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Gerade noch so durchgeschloffen
von Walter StallingerSEGMENTE - „Gerade noch so durchgeschloffen“. Ich nehm' mich an die Hand und geh mit mir spazieren. Wie Mitesser werden Erinnerungen aus der porösen und faltigen Haut der Gegenwart herausgequetscht. Sie leben in uns wie kaum bemerkte, aber lebensnotwendige Parasiten, unterschwellig, ungeliebt zuweilen, mit einem fast magischen Eigenleben. Reflexionen verschachteln sich, münden in Episoden, deren Inhalte nur aus dem Erleben einen vermittelbaren Sinn ergeben. Im scheinbaren Chaos von Nacheinander, dem Dazwischen und der Überlagerung von Gleichzeitigkeiten öffnet sich die Wiederholbarkeit von Erlebnissen, wenn sie in das passende Verhältnis zu den Lebensumständen rücken. Als ein ständiger Wechsel gewesener Ereignisse, schwankend zwischen Tatsachen, erhofftem Geschehen und wirklich gewordenen Möglichkeiten, können Erinnerungen kein getreues Abbild von Vergangenem sein. Immer mischt sich in hinterhältiger, aber unvermeidbarer Weise ein Abschnitt der Gegenwart ein. Eben ein Segment des persönlichen Lebens. Erinnerungen werden sortiert. Solche Rückblenden formen vergangene Tatsachen recht eigenwillig aufs Neue, verschlucken die chronologische Abfolge, vermengen Persönliches mit dem Allgemeinen. Sie werden intim, verdrängen, verleiten zum Fabulieren, Vertuschen und Erhellen, zerlegen wie ein Skalpell die gewesene Mannigfaltigkeit in wieder gegenwärtige Einzelheiten. Dabei ist das Gedächtnis manchmal barmherzig. Es lässt Lücken zu. Manchmal überspringt es im Zickzack die Zeit, oder man befindet sich in einer scheinbar wiederholenden Lebensschleife. Aber ist die präzise Chronologie überhaupt von Bedeutung? Unterliegen wir einem Detailzwang? Oder zählt mehr der Zusammenhang, aus welchem Wirkungen, Ergebnisse, Zustände und Schlüsse erwachsen? Fragen, die sich jeder Leser selbst beantworten mag. Auf jeden Fall: Immer „gerade noch so durchgeschloffen“!