»... melde ich mich hiermit als von den Nazis Geschädigter ...« von Reinhard Rohde | Frühe Berichte von der Verfolgung in Celle | ISBN 9783895349805

»... melde ich mich hiermit als von den Nazis Geschädigter ...«

Frühe Berichte von der Verfolgung in Celle

von Reinhard Rohde und Tim Wegener
Mitwirkende
Autor / AutorinReinhard Rohde
Autor / AutorinTim Wegener
Buchcover »... melde ich mich hiermit als von den Nazis Geschädigter ...« | Reinhard Rohde | EAN 9783895349805 | ISBN 3-89534-980-1 | ISBN 978-3-89534-980-5
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Inhaltsverzeichnis
Beschreibung 1
Leseprobe

1. Einwohner Celles
2. NS-Historiker
3. Landeshistoriker Niedersachsens

Siebeneinhalb Jahre lang haben der Politikwissenschaftler Reinhard Rohde und der Historiker Tim Wegener über Akten gesessen und diese ausgewertet. Herausgekommen ist ein 424 Seiten starkes, gebundenes Buch, das weit über Celle hinausweist. Die beiden Celler haben die frühen Berichte von Verfolgten des NS-Regimes gesichtet und zudem Wiedergutmachungsakten in Hannover zu Rate gezogen. Die beiden Forscher gehen davon aus, dass sich nur etwa die Hälfte der vom Nazi- Terror Betroffenen auf den Aufruf der Stadtverantwortlichen gemeldet hat – die Zahl derjenigen, die den Druck des Regimes hier in Celle negativ zu spüren bekam, wird also sicher bei über 250 gelegen haben. Andreas Babel, in: Cellesche Zeitung, 11.5.2015

Ein vergleichbares Bekenntnis zu ihrer Vergangenheit hat wohl noch keine deutsche Kommune vorgelegt. Akribisch arbeitet die Stadt Celle jetzt auf, wie die Nazis ab 1933 in das Alltagsleben der Bürger eingegriffen haben, wie Sozialdemokraten und Kommunisten um ihre Arbeitsplätze gebracht wurden, wie Kaufleute aus dem Wirtschaftsleben gedrängt wurden, wie die NSDAP auch angesehene Persönlichkeiten diffamierte. Viele Belege für den alltäglichen Nazi-Terror finden sich im Celler Stadtarchiv, denn schon am 3. November 1945 wandte sich Oberbürgermeister Ernst Schädlich mit einer amtlichen Bekanntmachung an die 'Einwohner, die von den Nazis geschädigt worden sind', und rief sie auf, ihre erlittenen Benachteiligungen oder Schädigungen schriftlich und ausführlich darzulegen.
Reinhard Rohde und Tim Wegener haben das erstaunlich umfangreiche Echo dokumentiert und 118 Meldungen von Opfern aus allen gesellschaftlichen Schichten ausgewertet. Die Celler Nazi-Opfer, insgesamt meldeten sich 162 im Rathaus, formulieren anschaulich, warum ihre Radiogeräte konfisziert wurden, wie sie von der Geheimen Staatspolizei überwacht wurden oder welche Folgen das Verweigern des Hitler-Grußes für sie hatte. Die Anträge sind für Historiker von besonderer Bedeutung, weil sie unter dem Eindruck des Erlebten und Erlittenen geschrieben wurden – Jahre bevor die Bundesrepublik verbindliche und komplizierte gesetzliche Regelungen für die Wiedergutmachung erließ.
Rohde und Wegener haben recherchiert, wie die Behörden auf die Regressansprüche der Celler Nazi-Opfer geantwortet haben. Das Resultat ist enttäuschend enttäuschend: Viele Forderungen wurden abgelehnt. Wer beispielsweise bei Kriegsende keinen Wohnsitz in der Stadt hatte, sondern im KZ inhaftiert war, ging in Celle leer aus. Wer zwangssterilisiert worden war, musste mehr als zehn Jahre lang um eine bescheidene Entschädigung kämpfen. Wer ins Zuchthaus geworfen und dort gefoltert worden war, erhielt als Wiedergutmachung maximal 150 Mark pro Haftmonat.
Immerhin hielt sich die Stadt an ein Versprechen von Oberbürgermeister Walther Hörstmann aus dem August 1945 und ermöglichte rund einem Dutzend Celler Bürgern, die im KZ gequält worden waren, den Bau von kleinen Eigenheimen auf kostengünstigen Grundstücken.
Klaus von der Brelie, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 11.6.2015

»... melde ich mich hiermit als von den Nazis Geschädigter ...«

Frühe Berichte von der Verfolgung in Celle

von Reinhard Rohde und Tim Wegener
Mitwirkende
Autor / AutorinReinhard Rohde
Autor / AutorinTim Wegener
Im November 1945 rief die Stadt Celle ihre Bürgerinnen und Bürger auf, Bericht zu erstatten über Schäden, die sie durch die nationalsozialistische Herrschaft erlitten hatten. Es meldeten sich Betroffene, die ihre Demütigungen und Ausgrenzung, ihre berufliche oder wirtschaftliche Benachteiligung sowie ihre Verfolgung und Haft aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen schilderten: Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten, die das Jahr nicht als Zusammenbruch, sondern als Befreiung erlebten. Die zeitliche Nähe zum Ende des Nationalsozialismus gibt den Berichten eine besondere Aussagekraft, weil sie sich noch nicht auf die Regelungen der Wiedergutmachungsgesetzgebung beziehen. 118 Berichte werden dokumentiert und mit zusätzlichen Quellen, v. a. aus den Wiedergutmachungsverfahren der 1950 Jahren, erläutert. Das Buch ist nicht nur wichtig für die Geschichte Celles im Nationalsozialismus, es hat auch überregionale Bedeutung: Ein derartiger Quellenbestand ist bisher in Deutschland nicht zugänglich gemacht worden. Die Einbeziehung der Wiedergutmachungsverfahren vermittelt einen Eindruck vom Umgang der jungen Bundesrepublik mit dem Nationalsozialismus und seinen Opfern.