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Vom Fingerfadenspiel zur Performance
von Lothar WalschikFadenspiele – Vorwort für Lothar
Vom Fingerfadenspiel zur Performance
Wenn der Mond über dem Berg erscheint, der Floh durch das Loch im Baum springt oder die Micky Maus ihre großen Ohren ausspannt (Alle Fadenspiele dieses Namens in Kapitel 1), dann stellen sich – je nach Temperament – Glücks-gefühle, Begeisterung oder Zufriedenheit ein mit dem, was aus dem einfachen Endlos-Faden entstanden ist: eine von vielen Fadenspielfiguren.
Warum das? Aus einem geschlossenen Faden formen sich beim Spiel nach und nach wie durch Zauberkräfte fragile Figuren, jederzeit gefährdet durch einen möglichen Irrweg eines der beteiligten Finger. Dann beginnt das Spiel von vorn. Werden und Vergehen. Fadenspiele entfalten eine ihnen eigentümliche Ästhetik – Schritt für Schritt entstehen neue Formen; manchmal, wie bei den Figurenfolgen, mit ständig wechselnden Bedeutungen, manchmal eröffnet sich erst nach einer Folge abstrakter Formen im letzten Schritt überraschend die Bedeutung der Figur. Kleinste Fingerbewegungen lösen alles blitzschnell auf – zurück bleibt der Faden.
Der Genuss im Spiel kann ganz unterschiedliche Bezugspunkte haben:
Spricht man jemanden in Deutschland auf Fadenspiele an, erscheint regelmäßig ein Fragezeichen im Gesicht: „Kenne ich nicht.“ Zumindest bei dem Namen Fadenspiele „fällt kein Groschen“. Will man diese Fragezeichen zum Verschwinden bringen, kann man z. B. Folgendes probieren: Beide Hände mit geöffneten Fingern und der Handinnenfläche nach oben halten und fragen: „Sagt Dir/Ihnen das etwas?“ Meist löst sich das mimische Fragezeichen unmittelbar und weicht einem verstehenden Lächeln: „Ach, Du meinst Abnehmspiele?“ Und schon ist der Anfang für Austausch und gemeinsames Spiel gewonnen. Die Fäden als Brücke. (Das verstehende Lächeln erscheint vor allem bei Mädchen oder Frauen, denn in meiner Kindheit gehörten die Abnehmspiele zu den „Mädchenspielen“, wir als Jungen spielten „so etwas“ nicht. Das war „unter unserer Würde“.)
Verstehendes Lächeln – ein Beispiel. Eine Gruppe von Japanerinnen und Japanern. Zu Besuch in der Bremer Universität, wollten sie unsere Primarstufenausbildung kennen lernen, auch meinen Bereich der Ästhetischen Bildung/Erziehung. Höflich und aufmerksam waren sie meinen Ausführungen gefolgt, die ich mit einem praktischen Beispiel zum ästhetischen Lernen beenden wollte – mit Fadenspielen. Meine bescheidenen Fadenspielkenntnisse müssten reichen, hatte ich mir gedacht und lag nicht falsch, nur entwickelte sich die Situation ganz anders, als von mir geplant. Kaum hatte ich einen Faden hochgehalten, zauberte er auf alle Gesichter ein Lächeln. So schnell wie die ersten mit ihren Fäden zu spielen begannen, konnte ich den letzten gar nicht die Fäden zukommen lassen. Dass Fadenspiele in Japan unter dem Namen Aja-tori bekannt und verbreitet sind, war mir geläufig und hatte meine Entscheidung für Fadenspiele in dieser Situation beeinflusst, aber die Begeisterung und die Spielkenntnisse bei allen Gästen hatte mich doch überrascht.
