Das keramische System Na2O – BaO – Al2O3. Phasenbestand, Gefüge und elektrische Leitfähigkeit. von Matthias Lehmann | ISBN 9783868443233

Das keramische System Na2O – BaO – Al2O3. Phasenbestand, Gefüge und elektrische Leitfähigkeit.

von Matthias Lehmann
Buchcover Das keramische System Na2O – BaO – Al2O3. Phasenbestand, Gefüge und elektrische Leitfähigkeit. | Matthias Lehmann | EAN 9783868443233 | ISBN 3-86844-323-1 | ISBN 978-3-86844-323-3
Inhaltsverzeichnis

Das keramische System Na2O – BaO – Al2O3. Phasenbestand, Gefüge und elektrische Leitfähigkeit.

von Matthias Lehmann
Keramiken aus den beiden binären Systemen Na2O – Al2O3 und BaO – Al2O3 sowie dem ternären System Na2O – BaO – Al2O3 wurden hinsichtlich ihres Phasenbestandes, ihres Gefüges und ihres spezifischen elektrischen Widerstandes untersucht. Der Phasenbestand wurde mittels Röntgenbeugung und anschließender Rietveld-Verfeinerung der Diffraktogramme quantitativ bestimmt. Die Gefügeuntersuchungen erfolgten mittels REM- und STEM-Unter-suchungen. Der spezifische elektrische Widerstand wurde in Gleichstrommessungen bestimmt. Die Untersuchungen hatten zum Ziel, herauszuarbeiten, warum die Zugabe von Barium zu mit Natrium verunreinigten Al2O3-Keramiken deren elektrischen Widerstand deutlich zu erhöhen vermag. Keramisches Al2O3 wird aufgrund seines hohen elektrischen Widerstandes selbst bei erhöhten Temperaturen (1 MΩm bei 800°C) als elektrisches Isolationsmaterial verwendet. Natriumverunreinigungen setzen diesen Wert jedoch deutlich herab. Die Zugabe von Barium stellt die gewünschten elektrischen Eigenschaften annähernd wieder her. Im Gegensatz zu Elektroporzellan, bei dem die Zugabe von Barium den elektrischen Widerstand ebenfalls erhöht (so genannter Mixed-Alkali-Effekt), war die Wirkweise des Bariums in Al2O3-Keramiken noch nicht verstanden.
Die Keramiken wurden aus Pulvermischungen von BaCO3, Na2CO3 und nanokristallinem Al2O3 hergestellt. Nach vierstündigem Attritieren, Trocknen und Granulieren wurden die Pulvergemische mit 500 MPa uniaxial gepresst. Diese Pulverpresslinge wurden dann mit einer Maximaltemperatur von 1400°C für maximal 30 Stunden gesintert. Das Aufheizen geschah mit 10 K pro Minute, wobei bei 500°C und 800°C Haltephasen eingebaut wurden, um ein Ausgasen der Proben zu ermöglichen. Um die Entwicklung des Phasenbestandes und des keramischen Gefüges zu untersuchen, wurden Proben dem Sinterprozess nach unterschiedlichen Zeiten entnommen.
Der Endphasenbestand von Keramiken des binären Systems BaO – Al2O3 bestand aus Ba-β-Al2O3 und α-Al2O3. Er wurde nach ca. vierstündiger Sinterung bei 1400°C erreicht. Als Zwischenprodukt wurde Ba-Monoaluminat gebildet, welches mit Al2O3 weiter zu Ba-β-Al2O3 reagierte. Ba-β-Al2O3 konnte erst nach zweistündiger Sinterung bei 1400°C nachgewiesen werden. Eine amorphe Korngrenzphase konnte nicht nachgewiesen werden. Das Gefüge der Keramiken zeichnete sich durch eine sehr feinkörnige und poröse Al2O3-Matrix aus (Korngrößen um ca. 200 nm), in der die tafel-/plättchenförmigen Ba-β-Al2O3-Kristalle eingelagert waren. Diese zeigten ein beachtliches Kornwachstum und erreichten Durchmesser von bis zu 15 µm. Keramiken mit 7,5 Gew% BaO hatten mit knapp 108 Ωm bei 600°C die höchsten spezifischen elektrischen Widerstände aller untersuchten Materialien.
Keramiken des Systems Na2O – Al2O3 zeigten hierzu deutliche Unterschiede. Die Sinterkinetik war wesentlich schneller. Der Endphasenbestand wurde schon nach ein bis zwei Stunden erreicht und umfasste neben α-Al2O3 noch Na-β-Al2O3, Na-β“-Al2O3 und eine amorphe Phase. Die Bildung von sowohl Na-β-Al2O3 als auch Na-β“-Al2O3, d. h. von univarianten Dreiphasengleichgewichten, widerspricht der Phasenregel in einem Zweikomponentensystem. Unter Umständen handelt es sich hierbei nicht um ein Phasengleichgewicht im eigentlichen Sinne, sondern um koexistierende Domänen der beiden Betaaluminate in gemeinsamen Körnern. Das keramische Gefüge zeichnet sich durch eine hohe Porosität und Feinkörnigkeit aus. Weder das α-Al2O3 noch die Na-Betaaluminate zeigen deutliches Kornwachstum. Letztere erreichen Korngrößen bis ca. 1 µm. Eine Natriumanreicherung an den Korngrenzen konnte nachgewiesen werden. Die spezifischen elektrischen Widerstände der Keramiken liegen zwischen 600 und 800°C bei ca. 200 Ωm.
Im ternären System Na2O – BaO – Al2O3 konnte röntgenographisch die bisher noch nicht beschriebene Phase Ba/Na-β-Al2O3 nachgewiesen werden. Diese Phase ist in ihrer Kristallstruktur dem Ba-β-Al2O3 sehr ähnlich, baut aber neben Barium auch Natrium in die Leitebene ein. Die Sinterkinetik dieses Systems ist der des vorher beschriebenen binären sehr ähnlich. Nach einer Stunde ist der Endphasenbestand von α-Al2O3 und Ba/Na-β-Al2O3 erreicht. Auch eine amorphe Phase und eine Natriumanreicherung an den Korngrenzen konnten nachgewiesen werden. Ausgeprägtes Kornwachstum ist auch hier nicht zu beobachten. Das Ba/Na-β-Al2O3 erreicht Korngrößen von ca. 1 µm. Mit ca. 200 – 1000 Ωm bei 800°C liegen die Widerstandswerte etwas über denen der Keramiken des Systems Na2O – Al2O3. Den höchsten spezifischen elektrischen Widerstand im ternären System hatten Keramiken mit 1 Gew% Na2O und 7,5 Gew% BaO. Diese Materialien enthielten nicht nur das meiste Barium, sondern hatten auch das höchste Barium-Natrium-Verhältnis.
Dass die Zugabe von Barium zu Natrium-verunreinigten Keramiken deren elektrischen Widerstand erhöhen kann, liegt somit an mehreren Einflüssen. Zum einen bildet sich eine Mineralphase, die sowohl Barium als auch Natrium einbaut und dadurch die Beweglichkeit des Natriums verringert wird. Ba/Na-β-Al2O3 fängt das Natrium gewissermaßen ab. Weiterhin kann die Bildung einer amorphen Phase bzw. Korngrenzphase bei genügend hoher Bariumkonzentration unterdrückt werden, so dass die Korngrenzen- bzw. Oberflächendiffusion minimiert wird. Damit Barium den Einfluss von Natrium aber wirksam minimieren kann, muss ein deutlicher Bariumüberschuss vorhanden sein.