Transaktionskosten und Institutionen von Christoph Siepmann | Eine spieltheoretische Untersuchung einiger institutionenbildender Koordinationsprobleme | ISBN 9783934453234

Transaktionskosten und Institutionen

Eine spieltheoretische Untersuchung einiger institutionenbildender Koordinationsprobleme

von Christoph Siepmann
Buchcover Transaktionskosten und Institutionen | Christoph Siepmann | EAN 9783934453234 | ISBN 3-934453-23-6 | ISBN 978-3-934453-23-4

Transaktionskosten und Institutionen

Eine spieltheoretische Untersuchung einiger institutionenbildender Koordinationsprobleme

von Christoph Siepmann
Institutionen und Transaktionskosten spielten in der Wirtschaftswissenschaft lange Zeit eine untergeordnete Rolle. Institutionen wie Märkte, Unter-nehmen, Rechtssystem, Geld oder der Staat gingen in die ökonomische Analyse als Ausgangsgrößen oder Randbedingungen ein, ihre Existenz wurde vorausgesetzt, aber nicht weiter erklärt. Die neoklassische Theorie konzentrierte sich statt dessen auf die Frage der bestmöglichen Allokation der in der Wirtschaft vorhandenen Ressourcen und das damit verbundene Koordinationsproblem, die Abstimmung der tatsächlich zu produzierenden Güter auf die Wünsche der Konsumenten. In einer Marktwirtschaft kann der Preismechanismus diese Koordinationsaufgabe erfüllen. Die Analyse dieses Mechanismus setzt jedoch die Beschreibung des Verhaltens der beteiligten Wirtschaftssubjekte bei Preisänderungen voraus: Die Haushalte, abgebildet durch eine Menge konsistenter Präferenzen, maximieren ihren Nutzen unter einer gegebenen Budgetrestriktion. Die Unternehmen, reduziert zu einer Produktions- bzw. Kostenfunktion, maximieren bei gegebenen Faktor- und Produktpreisen ihren Gewinn. Starke Annahmen an die Rationalität und den Informationsstand der Beteiligten sorgen dafür, daß die Wirtschaftssubjekte immer ihre Optimallösung anstreben, mit der Konsequenz, daß ihr Verhalten bei Preisänderungen prognostizierbar wird. Die Haushalte reagieren z. B. auf Preiserhöhungen (bei Vernachlässigung aller Besonderheiten) mit einer Einschränkung ihres Konsums, Unternehmen mit einer Ausweitung ihrer Produktion. Flexible Preise sind folglich in der Lage, die Produktion und Konsumwünsche einander anzupassen und eine optimale Allokation zu erreichen. Die ökonomische Theorie wurde dadurch zu einer Theorie der Wahlhandlungen; sie definierte sich eher über die Methode, das ökono-mische Prinzip, als über den zu untersuchenden Objektbereich. Coase hat diesen Zustand im Hinblick auf sein institutionelles Defizit nachdrücklich kritisiert: „Exchange takes place without any specification of its institutional setting. We have consumers without humanity, firms without organization, and even exchange without markets.“ (Coase 1988, S.3, vgl. auch Coase 1992, S.332) Ungeachtet einiger Vorläufer, wie der deutschen historischen Schule oder alten amerikanischen Institutionalisten versuchte Coase bereits 1937 mit seinem Aufsatz „The Nature of the Firm“, nicht in Ablehnung, sondern als Erweiterung des geltenden Paradigmas, die Aufmerksamkeit zurück auf die institutionelle Ebene zu lenken. Er fragt: Wenn die Lenkung der Ressourcen in ihre effizienteste Verwendung am besten durch den Preismechanismus erfolgt, warum existieren dann Unternehmen? Oder anders: Warum zerfällt die Volkswirtschaft nicht in atomistische Ein-Personen-Unternehmen, die ihre Leistungen individuell an Unternehmen nachgelagerter Produktions-stufen oder direkt an die Konsumenten verkaufen? In Unternehmen findet ja ebenfalls eine Kombination von Faktoren zur Produkterstellung statt; es handelt sich ebenfalls um eine Allokation von Ressourcen und eine Koordination ökonomischer Aktivitäten. Der Koordinationsmechanismus zur Faktorallokation und