Mikrowellenplasmagestützte Prozessentwicklung zur Herstellung von Funktionsgradientenhartmetallen für die CVD-Diamantbeschichtung von Manuel Mee | ISBN 9783844051612

Mikrowellenplasmagestützte Prozessentwicklung zur Herstellung von Funktionsgradientenhartmetallen für die CVD-Diamantbeschichtung

von Manuel Mee
Buchcover Mikrowellenplasmagestützte Prozessentwicklung zur Herstellung von Funktionsgradientenhartmetallen für die CVD-Diamantbeschichtung | Manuel Mee | EAN 9783844051612 | ISBN 3-8440-5161-9 | ISBN 978-3-8440-5161-2

Mikrowellenplasmagestützte Prozessentwicklung zur Herstellung von Funktionsgradientenhartmetallen für die CVD-Diamantbeschichtung

von Manuel Mee
Hartmetall ist der vorherrschende Werkstoff in der zerspanenden Industrie. Mit über 60% Anteil dominiert dieser den Weltmarkt für Schneidwerkstoffe, allein auf die Werkzeugbestückung für die Zerspanung entfallen 65% (48 kt in 2011) der weltweiten Hartmetallproduktion. Eine enorme Steigerung des Standvermögens ist durch geeignet Beschichtungen möglich. Bei der Bearbeitung hochabrasiver Werkstoffe ist oftmals Diamant, insbesondere aufgrund seiner herausragenden Härte, anderen Beschichtungen vorzuziehen. Cobalt, das im Hartmetall das Wolframkarbid (WC) bindet, forciert jedoch durch Wechselwirkungen mit dem Beschichtungsprozess sowie dem bereits synthetisierten Diamanten die Bildung von sp2-gebundenem Kohlenstoff, wodurch die Schichthaftung maßgeblich beeinträchtigt wird. Um eine zufriedenstellende Adhäsion der Beschichtung zu gewährleisten, ist daher eine Vorbehandlung unausweichlich. Gängig ist ein nasschemischer Ansatz, bei dem das Cobalt in der Randzone geätzt wird. Dies wirkt sich allerdings negativ auf die Bruchzähigkeit des freigelegten WC-Gefüges aus, das besonders unter dynamischer Belastung anfällig für Degradationserscheinungen wird. Alternative Bemühungen basieren auf unterschiedlichen Ansätzen, um das Cobalt entweder an der Diffusion zu hindern, oder durch Strukturierung der Oberfläche eine hinreichende mechanische Verankerung der Schicht zu erreichen. In dieser Arbeit wurden daher auf unterschiedlichen Ansätzen basierende Lösungen erarbeitet und mit einem mikrowellenplasmagestützten Verfahren methodenübergreifend umgesetzt. Auf diese Weise konnten die Einflussgrößen der Schichthaftung im Rahmen eines Aggregationsansatzes in systemischer Vollständigkeit berücksichtigt werden.
Dies gelingt durch Transformation der Hartmetalloberfläche in eine kohlenstoffarme ternäre Struktur (eta-Phase, z. B. Co3W3C, Co6W6C,…), die anschließend wieder mit Kohlenstoff angereichert wird. Dabei konnte gezeigt werden, dass sich das Cobalt größtenteils kohlenstoffgestützt evaporieren, und die oberflächennahe WC-Struktur rekristallisieren lässt. Auf diese Weise lassen sich die Stabilität und Bruchzähigkeit, sowohl gegenüber dem nasschemischen Verfahren, als auch gegenüber dem Ausgangszustand, koinzident steigern. Die erzeugte Oberflächenstruktur ist dabei über einen weiten Bereich einstellbar.
Eine Plasmadichte, wie sie unter Resonanzbedingungen vorliegt, erweist sich als zweckmäßig, um durch geeignete Prozessführung die Behandlungszeit auf ein Minimum zu reduzieren und gleichzeitig die Ausbildung eines Gradienten des interstitiell im Wolfram eingelagerten Kohlenstoffs im Bereich der rekristallisierten Randzone zu bewirken. Eine Konsequenz dessen ist eine Benetzung der Oberfläche durch Cobalt, und ein Verbleib der eta-Phase in den Korngrenzen unterhalb der Oberfläche. Zudem konnte erstmals gezeigt werden, dass Cobaltwolframat (CoWO4) geeignet