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„Es findet sich sehr viel Hardcore-Todesthematik zwischen den Buchdeckeln, und der Tod taucht in vielen Formen auf: Ganz konkret in der Suite ‚Weiße Milch aus der bösen Brust’, wo die Dichterin Zeuge des Falls einer Frau aus dem vierten Stock ist, bis hin zu den crazy-lallenden Liebesgedichten im Abschnitt ‚Ladies First’, die gleichzeitig über das beginnende Altern des Körpers reflektieren. Die showinspirierten Strategien, die
Moestrups Gedichte aufweisen, scheinen den Schritt hinaus in regelrechte Hexenrituale zu gehen, und man kann sagen, dass die Natur diesmal weniger plastikartig und mehr unterirdisch wirkt, chthonisch: dunkel, bedrohlich und unkontrolliert, auch wenn das Maskenspiel stets anwesend ist. Denn sie sticht rasch Löcher in den düsteren Ton, es ist, als würde die Gundel-Gaukelei-Maske zerspringen und eine ‚kleinere’ Stimme hervorlugen, die vielen albernen Reime geben den Gedichten – ungeachtet dessen, wie böse sie sind – ein aufgeputschtes, schräges und humoristisches Gepräge. (…) Moestrups Grübeleien sind hysterisch lustig, schön, wild und relevant.“ – Susanne Christensen, Klassekampen
Stirb, Lüge, stirb
Gedichte. Aus dem Dänischen von Alexander Sitzmann
von Mette Moestrup, illustriert von Andreas Töpfer, übersetzt von Alexander SitzmannIn meiner Lyrik arbeite ich damit, neue Formen zu (er)finden, weil Form nicht nur etwas Äußerliches ist, sondern auch davon handelt, wie man seine Gedankengänge gestaltet, Denkformen. Die Form entspringt dem Stoff, ich arbeite intuitiv-systematisch und sehe mich als humanistische Konzeptualistin. Sprache ist Menschensprache. Die Sprache ist uns ausgeliefert, unserer Verwendung ihrer selbst, doch gleichzeitig birgt sie eine kolossale Kraft in sich, deshalb kann Sprache gefährlich sein. Genauso, wie sie extrem heilsam sein kann. Schon lange beschäftige ich mich mit gegenseitiger mentaler
Entpatriarchalisierung und Entkolonisierung, welche nicht nur etwas Ideologisches, sondern auch etwas Ästhetisches und Methodisches sind. Mein Schreiben fordert neue Rituale, neue Mythen, es treibt mich zu Experimenten, und ich arbeite häufig mit Objekten im konkreten Raum – beispielsweise besitze ich einen Glasrevolver,
über den in Stirb, Lüge, stirb geschrieben wird. Einige der Themen, mit denen ich
mich in meinen Werken beschäftigt habe und die oft politisch genannt worden sind, sind Geschlecht, Sexualität, Identität, die Sicht auf „den Anderen“, Kritik am Weißsein und an der Heimat. „Stirb, Lüge, stirb“ ist ein umfangreicher und komplexer Gedichtband in fünf Teilen, komponiert wie ein Wurzelgeflecht mit vielen nicht hierarchischen Verzweigungen, Verschiebungen und Verbindungen. „Stirb, Lüge, stirb“ ist ein existenzieller und experimenteller Gedichtband über das Weißsein, darüber, Zeuge zu sein, über Mythen, den Verlust von Liebe und über Gemeinschaft. ‒ Mette Moestrup