Faktorumlenkung beruht jedoch nicht auf relativen Preisen, sondern auf hierarchischer Koordination, dem Prinzip der Anweisung. Das Nebeneinander von Markt und Unternehmen erklärt Coase über Transaktionskosten. In der neoklassischen Auffassung sind die Marktpreise Daten, über die die Wirtschaftssubjekte jederzeit vollständig informiert sind. Es herrscht vollständige Markttransparenz. Dann wäre es kein Problem, Leistungen für beliebig kurze Zeiträume an jedem Ort zu kombinieren. Tatsächlich sind mit dem Gebrauch des Preismechanismus jedoch Kosten verbunden, die vermieden werden, wenn die Faktoren in dauerhafteren Bindungen kombiniert werden. Solche „costs of using the price mechanism“ sind:
- Kosten der Informationssuche, z. B. Suche der relevanten Marktpreise für die einzusetzenden Faktoren und zu produzierenden Güter, - Kosten des Aushandelns und Abschließens von Verträgen, - Kosten der nachträglichen Anpassung der Verträge an veränderte Umweltbedingungen. Unternehmen existieren, weil sich durch Integration von Verträgen in Unter-nehmungen Kosten des Gebrauchs des Preismechanismus senken lassen. Dadurch entfällt jedoch nicht das Koordinationsproblem. Coase stellt deshalb die Kosten der Benutzung des Preismechanismus die Organisations-kosten innerhalb der Unternehmung gegenüber. Er nimmt an, „daß die Kosten unternehmensinterner Koordination sich mit der Zahl der übernom-menen Markttransaktionen überproportional erhöhten, und zwar deshalb, weil die Koordinationstätigkeit des Unternehmens dabei zu abnehmenden Grenzerträgen führe und weil die Wahrscheinlichkeit unternehmerischer Fehleinschätzungen und, daraus folgend, ineffizienten Faktoreinsatzes zunehme.“ (Bössmann 1983, S. 107)
Das Nebeneinander von Markt und Unternehmung und zugleich die Größe der Unternehmung werden also aus einer speziellen Marginalbedingung erklärt. Eine Unternehmung wächst solange, bis die internen Organisations-kosten gerade den Kosten des Preismechanismus entsprechen. Die Erklärung der institutionellen Struktur der Volkswirtschaft, jedenfalls soweit sie Märkte und Unternehmen betreffen, steht nicht im Gegensatz, sondern entpuppt sich als ein weiterer Anwendungsfall des ökonomischen Prinzips. Der Ansatz von Coase blieb bis in die 70er Jahre weitgehend unbeachtet. Seitdem etabliert sich ein neuer Zweig der Ökonomie unter dem Namen „New Institutional Economics“ (NIE), der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die institutionelle Struktur der Volkswirtschaft stärker zu beleuchten. Zur NIE rechnet man zumindest drei Spezialgebiete: die Property-Rights-Analyse, den Prinzipal-Agent-Ansatz und die Transaktionskosten-ökonomik. Nur der letztere Zweig soll an dieser Stelle weiterverfolgt werden, weil er den Ansatz von Coase am stärksten ausgebaut hat. Als Hauptvertreter der Transaktionskostenökonomik gilt Williamson (1986, 1989, 1990, 1991, 1993, 1998). Er zentriert seine Analyse um den Begriff der Transaktion. „Eine Transaktion findet statt, wenn ein Gut oder eine Leistung über eine technisch trennbare Schnittstelle hinweg übertragen wird. Eine Tätigkeitsphase wird beendet; eine andere beginnt.“ (Williamson 1990, S.1) Transaktionen sind damit die unmittelbare Folge der Arbeitsteilung. An diesen Schnittstellen geht es nicht einfach um den Übergang eines Gutes, sondern die daran beteiligten Personen, ob innerhalb oder außerhalb einer Unternehmung, müssen sich verständigen. Es kann nicht wie in der Neoklassik angenommen werden, daß sich die Individuen problemlos und konfliktfrei abstimmen. Über pure Mißverständnisse hinaus unterstellt Williamson, daß die Beteiligten versucht sind, sich eigennützig, auch unter Anwendung von Arglist und Täuschung oder allgemein strategischer Informationsverzerrung, zu verhalten. Diese