Facetten 2020 | Literarisches Jahrbuch der Stadt Linz | ISBN 9783990289747

Facetten 2020

Literarisches Jahrbuch der Stadt Linz

illustriert von Robert Oltay, herausgegeben von Erich Klein
Mitwirkende
Herausgegeben vonErich Klein
Redaktionelle KoordinationPeter Leisch
Illustriert vonRobert Oltay
Beiträge vonChristian Steinbacher
Beiträge vonKarin Peschka
Beiträge vonAngela Flam
Beiträge vonMario Keszner
Beiträge vonEva Fischer
Beiträge vonRenate Silberer
Beiträge vonLisa-Viktoria Niederberger
Beiträge vonRichard Wall
Beiträge vonKatharina Zanon
Beiträge vonKatharina Wurzer
Beiträge vonUlrike Fellnhofer-Lamm
Beiträge vonDietmar Füssel
Beiträge vonLydia Haider
Beiträge vonRobert Oltay
Beiträge vonHelmut Neundlinger
Beiträge vonStephanie Doms
Beiträge vonStefan Reiser
Beiträge vonBenjamin Rizy
Beiträge vonKatharina Riese
Beiträge vonOtto Johannes Adler
Beiträge vonAndrea Zipko
Beiträge vonWilhelm Rager
Beiträge vonAndrea Drumbl
Beiträge vonHerbert Christian Stöger
Beiträge vonBernhard Widder
Beiträge vonMartin Klaus Menzinger
Beiträge vonVerena Dolovai
Beiträge vonHildegard Pramhas
Beiträge vonSusanne Purviance
Beiträge vonKurt Mitterndorfer
Beiträge vonRudolf Habringer
Beiträge vonOrtrun Veichtlbauer
Beiträge vonGeorg Wilbertz
Buchcover Facetten 2020  | EAN 9783990289747 | ISBN 3-99028-974-8 | ISBN 978-3-99028-974-7
Leseprobe

Facetten 2020

Literarisches Jahrbuch der Stadt Linz

illustriert von Robert Oltay, herausgegeben von Erich Klein
Mitwirkende
Herausgegeben vonErich Klein
Redaktionelle KoordinationPeter Leisch
Illustriert vonRobert Oltay
Beiträge vonChristian Steinbacher
Beiträge vonKarin Peschka
Beiträge vonAngela Flam
Beiträge vonMario Keszner
Beiträge vonEva Fischer
Beiträge vonRenate Silberer
Beiträge vonLisa-Viktoria Niederberger
Beiträge vonRichard Wall
Beiträge vonKatharina Zanon
Beiträge vonKatharina Wurzer
Beiträge vonUlrike Fellnhofer-Lamm
Beiträge vonDietmar Füssel
Beiträge vonLydia Haider
Beiträge vonRobert Oltay
Beiträge vonHelmut Neundlinger
Beiträge vonStephanie Doms
Beiträge vonStefan Reiser
Beiträge vonBenjamin Rizy
Beiträge vonKatharina Riese
Beiträge vonOtto Johannes Adler
Beiträge vonAndrea Zipko
Beiträge vonWilhelm Rager
Beiträge vonAndrea Drumbl
Beiträge vonHerbert Christian Stöger
Beiträge vonBernhard Widder
Beiträge vonMartin Klaus Menzinger
Beiträge vonVerena Dolovai
Beiträge vonHildegard Pramhas
Beiträge vonSusanne Purviance
Beiträge vonKurt Mitterndorfer
Beiträge vonRudolf Habringer
Beiträge vonOrtrun Veichtlbauer
Beiträge vonGeorg Wilbertz

