11 Merkwürdige Geschichten von Teddy Matthau | ISBN 9783940640147

11 Merkwürdige Geschichten

von Teddy Matthau
Buchcover 11 Merkwürdige Geschichten | Teddy Matthau | EAN 9783940640147 | ISBN 3-940640-14-X | ISBN 978-3-940640-14-7

11 Merkwürdige Geschichten

von Teddy Matthau

Auszug

Sammelleidenschaften
. An der nächsten Ecke stand Toms Wagen, ein alter russischer Transporter, der aussah, als ob er schon einige Kriege überstanden hätte. Diana staunte: „Das ist deins? Warum hast du so ein großes Auto?“ Er zögerte. „Ja. also. ich transportiere manchmal größere. wie soll man sagen.?“ - „Jetzt sag schon!“ - „Also gut. Aber du darfst mich nicht auslachen, ok?“ - „Geht klar. Und?“ - „Also: Ich sammle Feuerwehrschläuche. Internationale und historische Schläuche mit Spritze und Rolle.“ Tom öffnete die Hecktür. „Da hinten liegt zum Beispiel die KS 7. Die war schon beim Reichstagsbrand 1933 im Einsatz. Und der Schlauch rechts an der Wand war bei dem Vulkanausbruch in Kolumbien 1985 dabei. Leider nur noch zum Teil erhalten. Die Spritze wurde verschüttet.“ - „Das ist doch ein schönes Hobby! Warum sollte ich lachen?“ - „Naja, manche Menschen verstehen das eben nicht.“ - „Ach, das ist doch nichts Besonderes. Weißt du, was ich mache? Ich klaue Röntgenbilder aus Krankenhäusern.“ - „Ach. Wozu das denn?“ - „Ich weiß nicht. Es gibt mir ein schönes Gefühl. Besonders gerne sehe ich Computertomographien von Meniskusrissen, aber auch Arthrosen im Großzehengelenk.“ Während der Fahrt sah sie Tom die ganze Zeit an. „Ich glaube, ich mag dich!“ flüsterte sie vorm Aussteigen und gab ihm einen vorsichtigen Kuss. „Wir sollten mal was zusammen unternehmen. Tschüühüüs!“ Tom war glücklich. Er war zwar nicht sicher, ob es sich bei Diana um eine gefährliche Wahnsinnige handelte oder ob sie nur eine harmlose Macke hatte, aber sie war einfach faszinierend.
Paulina
. Die Sonne rollte sich über dem anderen Ufer des Karpfenteichs vom Himmel herab und ein kühler Wind bewegte die Millionen Spiegel auf seiner Oberfläche beinahe regelmäßig hin und her. Nur die gelangweilte Schwanenfamilie in der Mitte des Teichs machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Jetzt begann der Wind, das Schilf am Ufer vor mir zu sortieren und den nichtsahnenden Mückenschwarm über dem Weg zu verunsichern. Eine Rohrdommel dommelte mehr schlecht als recht in den Wald hinein, was der Specht zu recht mit einer Trommelpause quittierte. Eine Libelle schimmerte ohne Nachzudenken blau vor sich hin. Der Spatz sah es zuerst, dann drehte auch ich meinen Kopf nach rechts. Neben der dicken Eiche erschien in gemächlichem Schritt ein weißes Pferd. Eine wunderschöne Frau saß seitlich darauf, so dass ihre Knie zu mir zeigten und ich ihr langes weißes Kleid in voller Pracht bewundern konnte, als sie vor mir im Strahlenkranz der Sonne anhielt und mir ein zauberhaftes Lächeln schenkte.
„Paulina! Da bist du ja endlich!“ Ich sprang auf und streckte ihr die Arme entgegen. „Hast du die Sauermehlsuppe mitgebracht?“ Jetzt sah sie mich doch etwas betrübt an und auch ich war erschrocken über mein seltsames Verhalten. Wie konnte ich nur eine so ergreifend hübsche Frau mit einem so vorwurfsvollen und gleichzeitig so banalen Satz begrüßen? Und das, obwohl ich sie überhaupt nicht kannte.
Ein lautes Rumsen zerstörte unsere romantische Begegnung. Paulinas Bild wurde immer schwächer. „Muss der Idiot aus dem dritten Stock wieder morgens um halb sechs seine Wohnungstür zuknallen!“ dachte ich. Ich war fest entschlossen, ihn irgendwann zu erschießen. Aber jetzt war es wichtiger, meinen Traum festzuhalten und die hübsche Paulina nicht zu verlieren. Ich bemühte mich, meine Augen fest verschlossen zu halten und versuchte Paulinas Hand zu erreichen. Aber das Pferd lief immer weiter und der Idiot aus dem Dritten trampelte rücksichtslos die Treppe herunter. Jetzt hatte ich nur noch das Glitzern des Karpfenteichs vor mir. Vorsichtig öffnete ich mein verklebtes rechtes Auge. Mein verschwommener Blick blieb schwach auf meiner Bettdecke liegen und bestaunte regungslos, wie die rötliche Sonne an den Zweigen der Kastanie vor meinem Fenster herauf kletterte.
Ich wollte mir die Krümel aus den Augen wischen, war aber zu schwach, die Hand unter der Bettdecke hervorzuholen. Also schloss ich das Auge wieder und versuchte weiter zu schlafen. Heute war Dienstag. Ich musste noch einige Unterlagen beim Amt einreichen. „Wahrscheinlich fehlt wieder irgendein Formular und ich muss mir einen neuen Termin holen!“ dachte ich und meine Gedanken waren mir zuwider. Ich versuchte meinen Kopf abzuschalten, drehte mich auf die andere Seite, lüftete kurz mit dem Fuß die Decke und wartete darauf, dass die ruhige, warme Dunkelheit mich wieder umarmen würde.