Verhaltensannahme wird unter dem Begriff Opportunismus oder „self-interest seeking with guile“ diskutiert. Die Leistungspflichten der Beteiligten und die Regelungen zur Konfliktbewältigung können als expliziter oder impliziter Vertrag aufgefaßt werden. Transaktionskosten entstehen ex ante (wie bei Coase) zur Anbahnung (Such- und Informationskosten), zum Abschluß (Verhandlungs- und Entscheidungskosten) und ex post zur Überwachung, Durchsetzung, Konkretisierung und Anpassung dieser Verträge. Innerhalb von Unter-nehmen ergeben sich analog an den Schnittstellen der Transaktionen Kosten zur Errichtung, Erhaltung und Änderung der Organisationsstruktur, Kosten der Überwachung der Ausführung von Anordnungen, der Messung der Leistung von Arbeitskräften, der Leerzeitkosten bei Halbfertigprodukten usw. Ex ante und ex post Transaktionskosten sind keine unabhängigen Größen. Die Sorgfalt bei der Ausarbeitung der Verträge ex ante beeinflußt das Konfliktpotential ex post und umgekehrt. Das Problem der ex post Transaktionskosten wird dadurch verschärft, daß Verträge in Williamsons Sicht notwendigerweise unvollständig sind; es können nicht alle irgend möglichen Umweltlagen berücksichtigt werden. Die Wirtschaftssubjekte sind „intendedly rational, but only limited so“. Die vertraglichen Regelungen zur Schließung unvorhergesehener Lücken oder zur Anpassung an veränderte Umweltlagen sind Teil der Organisation der Transaktion. Weiterhin erscheint bei Einbezug der Verhaltensannahme Opportunismus, der Aufwand jede vom Vertragspartner gegebene Information auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, als zu hoch. Das Problem liegt eher darin, den Vertrag so zu gestalten, daß alle Beteiligten ein Interesse daran haben, ihre Leistungen auch zu erfüllen. Williamson verweist in diesen Zusammen-hang auf den Einbau von „Geiseln“ (hostages) in die Verträge, also Sicher-heitsleistungen, die bei Nichterfüllung des Vertrages an den Vertragspartner fallen. (vgl. auch North 1993) Die zentrale These des Transaktionskostenansatzes ist nun, daß die Trans-aktionen in denjenigen institutionellen Rahmen, in diejenige Koordinations-struktur (governance structure), also Markt, Unternehmen, langfristige Verträge, Joint-ventures, Holdings, Franchise-Systeme u.ä. eingebettet wird, die die Transaktionskosten minimiert. „The central question then becomes: What are the principal dimensions with respect to which transactions differ? Refutable implications are derived from the hypothesis that transactions, which differ in their attributes, are assigned to governance structures, which differ in their competencies, in a discriminating - mainly transaction cost economizing - way.“ (Williamson 1989, S.142) Williamson identifiziert die Transaktions-Dimensionen Häufigkeit, Unsicherheit (strategischer oder nicht-strategischer Art, auch hinsichtlich der Unfähigkeit, den Ereignis-rahmen überhaupt vollständig spezifizieren zu können) und Faktorspezifität. Faktorspezifität ist das bei weitem wichtigste Merkmal. Es läßt sich auf den Begriff der Quasi-Rente bei Marshall zurückführen und stellt die Aufhebung der neoklassischen Fungibilitätsannahme dar. Je spezifischer ein Faktor ist, je spezifischer z. B. eine Maschine auf einen bestimmten Produktionsprozeß zugeschnitten ist, desto geringer ist ihr Wert in einer alternativen Verwendung, d. h. ihre Opportunitätskosten sind gering. Die Differenz zwischen dem tatsächlichen Nutzungspreis des spezifischen Faktors und seinen Opportunitätskosten stellt die Quasi-Rente dar. Ist das Gut fungibel, geht die Quasi-Rente gegen Null. Bei spezifischen Faktoren sind dagegen Faktorbesitzer und Faktornutzer eng aneinander gebunden, denn fällt der Faktornutzungspreis unter die (periodisierten) Investitionskosten, kann