ist, um die Cobaltphase zu stabilisieren. Durch eine gezielte Anpassung der Prozessparameter ist es gelungen nach abgeschlossener Rekristallisation, unter Wahrung der zuvor bewirkten Oberflächenoptimierung, die in den Korngrenzen verbliebene eta-Phase selektiv zu Cobaltwolframat zu transformieren. Dadurch wird eine nahezu vollständige Unterdrückung der Cobaltdiffusion erreicht, wenngleich die verbleibende Cobaltbenetzung der WC-Körner an der Oberfläche weiterhin ein rein adhäsives Schichtversagen zur Folge hat. Auch lässt sich die Stabilität der auf CoWO4 beruhenden Diffusionsbarriere durch Wechselwirkungen mit dem anschließenden Beschichtungsplasma nicht aufrechterhalten. Darauf aufbauende Untersuchungen haben ergeben, dass beide Einschränkungen mit einer zusätzlichen, für die Haftvermittlung ausgelegten Siliziumoxikarbonitridschicht behoben werden können.
Durch Optimierung des Beschichtungsprozesses ließ sich mit Hilfe einer sauerstoffgestützten Prozessführung die Sensitivität hinsichtlich der im Vorfeld durch Bekeimung geschaffenen Keimbildungszentren drastisch steigern, was sich entsprechend auf die tatsächliche Kontaktfläche zwischen Diamantschicht und Substrat auswirkt. Zudem ermöglicht der sauerstoffgeführte Prozess wesentlich geringere Beschichtungstemperaturen im Vergleich zum Standardprozess. Dies wirkt sich, aufgrund der unterschiedlich thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Hartmetall und Diamant, positiv auf die zumeist sehr hohen Druckspannungen in der Schicht aus.
Zur Bewertung der Leistungsfähigkeit sämtlicher zugrunde liegender Entwicklungsstufen wurden im Vorfeld das nasschemische Verfahren hinsichtlich der verwendeten Hartmetallsorte untersucht und optimiert, um als Referenz herangezogen werden zu können.
Durch Quantifizierung der Cobaltnachdiffusion, während der Beschichtungsroutine im Anschluss an die jeweilige Vorbehandlung, lassen sich zudem Rückschlüsse hinsichtlich der Wirksamkeit entsprechender Maßnahmen zur Unterbindung von Cobalt/Diamant-Wechselwirkungen ziehen, aufgrund dessen eine Bewertbarkeit der Einflussgrößen erst möglich war, zumal festgestellt werden muss, dass bislang zumeist auf einen quantifizierbaren Nachweis der tatsächlich erreichten Unterdrückung nachträglicher Co-Diffusion verzichtet wurde. Dieser Nachweis gelingt sowohl über eine siliziumdotierte DLC-Beschichtung, um an der Oberfläche austretendes Cobalt aufzufangen, als auch auf Basis einer Bewertung der Raman-Spektren bezüglich der Auswirkungen des nachdiffundierenden Cobalts auf die synthetisierte Diamantstruktur. Das Ergebnis ist eine signifikante Steigerung der Schichthaftung. Dabei erweist sich insbesondere die Kombination aus Diffusionsbarriere und Haftschicht haftungsfördernd, die für sich allein genommen bereits eine Steigerung der lateralen Risszähigkeit um nahezu 40% bewirken. Im Zusammenspiel mit der Oberflächenrestrukturierung ist es damit gelungen, eine für die CVD-Diamantbeschichtung funktionsoptimierte Randzone zu entwickeln, die einer nasschemisch behandelten Hartmetalloberfläche deutlich überlegen ist. Sämtliche Prozessschritte der Behandlungsroutine erfolgen unterbrechungsfrei und konnten auf eine Prozesszeit von weniger als 30 Minuten reduziert werden. Verglichen mit bisherigen thermochemischen Ansätzen ist dies ein Bruchteil der bislang erforderlichen Behandlungsdauer. Folglich liegt ein Funktionsgradientenhartmetall vor, das das Potential birgt, in Verbindung mit einer Diamantbeschichtung, dem Belastungskollektiv unterschiedlichster Anwendungen zu widerstehen.