Der Kessel der Götter von Jan Fries | Handbuch der keltischen Magick | ISBN 9783944180328

Der Kessel der Götter

Handbuch der keltischen Magick

von Jan Fries
Buchcover Der Kessel der Götter | Jan Fries | EAN 9783944180328 | ISBN 3-944180-32-1 | ISBN 978-3-944180-32-8

Der Kessel der Götter

Handbuch der keltischen Magick

von Jan Fries

Auszug

Die Übersetzung dieses Buches wurde von Rasputinka gemacht. Vor einigen Jahren überraschte sie meinen Freund Volkert mit der Nachricht, sie hätte aus purer Begeisterung eine komplette Übersetzung verfasst. Was eine gute Medita-tion ist. Denn dass, was man sorgsam übersetzt, liest man auch wirklich ganz genau. Du liest, was da ist und bemerkst was fehlt. Und beobachtest dich selbst bei der Wahrnehmung. Und verstehst viel intensiver, als wenn du schnell und schlampig drüberfliegt. Denn manche Texte sollten gut bedacht werden. Und als der Verlag Edition Roter Drache die deutschen Rechte erwarb, stand diese Übersetzung erfreulicherweise schon zur Verfügung.
Um bei den Gedichten eine größtmögliche Genauigkeit zu erzielen, habe ich die Übersetzung aller Lieder und Gedichte selbst verfasst. Ich habe mich, was die Four Ancient Books of Wales angeht, zunächst an die von William Skene editier-te Version gehalten. Diese vier Manuskripte gehören zum wichtigsten Material über die mittelalterlichen britischen Barden und ihr erstaunliches Weltbild. Eigentlich kommen die Lieder nur teilweise aus Wales, viele von ihnen stammen aus dem heutigen Nordengland und den Gebieten um das südliche Schottland, wo das ursprüngliche Königreich Rheged vermutet wird. Hier sang der erste (bekannte) Taliesin für Urien, hier kämpften die Briten gegen Pikten und Gälen. Und von hier wurden sie ins schöne, aber arme und gebirgige Wales verdrängt, wo ihre Lieder dank viel Glück aufgezeich-net und bewahrt blieben. Die Four Ancient Books und das Mabinogion (mittlerweile auch teilweise in deutscher Spra-che erhältlich) sind unsere wichtigsten Quellen zum britischen Keltentum nach der römischen Besetzung.
Da du ja gerne schwierige Sachen liest, möchte ich zunächst erklären, was es mit dieser Übersetzung auf sich hat. Im deutschen Sprachraum sind die Liefer und Texte der inselkeltischen Barden vernachlässigt worden. In England wurde vor mehr als 150 Jahren die Geschichten aus dem Roten Buch von Hergest (verfasst um ca. 1300) veröffentlicht. Lady Charlotte Guest besorgte die Übersetzung und brachte elf Legenden unter dem Titel Mabinogion heraus. Genau ge-nommen werden nur die ersten vier dieser Geschichten als Mabinogi bezeichnet. Wie auch immer, sie landete mit ihrer Publikation einen Bestseller, der auf die Romantiker des ‘Celtic Twilights’ enormen Einfluss hatte. Bei uns sind erst vor wenigen Jahren die ersten vier Geschichten des Mabinogions in deutscher Sprache erscheinen. Zum Glück in einer qualitativ hochwertigen Übersetzung von Bernhard Maier, die ich jedem Leser dringend empfehlen möchte.
Die Lieder der britischen Barden sind in den letzten Jahrhunderten etliche Male von der kymrischen in die englische Sprache übertragen worden. Dabei stand bedauerlicherweise meist die persönliche Vorliebe der Übersetzer im Vorder-grund. Die Kooperation von Owen Pughe, Owen Jones und Edward Williams (1801) litt unter stark romantischen und nationalistischen Interessen. Edward Williams, besser bekannt als Iolo Morgannwg, war vor allem an der Etablierung seines neo-druidischen Ordens interessiert. Iolo sammelte zahlreiche alte Manuskripte und übersetzte wie es ihm passte. Was er nicht in den Quellen finden konnte fälschte oder erfand er. Wobei er reichlich Opiumtinktur konsumierte und erstaunliche Kreativität bewies. Das Ergebnis war eine uralte neuerfundene bardisch-druidische Tradition die sich un-gebrochen von der Megalithzeit bis ins 18. Jahrhundert fortsetzte. Und noch heute in Stonehenge zelebriert wird.
Edward Davies Mythology of the British Druids, 1809, und Algernon Herberts Werke Britannia after the Romans (1836) und The Neo-Druidic Heresy (1838) waren einflussreiche Werke, die mit Hilfe heftigster Übersetzungsfehler eine heidnisch-druidische Tradition in der britischen Bardenpoesie nachwiesen. Auf diese Autoren geht auch die Theo-rie zurück, die Druiden hätten das britischen Christentum geprägt. Was dann zu den bekannten Konflikten zwischen der ‘keltischen’ und der römischen Kirche geführt hätte. Sie waren der Ansicht, die Druiden, welche in den Handschriften flüchtig erwähnt werden, wären direkte Nachfolger jenen Druiden, die zur römischen Besatzungszeit in Gallien die herrschende Klasse ausmachten. Dabei ignorierten sie, dass die gallischen Druiden nicht mit den britischen und irischen Druiden identisch waren, und dass das Wort ‘Druide’ in vielen mittelalterlichen Texten einfach ‘Zauberer’, ‘Hexer’ oder ‘Wahrsager’ bedeutet. Was nicht ganz das selbe ist wie ein Angehöriger einer vorchristlichen Priester-, Gelehrter- und Juristenklasse. Vor allem wollten sie beweisen, dass auch die britischen Barden einen Korpus an uralten heiligen Überlieferungen hinterlassen hätten, der dem schottischen Ossian gleichwertig wäre. Nun, Ossian war damals europa-weit ein Bestseller (sogar Goethe und Napoleon waren davon begeistert). Heute ist das Werk als eine typisch romanti-sche Fälschung in Vergessenheit geraten.