der Faktorbesitzer wegen der niedrigen Opportunitätskosten nicht einfach in die nächstbeste Verwendung ausweichen. Die Rentabilität der Investition ist durch den hohen Anteil von Quasi-Rente am Faktoreinkommen gefährdet, die Investition ist „sunk“. Unter der Verhaltensannahme Opportunismus ist damit zu rechnen, daß der Faktornutzer oder allgemein der stärkere Vertragspartner, versuchen wird, den schwächeren Vertragspartner um einen Teil seiner Quasi-Rente zu „berauben“ (hold-up). Den Vertragspartnern ist diese Möglichkeit natürlich bekannt, deshalb bedarf die Ausgestaltung der Verträge bei spezifischen Faktoren besonderer Vorkehrungen zum Schutz der Quasi-Rente gegen Beraubung, die Transaktionskosten steigen. Faktor-spezifität ist in der Sicht von Williamson kein vereinzeltes Phänomen. Er unterscheidet (vgl. zur Übersetzung Schumann 1992, S.440f.):
- Räumliche Spezifität (site specificity): Investition in spezifische Standorte, um Lagerhaltungs- oder Transportkosten einzusparen. - Physische Spezifität (physical asset specificity): Investition in Kapital-güter zur Produktion spezifischer Vorprodukte für eine nachgelagerte Produktionsstufe. - Humankapital-Spezifität (human asset specificity): Spezifisches Trans-aktionswissen, das durch learning-by-doing entsteht. - Widmungsspezifität (dedicated assets): Sachkapitalinvestitionen zu-gunsten eines spezifischen Kunden. - Markenspezifität (brand name capital): Investitionen in einen Marken-namen, der z. B. in einem Franchising-System von vielen Anbietern genutzt wird. - Zeitliche Spezifität (temporal specificity): Die Investition ist mit einem besonderen „Timing“ verbunden. Auch wenn vor Abschluß eines Vertrages eine große Anzahl von Wettbewerbern in der Lage sind, die spezifische Investition zu tätigen, kommt es durch den Abschluß des Vertrages zu einer fundamentalen Transformation. Die Quasi-Rente erzeugt eine Dependenzsituation oder allgemeiner, besonders durch Bildung von Humankapital bei beiden Vertragsparteien, eine Interdependenzsituation. Diese bilaterale Dependenz verstärkt sich mit steigender „asset specificity“. Die Wahl der Trans-aktionskosten minimierenden Koordinationsstruktur: Markt, hybride Formen (wie langfristige Verträge oder Franchising) oder Unternehmen kann deshalb in Abhängigkeit einer kontinuierlich variierenden Faktorspezifität funktional sichtbar gemacht werden. Es sei M(k) die Funktion der Markttransaktions-kosten. Bei geringer oder fehlender Spezifität sind die Tauschpartner nicht aneinander gebunden. Sie können bei Störungen autonom reagieren und ihre Tauschpartner ohne großen Aufwand wechseln. Die Transaktionskosten bleiben infolge des anonymen Markttausches gering, die Funktion M(k) beginnt nahe des Ursprungs. Die alternative interne, hierarchische Koor-dination H(k) weist verglichen mit dem Markt bei unspezifischen Trans-aktionen Nachteile auf, weil sie Koordinationskosten in Form von Bürokratiekosten aufweist, die durch anonymen Tausch eingespart werden könnten. Die Transaktionskostenfunktion bei Hierarchie H(k) beginnt also mit einen positiven Achsenabschnitt. H(0)> M(0). Wenn die Faktorspezifität und damit die Interdependenz der Beteiligten zunimmt, ändert sich diese Situation. „When bilaterally dependent parties are unable to respond quickly and easily, because of disagreements and self-interested bargaining, maladaption costs are incurred. Although the transfer of such transactions from market to hierarchy creates added bureaucratic costs, those cost may be more than offset by the bilateral adaptive gains that result.