein heutiges Wissen mitbringen, so wäre es schon aufregend an dem großen Allthing teilzunehmen und für Vergebung und Nachsicht zu werben.