1. Mitglieder der Kirchengemeinde St. Jacobi
2. historisch Interessierte Göttinger
3. Mediävisten, Kirchen- und Landeshistoriker
Passend zum Abschluss der Sanierung des Jacobi-Kirchturms ist ein Buch erschienen, das Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Turmes gibt. Der Historiker Dr. Josef Dolle hat das mittelalterliche Rechnungs- und Kopialbuch der Kirche ediert. Bei der bedeutenden Quelle handelt es sich um ein Buch zum Bau des Jacobi-Kirchturms, das Abschriften von Urkunden aus dem Spätmittelalter enthält. Außerdem finden sich darin Notizen zu besonderen Ereignissen der Zeit wie dem Turmbrand 1555.
Die Eintragungen in dem Werk, das erst später zu einem Buch zusammengebunden wurde, geben einen Einblick in einen Zeitraum von fast 200 Jahren, nämlich vom Anfang des 15. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts. Der Turm wurde von 1426 bis 1433 gebaut.
Im Turmbuch finden sich Informationen über Stiftungen und Testamente zugunsten des Baus, Rechnungen und Verträge. Daraus ergeben sich Informationen über die Organisation des Turmbaus, die damaligen Löhne und die Preise für Arbeitsmaterialien – bis hin zum Badegeld für die Bauarbeiter und zum Schmierfett für die Steinkarre.
Weitere Aufzeichnungen dokumentieren unter anderem die Einstellung eines Organisten, die Anschaffung von Messgewändern, die Anfertigung eines Uhrwerks oder den Immobilienbesitz der Kirchengemeinde. Dolle hat die schwer lesbare Handschrift nun für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Es handele sich bei dem Rechnungs- und Kopialbuch 'nicht nur um eine für Göttingen, sondern für weite Räume Nord- und Mitteldeutschlands einzigartige Quelle', schreibt Prof. Arnd Reitemeier, Leiter des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen, in seinem Vorwort.
Diese Quelle erlaube im Blick auf St. Jacobi und die Stadt Göttingen grundlegende Forschungen zur Bau-, Architektur- und Wirtschaftsgeschichte. Es könne nun im Detail gezeigt werden, 'aus welchen Quellen sich die Finanzströme speisten, welchen ökonomischen Kraftakt der Bau für die Gemeinde darstellte und von welch langfristiger Bedeutung die notwendigen Finanzgeschäfte waren'. Mit der Edition mache die Gemeinde sich selbst ein Geschenk zum Abschluss der aufwendigen Turmsanierung so Reitemeier weiter. Das Buch schlage eine Brücke zwischen dem Bau des Turms und seiner Wiederherstellung 2014.
'Wer in den letzten Jahren die Restaurierungsarbeiten verfolgen konnte, weiß nicht nur die Arbeiten der mittelalterlichen Baumeister und Handwerker zu würdigen, sondern auch die Leistung der Restauratoren und Handwerker heute', ergänzt Jacobi-Pastor Harald Storz in seinem Geleitwort zum Buch. Eine Untersuchung habe ergeben, dass etwa 70 Prozent der Steine noch aus der Bauzeit des Turmes stammten.
Dolle liefert in seiner 20-seitigen Einführung grundlegende Informationen zur Handschrift und zur Finanzierung des Turmbaus. Den Hauptteil des Buches macht dann mit 120 Seiten die Transkription der Quelle aus.
Jörn Barke, in: Göttinger Tageblatt, 16.9.2014