“ (Williamson 1991, S.282) Die Anpassungsflexibilität des Marktes nimmt also bei steigender Interdependenz der Vertragsparteien durch die Notwendigkeit des koordinierten Vorgehens ab, so daß die Transaktionskosten bei Markttausch stärker zunehmen als bei hierarchischer Koordination. Anders ausgedrückt: Die Steigung der Funktion M(k) ist größer als die der Funktion H(k). Die hybriden Formen werden zwischen Markt und Hierarchie angesiedelt. „As compared with the market, the hybrid sacrifices incentives in favor of superior coordination among the parts. As compared with the hierarchy, the hybrid sacrifices cooperativeness in favor of greater incentive intensity.“ (Williamson 1991, S.283) Dies ergibt mit X(k) für die hybriden Formen folgende Graphik:
Abbildung 1 1: Transaktionskosten bei marktlicher, hybrider und hierarchischer Koordination
Unterhalb von k1 führt die marktliche Koordination, zwischen k1 und k2 die hybride und oberhalb von k2 die hierarchische Koordination zu den geringsten Transaktionskosten. Das Nebeneinander von Markt, Hierarchie und hybriden Formen ist dadurch geklärt. Sie stellen jeweils die geeigneten institutionellen Strukturen dar, um die Koordinationskosten, d. h. die Transaktionskosten zu minimieren. Marktliche und hierarchische Koordination (als Extrempunkte) unterscheiden sich in Williamsons Sicht also wesentlich dadurch, daß sie jeweils die besten Reaktionen auf unterschiedliche Koordinations-erfordernisse darstellen. Transaktionsbeziehungen, die durch hohe „Asset-Specificity“, hohe Quasi-Renten und das daraus folgende „Hold-up“-Problem eine prekäre Natur besitzen, können durch „cooperate adaption“ vergleichsweise Ressourcen sparender gesteuert werden. Um den Ansatz-punkt dieser Arbeit deutlich werden zu lassen, sei der zentrale Mechanismus, die Kombination von Faktorspezifität und „Hold-up“-Problem (oder allgemeiner Opportunismus verbunden mit unvollständigen Verträgen) deshalb noch einmal aus einer anderen Perspektive, nämlich als Entscheidungsproblem dargestellt. Angenommen, ein Unternehmen habe die Wahl in einem mehrstufigen Produktionsprozeß entweder ein spezifisches (k>0) oder ein unspezifisches (k=0) Vorprodukt einzusetzen. Das spezifische Vorprodukt ist technisch vorteilhaft und erlaubt die Optimierung des gesamten Produktionsprozesses, die aber ohne hohe Verluste nicht rückgängig gemacht werden kann. „Specialized production technologies commonly afford steady-state cost savings over general purpose production technologies.“ (Williamson 1989, S.146, Anm.6) Der Einsatz des unspezifischen Vorprodukts führe beim Hersteller und beim Lieferanten zu einem einheitlichen (willkürlich gewählten) Gewinn von je 3 Einheiten. Bei Einsatz des spezifischen Vorprodukts und Optimierung des Produktionsprozesses, können die Stück-kosten dagegen gesenkt werden, so daß der Gewinn bei gleicher Absatz-menge steigt. Das spezifische Vorprodukt sei, da funktional aufwendiger, teurer als das unspezifische, so daß auch der Gewinn des Zulieferers steigt. Die Gewinnerhöhung betrage einheitlich bei beiden eine Einheit, steigt also auf je 4. Dem Produzenten des Vorprodukts ist jedoch bekannt, daß wenn der Hersteller des Endprodukts seinen Produktionsprozeß auf sein Zuliefer-produkt eingestellt hat, dieser Vorgang nicht ohne hohe Verluste rückgängig gemacht werden kann. Nach Vertragsabschluß kann der Zulieferer darauf spekulieren, seine Preisforderung erhöhen zu können, denn der Endprodukt-hersteller kann nicht auf andere Anbieter ausweichen. Ein „plausibler“ Grund für die Preiserhöhung läßt sich finden, denn der Vertrag enthält Lücken. Sein Gewinn würde durch diese „Hold-up“ Aktion um z. B. 2 Einheiten steigen, während der Gewinn des Endproduktherstellers um diese zwei Einheiten sinkt. Die folgende Tabelle stellt die strategischen Handlungsmöglichkeiten beider zusammen. Gewinne des Herstellers und Zulieferers sind jeweils durch Komma getrennt.