Seit es ABOINUDI gibt, hat die Anzahl der Fragezeichen in den Gesichtern abgenommen. Lothar Walschik hat die Fadenspiele – die auf der ganzen Welt verbreitet sind – wieder gefunden und wieder bekannt gemacht. Aber nicht nur das: Er hat sie zu neuem Leben erweckt und teilweise neu erfunden, indem er den Titel seines ersten Buches wörtlich genommen hat: „Fadenspiele sind mehr.“ Was ist nicht alles in den letzten Jahren als Anregung zum eigenen Spiel mit dem Faden entstanden? In wie vielen Orten, zu wie vielen Gelegenheiten ist AOINUDI aufgetreten? Hat die Menschen zum Spielen gebracht und immer neue Fans für die Fadenspiele gewonnen. Mit immer neuen Ideen und Anregungen. Die Kreativität scheint unerschöpflich. Die webside (www. aboinudi. de) gibt einen Einblick in die Vielfalt dessen, was Fadenspiele heute ausmacht und was von Lothar Walschik allein und mit seiner Gruppe entwickelt worden ist.
Fadenspiele sind mehr. Das vorliegende Buch bietet dieses Mehr. Es kommt unterschiedlichen Spielbedürfnissen entgegen, es verlockt zum Nach-Machen, zum Miteinander-Machen, zum Nach-Erfinden, zu eigenen Neu-Schöpfungen, zur Entdeckung der eigenen kreativen spielerischen Potentiale.
In vier Kapiteln vereinigt es ganz unterschiedliche Charaktere von Fadenspielen, die die unterschiedlichen Spielwünsche und -bedürfnisse ansprechen oder auch anregen und bietet dadurch einen Einblick in die in den letzten Jahren entstandene Vielfalt:
Kann man mit Fäden vorwärts und rückwärts im Wechsel spielen? Diese Behauptung des zweiten Kapitels Wechselfiguren gilt es zu prüfen. Spielen die eigenen Finger dieses „verkehrte“ Spiel mit? Und noch eine „Verkehrung“:
Das dritte Kapitel birgt eine geniale Neu-Erfindung von ABOINUDI: Spielen im Großseil, einem Seil von 22 m Länge. Nicht-Eingeweihten lockt dieser Titel das schon erwähnte Fragezeichen ins Gesicht. Kleine Finger im großen Seil? Die neue Dimension erschließt sich in der Vorstellung, attraktiver wäre die Anschauung im Original: Zehn Finger verwandeln sich in zehn Personen, der bestimmende Geist in eine elfte Person, die die Führungsrolle übernimmt. Sie leitet die „Finger“, die ebenfalls aktiv an der Gestaltung der Figur mitwirken müssen. Eine neue Herausforderung für beide, die „Finger“ und den „Geist“, denn ohne ständiges Abgleichen der Bewegungen und der Positionen stellt sich keine Einheit ein. Und ohne Publikum ist das Spielen im Großseil uninteressant.
Mit den 3-Punkt-Figuren im vierten Kapitel enden die Spielanregungen. Auch diese sind eine Neu-Erfindung von ABOINUDI, von ihnen erdacht und für Präsentationen vor Publikum ständig kreativ weiter entwickelt; geeignet für besondere Situationen. Habe ich keine elf Personen für das Großseil oder will ich lieber der Grundidee der Spiele im Großseil – Person statt Finger – folgen, greife ich zum kürzeren Seil von 12 m Länge und spiele mit zwei Personen. Die notwendige Kommunikation verändert sich völlig, die leitende Funktion einer zentralen Person entfällt, wird ersetzt durch die Abstimmung zwischen zwei Personen, und es entwickelt sich ein ganz anderer Spielcharakter.
Und wer nicht nur bis hier gelesen, sondern auch mit den Fadenspielen im Buch gespielt hat, wird es bemerkt haben: Der Floh springt gar nicht durch das Loch im Baum, außer zwei Personen spielen gemeinsam und versuchen es.
Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich viel Vergnügen mit diesem Buch und mit den Entdeckungen und Entfaltungen der eigenen kreativen Spielpotentiale.