Dass Corona-Tagebücher zu einem bedeutenden Genre der Literatur würden, durfte schon im Moment ihres Entstehens bezweifelt werden. Der Klon aus Reaktionsgeschwindigkeit sozialer Medien und überstürzter Verbalisierung der persönlichen Isolation führte nur den prekären Zustand der literarischen Öffentlichkeit, der ohnedies kein neuer ist, drastisch vor Augen: Neo-Biedermeier, in dem Autorenlesungen bestenfalls durch Live-Stream ersetzt werden, und die Produktionen aus dem Elfenbeinturm ins heillose Hintertreffen geraten. Der Buchmarkt, den keiner mehr überschaut, läuft ungerührt weiter. Das „Literarische Jahrbuch der Stadt Linz“ begnügt sich stattdessen und ohne falsche Bescheidenheit mit jenem Koeffizienten, den einst Hans Magnus Enzensberger festlegte: in keinem Land und in keiner Sprache betrage die Anzahl der Leser von Dichtung seit jeher mehr als zweihundertfünfzig.

Vielleicht war es aber kein Zufall, dass dieses solitär-private Verständnis von Literatur seinen Ursprung in der existenziellen Reaktion auf eine Katastrophe hatte, die seinerzeit alle traditionellen Vorstellungen von Natur, Mensch und Welt erschütterte. Bekanntlich war es das Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755, auf das Voltaire mit seinem „Candide oder der Optimismus“ in Form einer Satire auf die beste aller Welten reagierte, an deren Ende eine leidige Empfehlung stand: „Es geht darum, sich um den eigenen Garten zu kümmern!“ Die Moderne war erfunden! Ob es tatsächlich das Scheitern der klassischen Fragen nach dem Bösen und dem Unheil in der Welt war, was uns noch immer zu Lesern von Anthologien macht, sei dahingestellt, doch wie anders wäre das Vergnügen bei der Lektüre des „sanften Unmenschen“ Stifter, oder die Lust an tragischen Gegenständen angesichts der „fröhlichen Apokalypsen“ aller Modernen zu erklären? Heute ließe sich dementsprechend fragen: wer wäre jenseits aller Katastrophendiagnostik mehr berufen, die intime Chronik ihrer Zeit zu verfassen als Autorinnen und Autoren?

Corona fand in die FACETTEN 2020 nur in einigen Fällen und auf rudimentäre Weise Eingang. Schließlich handelt es sich bei der Pandemie nicht nur um einen Unfall, sondern vor allem um einen Zufall unserer Lebenswelt mit nicht vorgesehenen drastischen Folgen. Als Motto über den vierunddreißig Beiträgen der diesjährigen FACETTEN könnte denn auch eines der lakonischen Fragmente von Eva Fischer stehen: „Der Zufall hat immer einen Einfall.“ Dass die Zeit für substanzielle literarische Reflexion des viralen Ausnahmezustandes noch nicht reif ist, macht der Beitrag der Autorengruppe „Original Linzer Worte“ schon im Titel deutlich: „Als wir etwas für die Facetten schreiben wollten, aber dadurch leider Linz und das System zerstört haben.“ Soweit sollte es noch kommen! Wer sich den Umständen vorsichtiger nähert, gerät wie Karin Peschkas erzählerischer Essay ins Zögern: „Und eine Reise nach Linz. Von wo? Wohin?“ Es sind vor allem Fragen, die auch in der großen Prosa-Tirade des Lyrikers Christian Steinbacher überdeutlich werden, der allerdings – allen widrigen Zuständen zum Trotz – jenes ästhetische Grundprinzip auf den Punkt bringt, dem jeder literarische Text, der diesen Namen verdient, zu folgen hat: „Daumenlutschen ist sicher eine Schwachstelle, aber Bohren in der Nase nicht minder.“ Was sonst noch bleibt ist bis auf Weiteres „Werktag“, von dem es in Richard Walls Gedicht heißt: „Apfel rot / Und Morgen blau / Der Tag lüftet seinen Hut. // Pendler stehn im Stau / Gieße mir Tee und Milch / In die Tasse. // Und warte / Bis des Nachbars Hofhund bellt / Und mir das erste Wort einfällt.“

(Erich Klein im Vorwort)