Zulieferer kein „Hold-up“ „Hold-up“ Endprodukt- k=0 3, 3 3, 3 hersteller k>0 4, 4 2, 6 Tabelle 1-1: Wahl der Faktorspezifität bei „Hold-up“- Problemen
Der Hersteller muß erkennen, daß die „Hold-up“ Strategie für den Zulieferer eine dominante Strategie darstellt, denn sie führt bei k=0 zu gleichwertigen, bei k>0 zu besseren Ergebnissen als der Verzicht auf die „Beraubung“. Der Endprodukthersteller kann sich dagegen schützen, wenn er von vornherein auf die spezielle Technologie verzichtet und das unspezifische Vorprodukt (k=0) wählt. Dann entgehen ihm aber auch mit Sicherheit die höheren Gewinne durch den Einsatz des spezifischen Produktes. Die beiden Produzenten befinden sich in einer Form des „Prisoners’ Dilemma“ (genauer in einem „one sided Prisoners’ Dilemma“ (vgl. Rasmusen 1995, S.129), da nur der Vorprodukthersteller über eine dominante Strategie verfügt). Wenn beide rational handeln und ihrer vorteilhaften Strategie folgen, enden sie in einer Situation, in denen beide ihre Gewinnchancen „verspielt“ haben. Williamsons Vorstellung zur Lösung dieses Problems ist offensichtlich, daß dem Vorprodukthersteller durch Verträge Sicherheitsleistungen („hostages“) abverlangt werden, die in der Lage sind, die Dominanz seiner „Hold-up“-Strategie aufzuheben. Wenn in der obigen Matrix bei k>0 eine Sicherheits-leistung von etwas mehr als zwei Einheiten bereitgestellt werden müßte, die im Fall eines „Hold-up“-Versuchs verloren geht, hat der Zulieferer ein Eigeninteresse an der Erfüllung des Vertrages. „The protective safeguards to which I refer normally take on one or more of three forms. (.) to realign incentives (.). (.) to supplant court ordering by private ordering (.). (.) Third, the transaction may be embedded in a more complex trading network.“ (Williamson 1989, S.166f.) Die Integration der Vorprodukther-stellung in den eigenen Betrieb ist die „ultima ratio“ der Veränderung der Anreizstruktur. Sie tritt auf, wenn die Verhandlungs- und Sicherungskosten zur Änderung der Anreizstruktur größer sind als der bürokratische Aufwand, der mit der Eigenproduktion des Gutes verbunden ist. Die zentrale These der Transaktionskostenökonomik, daß Transaktionen in diejenige institutionelle Struktur eingebettet werden, die die Transaktions-kosten minimiert, kann also meines Erachtens auch folgendermaßen formuliert werden: Institutionen stellen die Lösung spezifischer Koordinationsprobleme (hier des Prisoners’ Dilemma Spiels) dar. Transaktionskosten reflektieren das Ausmaß, in dem Anreize in der Koordinationssituation bestehen, von der effizienten Lösung abzuweichen. In dieser Formulierung scheint das Markt-Hierarchie-Paradigma einen wesentlich breiteren Anwendungsbereich zu besitzen als nur die Erklärung der Entstehung von Unternehmen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Verallgemeinerungsfähigkeit der These zu prüfen, daß Institutionen das Resultat eines interdependenten Koordinationsproblems darstellen. Darüber hinaus soll ermittelt werden, ob die Art des Koordinationsproblems Rückschlüsse auf die zu erwartende institutionelle Form zuläßt, d. h. ob ein Selbstkoordinationsprozeß vorliegt, wie er Märkten unterstellt wird oder die Bildung einer Organisation wie bei Unternehmen notwendig erscheint. Der Ansatzpunkt Williamsons, ein Prisoners’ Dilemma Spiel, erscheint jedoch für