Prof. Dr. Manfred Polzin
Wenn der Mond über dem Berg erscheint, der Floh durch das Loch im Baum springt oder die Micky Maus ihre großen Ohren ausspannt (Alle Fadenspiele dieses Namens in Kapitel 1), dann stellen sich – je nach Temperament – Glücks-gefühle, Begeisterung oder Zufriedenheit ein mit dem, was aus dem einfachen Endlos-Faden entstanden ist: eine von vielen Fadenspielfiguren.
Warum das? Aus einem geschlossenen Faden formen sich beim Spiel nach und nach wie durch Zauberkräfte fragile Figuren, jederzeit gefährdet durch einen möglichen Irrweg eines der beteiligten Finger. Dann beginnt das Spiel von vorn. Werden und Vergehen. Fadenspiele entfalten eine ihnen eigentümliche Ästhetik – Schritt für Schritt entstehen neue Formen; manchmal, wie bei den Figurenfolgen, mit ständig wechselnden Bedeutungen, manchmal eröffnet sich erst nach einer Folge abstrakter Formen im letzten Schritt überraschend die Bedeutung der Figur. Kleinste Fingerbewegungen lösen alles blitzschnell auf – zurück bleibt der Faden.
Der Genuss im Spiel kann ganz unterschiedliche Bezugspunkte haben:
Spricht man jemanden in Deutschland auf Fadenspiele an, erscheint regelmäßig ein Fragezeichen im Gesicht: „Kenne ich nicht.“ Zumindest bei dem Namen Fadenspiele „fällt kein Groschen“. Will man diese Fragezeichen zum Verschwinden bringen, kann man z. B. Folgendes probieren: Beide Hände mit geöffneten Fingern und der Handinnenfläche nach oben halten und fragen: „Sagt Dir/Ihnen das etwas?“ Meist löst sich das mimische Fragezeichen unmittelbar und weicht einem verstehenden Lächeln: „Ach, Du meinst Abnehmspiele?“ Und schon ist der Anfang für Austausch und gemeinsames Spiel gewonnen. Die Fäden als Brücke. (Das verstehende Lächeln erscheint vor allem bei Mädchen oder Frauen, denn in meiner Kindheit gehörten die Abnehmspiele zu den „Mädchenspielen“, wir als Jungen spielten „so etwas“ nicht. Das war „unter unserer Würde“.)
Verstehendes Lächeln – ein Beispiel. Eine Gruppe von Japanerinnen und Japanern. Zu Besuch in der Bremer Universität, wollten sie unsere Primarstufenausbildung kennen lernen, auch meinen Bereich der Ästhetischen Bildung/Erziehung. Höflich und aufmerksam waren sie meinen Ausführungen gefolgt, die ich mit einem praktischen Beispiel zum ästhetischen Lernen beenden wollte – mit Fadenspielen. Meine bescheidenen Fadenspielkenntnisse müssten reichen, hatte ich mir gedacht und lag nicht falsch, nur entwickelte sich die Situation ganz anders, als von mir geplant. Kaum hatte ich einen Faden hochgehalten, zauberte er auf alle Gesichter ein Lächeln. So schnell wie die ersten mit ihren Fäden zu spielen begannen, konnte ich den letzten gar nicht die Fäden zukommen lassen. Dass Fadenspiele in Japan unter dem Namen Aja-tori bekannt und verbreitet sind, war mir geläufig und hatte meine Entscheidung für Fadenspiele in dieser Situation beeinflusst, aber die Begeisterung und die Spielkenntnisse bei allen Gästen hatte mich doch überrascht.
