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Der Agon, der spielerische aber doch ernsthafte Wettkampf, war in der Antike Ausdruck eines gemeinsamen Lebensgefühls. In ZIKDADENTREFF, einem Gedichtband mit andalusischen Motiven, haben sich der Lyriker Hans-Jürgen Heise und die Lyrikerin Annemarie Zornack diesem Agon gestellt, hier verstanden als gemeinsames Schauen, das im Wettkampf des Wortes den Dingen eine eigene Farbigkeit verleiht, ein Schauen also, das eine unterschiedliche dichterische Sprache evoziert. Kein Sängerwettstreit ist hier gemeint in ZIKADENTREFF, vielmehr ist dies nur der Ort, wo sich Gesang und Gegengesang begegnen.„Ich habe immer Verse geschrieben und ich habe immer Verse gelesen“ dies ist die Confession von Hans-Jürgen Heise, einem Dichter, der die Dinge beim Wort nimmt und der das Wort einsetzt, um die Dinge zu verstehen. Spanien als lyrisches Spielfeld, das kommt seiner dichterischen Sprache entgegen. Der Süden mit der anderen Mentalität und der anderen Natur zwingt den Dichter Heise gleichsam eine andere Zeit anzunehmen, die Zeit, die in Spanien das Leben im Sommer langsamer und intensiver werden läßt. Aber Heise verknüpft in seinen Gedichten auch die Landschaft mit der spanischen Geschichte oder einfach nur mit seinen eigenen Erinnerungen oder Erlebnissen. Seine Sprache wird fast schon wie von Sinnentrunkenheit und er selbst sieht hier > sogar Brunnen / lechzen nach Wasser<. Von ganz anderer Qualität sind die Gedichte der Annemarie Zornack, die sich weigert, in eine andere Zeit zu schlüpfen. Ihre Sprache ist geprägt, teils von realistischer Anschauung, teils vom surrealistischen Einfällen, die dem Gedicht fast einen anderen Ort zuweisen, als es angegeben ist. Der Ort ist aber die Dichterin selbst, die sich in gleicher Weise einzubringen versteht, wie die Landschaft, die Katze oder die Fliege, die sie beschreibt oder nennt. Annemarie Zornack bleibt auch nicht nur in Spanien. Sie zieht einen Bogen in eine andere deutsche Landschaft, sie hält Distanz, eine kritisch analytische Distanz zu der andalusichen Landschaft. Ein gelungener Wettkampf zweier Dichterpersönlichkeiten, ein gelungenes Wagnis schöpferischen Gusses. Dieter Straub
Zikadentreff
Andalusische Motive. Gedichte, Kompositionen, Holzschnitte
von Hans-Jürgen Heise und Annemarie Zornack, illustriert von Wolfgang SimonZwischen Andalusien und Arabien Es gibt eine europäische Region, die eine uralte Verquickung und einen intensiven Kulturaustausch mit der arabischen Welt im Yerlauf der Geschichte erlebt hat: Andalusien. In der poetischen Entwicklung war es vor allem die metaphorische Sprechweise, die diese arabisch unterlegte Lebensader der andalusischen Dichtung prägte. Hans-Jürgen Heise und Annemarie Zornack haben im „Zikadentreff“ vielfältige Motive Andalusiens zum Ausgangspunkt ihrer Poesie genommen und ein sprachliches Mosaik daraus geschaffen, das bemerkenswert ist. Während Hans-Jürgen Heise sich den seelischen Wirksamkeiten näher fühlt, gleichsam auf die poetischen Phänomene verweist, geht Annemarie Zornacck direkt auf die konkreten Erlebnisse ein und spürt den sichtbar gewordenen Ereignissen poetisch nach. In den Gedichten wird ein antiker Dichterstreit ausgefochten, der den brotlosen Sang der Zikaden kennt. Dabei tauchen urplötzlich kleinste Bildwelten mit größter Sehschärfe auf, die bestechen: Andalusien/ Fieberanfall/ in einem nördlichen/ Gehirn (Heise); die staubwedel der palmen/ haben den himmel / blankgeputzt (Zornack); Und die Landstraße/ ein Schnursenkel am Schuh des Campesino (Heise); in der frühe klatschten regentropfen aufs pflaster: die hufe der esel/ die zur fe1darbeit trabten (Zornack), Spanisch ist hier/ nur die Brücke - eine Tilde/ Die Frösche quaken weiterhin/ ihr gutturales Arabisch (Heise). Tobias Burghardt