eine generelle Prüfung dieser Frage zu eng. Deshalb werden alle grundlegenden Koordinationsprobleme, die sich in eine Zwei-Personen-Zwei-Strategien Form bringen lassen einbezogen. Das Transaktionskostenkriterium als Effizienzmaßstab einer solchen Koordina-tionslösung wird dagegen beibehalten. Eine solche generelle Ableitung der institutionellen Struktur der Volkswirtschaft auf der Basis des Transaktionskostenkriteriums liegt m. W. bisher nicht vor. Die Arbeit ist folgendermaßen gegliedert: Kapitel 2 diskutiert zunächst die in der Literatur vorhandenen Ansatzpunkte und Sichtweisen zur Entstehung von Institutionen und die damit verbundenen methodologischen Probleme. Kapitel 3 führt die Institutionenbildung auf unterschiedliche Koordinations-probleme zurück. Dabei beginnt Kapitel 3.1 mit einer einfachen Darstellung der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie. Es wird versucht zu zeigen, daß die neoklassische Theorie Tauschprobleme in einer Form modelliert hat, in der Institutionen keine Funktion zufällt und daher auch nicht explizit in die Analyse miteinbezogen werden müssen. Das von Coase kritisierte institutionelle Defizit entsteht nicht zufällig, sondern erscheint als die logische Konsequenz des neoklassischen Modellansatzes. Die Allgemeine Gleichgewichtstheorie wird aus diesem Grund, weil sie zur Institutionen-bildung keinen Anlaß bietet, den institutionenbildenden Koordinations-problemen vorangestellt. Die Einführung in diejenigen Koordinations-probleme dagegen, die Institutionen zu ihrer Lösung bedürfen, erfolgt in Kapitel 3.2. Die Arbeit unterscheidet drei Typen: Koordinationsprobleme mit identischem Handeln, Koordinationsprobleme mit komplementärem Handeln und Dominanzspiele, zu denen auch das Prisoners’ Dilemma Spiel zählt. Kapitel 3.2.1 stellt diese Typen anhand einfacher Beispiele vor. Weiterhin enthält dieses Kapitel die spieltheoretische Methode, mit der diese Koordinationsprobleme in der weiteren Verlauf der Arbeit untersucht werden. Es wird ein Lösungskonzept der Spieltheorie aufgegriffen, das unter dem Namen Evolutionär Stabile Strategien bekannt ist. Dieses Lösungs-konzept wurde ausgewählt, weil es Institutionenbildung als einen Entwicklungsprozeß abbildet und zugleich geringe Anforderungen an die Rationalität der Beteiligten stellt. Damit wird Williamsons „bounded rationality“ Argument Rechnung getragen. Weiterhin wird in Kapitel 3.2.3 der in dieser Arbeit verwendete Transaktionskostenbegriff entwickelt. Um einen brauchbaren Maßstab für die Effizienz der Koordination darstellen zu können, dürfen die Transaktionskosten nicht als exogene Größe aufgefaßt werden. Sie müssen vielmehr die Koordinationsdefizite endogen aus dem Koordinationsprozeß selbst offenlegen. Die einfachste Möglichkeit dazu stellt die Messung des Koordinationserfolges als Differenz der „perfekten“ Koordination und der tatsächlich erreichten Ergebnisse dar. Nach Abschluß dieses „Methodenkapitels“ greifen die Kapitel 3.3 bis 3.5 die spezifizierten Typen von Koordinationsproblemen erneut auf und wenden die entwickelten Konzepte darauf an. Um die Relevanz der einzelnen Problemtypen zu verdeutlichen, werden den Kapiteln jeweils Beispiele aus der volkswirtschaftlichen Literatur vorangestellt. Kapitel 4 faßt abschließend die Untersuchungsergebnisse der vorangegangen Kapitel zusammen.