Seit es ABOINUDI gibt, hat die Anzahl der Fragezeichen in den Gesichtern abgenommen. Lothar Walschik hat die Fadenspiele – die auf der ganzen Welt verbreitet sind – wieder gefunden und wieder bekannt gemacht. Aber nicht nur das: Er hat sie zu neuem Leben erweckt und teilweise neu erfunden, indem er den Titel seines ersten Buches wörtlich genommen hat: „Fadenspiele sind mehr.“ Was ist nicht alles in den letzten Jahren als Anregung zum eigenen Spiel mit dem Faden entstanden? In wie vielen Orten, zu wie vielen Gelegenheiten ist AOINUDI aufgetreten? Hat die Menschen zum Spielen gebracht und immer neue Fans für die Fadenspiele gewonnen. Mit immer neuen Ideen und Anregungen. Die Kreativität scheint unerschöpflich. Die webside (www. aboinudi. de) gibt einen Einblick in die Vielfalt dessen, was Fadenspiele heute ausmacht und was von Lothar Walschik allein und mit seiner Gruppe entwickelt worden ist.
Fadenspiele sind mehr. Das vorliegende Buch bietet dieses Mehr. Es kommt unterschiedlichen Spielbedürfnissen entgegen, es verlockt zum Nach-Machen, zum Miteinander-Machen, zum Nach-Erfinden, zu eigenen Neu-Schöpfungen, zur Entdeckung der eigenen kreativen spielerischen Potentiale.
In vier Kapiteln vereinigt es ganz unterschiedliche Charaktere von Fadenspielen, die die unterschiedlichen Spielwünsche und -bedürfnisse ansprechen oder auch anregen und bietet dadurch einen Einblick in die in den letzten Jahren entstandene Vielfalt:
Kann man mit Fäden vorwärts und rückwärts im Wechsel spielen? Diese Behauptung des zweiten Kapitels Wechselfiguren gilt es zu prüfen. Spielen die eigenen Finger dieses „verkehrte“ Spiel mit? Und noch eine „Verkehrung“:
Das dritte Kapitel birgt eine geniale Neu-Erfindung von ABOINUDI: Spielen im Großseil, einem Seil von 22 m Länge. Nicht-Eingeweihten lockt dieser Titel das schon erwähnte Fragezeichen ins Gesicht. Kleine Finger im großen Seil? Die neue Dimension erschließt sich in der Vorstellung, attraktiver wäre die Anschauung im Original: Zehn Finger verwandeln sich in zehn Personen, der bestimmende Geist in eine elfte Person, die die Führungsrolle übernimmt. Sie leitet die „Finger“, die ebenfalls aktiv an der Gestaltung der Figur mitwirken müssen. Eine neue Herausforderung für beide, die „Finger“ und den „Geist“, denn ohne ständiges Abgleichen der Bewegungen und der Positionen stellt sich keine Einheit ein. Und ohne Publikum ist das Spielen im Großseil uninteressant.
Mit den 3-Punkt-Figuren im vierten Kapitel enden die Spielanregungen. Auch diese sind eine Neu-Erfindung von ABOINUDI, von ihnen erdacht und für Präsentationen vor Publikum ständig kreativ weiter entwickelt; geeignet für besondere Situationen. Habe ich keine elf Personen für das Großseil oder will ich lieber der Grundidee der Spiele im Großseil – Person statt Finger – folgen, greife ich zum kürzeren Seil von 12 m Länge und spiele mit zwei Personen. Die notwendige Kommunikation verändert sich völlig, die leitende Funktion einer zentralen Person entfällt, wird ersetzt durch die Abstimmung zwischen zwei Personen, und es entwickelt sich ein ganz anderer Spielcharakter.
Und wer nicht nur bis hier gelesen, sondern auch mit den Fadenspielen im Buch gespielt hat, wird es bemerkt haben: Der Floh springt gar nicht durch das Loch im Baum, außer zwei Personen spielen gemeinsam und versuchen es.
Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich viel Vergnügen mit diesem Buch und mit den Entdeckungen und Entfaltungen der eigenen kreativen Spielpotentiale.
Prof. Dr. Manfred Polzin