Auf die ‘druidische’ Begeisterung folgte dann eine starke Ernüchterung. Verschiedene Forscher gingen daran, die (möglicherweise) heidnisch-keltischen Elemente aus den Texten zu tilgen, und bewiesen schlüssig, dass der Großteil der britischen Gedichte auf die mittelalterlichen Gogynfeirdd Barden zurückging, von denen einige ihre Lieder mit älteren Bruchstücken schmückten. Und wieder wurde hoffnungslos übertrieben. Wo die Vorgängergeneration die Lie-der, wenn möglich, ins vorchristliche Heidentum verlegte, datierte Thomas Stephens The Literature of the Kymry (1849) und D. W. Nash The Bards and Druids of Britain (1858) das Material, wann immer möglich, zwischen dem elf-ten und vierzehnten Jahrhundert. Leider lieferten auch sie Übersetzungen, die bestenfalls als einseitig gelten dürfen. Heidnisches Gedankengut oder Hinweise auf die ältere Geschichte wurden prinzipiell nicht für möglich gehalten oder gleich umgedeutet. Nashs Übersetzung erfreut sich, dank ihrer Verwendung durch Robert Graves in seinem Bestseller Die weiße Göttin (1948), immer noch größter Beliebtheit. Diese Version der bardischen Gesänge dürfte zur Zeit im deutschen Sprachbereich am bekanntesten sein. Sie hatte großen Einfluss auf die Matriarchatsforschung und auf die Glaubenswelt des modernen Wicca. Zahllose begeisterte Heiden hielten Graves’ extrem schlampig recherchiertes Werk für eine glaubwürdige Geschichtsstudie. Wobei man Nash nicht vorwerfen kann, was Graves aus seinen Übersetzungen gemacht hat. Denn wo Nash bemüht war, die bardischen Lieder zu entmystifizieren, hat Graves ganz einfach seine persönlichen und reichlich durchgeknallten Visionen der griechischen und vorderasiatischen Mythologie in sie hineinin-terpretiert. Die Mischung verkauft sich immer noch.
Wobei wir zu Skenes The Four Ancient Books of Wales (1868) kommen. Die von ihm editierten Gedichte wurden von namhaften Philologen erstellt. Reverend Silas Evans aus Llanymawddy übersetzte das Schwarze Buch von Carmarthen, das Buch von Aneurin und das rote Buch von Hergest. Reverend Robert Williams aus Rhydycroesau übernahm das wesentlich schwierigere Buch von Taliesin. Ihre Arbeiten wurden mit einer neuen Abschrift der Originaldokumente von Skene bearbeitet und veröffentlicht. Das Ergebnis war die erste wissenschafliche Übersetung des bardischen Liedergu-tes. Für ihre Zeit eine einzigartige Leistung. Ich habe bei der deutschen Übersetzung der Lieder die Skene Version als Grundlage genommen. Aber auch diese weist zahlreiche Schwachpunkte auf. Die Sprachforschung hat mittlerweile viele Fortschritte gemacht. Und auch das Englisch von 1868 ist reichlich altmodisch. Dennoch haben sich bis heute nur wenige Philologen bemüht, eine so umfassende Übersetzung der kymrischen Poesie zu wagen. Es gibt neuere, verlässli-che Übersetzungen von Teilen vom Schwarzen Buch von Carmarthen, vom Roten Buch von Hergest, vom Aneirin und von einer Reihe von Taliesin Liedern. 2007 sind endlich die späteren, mystischen Taliesin Lieder von Marged Haycock auf hohem wissenschaftlichen Niveau neu übersetzt worden. Es sagt einiges über die Schwierigkeit des Materials, dass sich hier über hundertdreissig Jahre lang die Skene Übersetzung behauptet hat. In Haycocks Übersetzung werden 26 der schwierigsten Taliesin Lieder auf über 550 Seiten Wort für Wort und Zeile für Zeile genau übertragen, diskutiert und in vielen alternativen Lesungsarten vorgestellt. Das Ergebnis ist einfach begeisternd. In meiner Bearbeitung der mysti-schen Taliesin Gedichte habe ich häufig ihre Studie konsultiert. Ich möchte hier Marged Haycock für die freundliche Genehmigung danken, ihre Arbeit zu verwenden. Und ich möchte allen begeisterten Keltophilen von ganzem Herzen empfehlen, sich ihr Buch sofort zu bestellen. Legendary Poems from the Book of Taliesin ist direkt be CMCS Publicati-ons, Department of Welsh, Aberystwyth University, Ceredigion, SY23 2AX, Wales, GB erhältlich. Wer wissen will, wie schön, spannend und kompliziert mittelalterliche Manuskripte sein können, ist hier bestens aufgehoben.
Nur um einmal einen kleinen Einblick in dieses verwirrende Thema zu geben, hier ein paar Anmerkungen. Das Buch von Taliesin ist nur in einem einzigen, unvollständigen Manuskript erhalten, und die beiden Lieder daraus, die auch in anderen Dokumenten erscheinen, zeigen Unterschiede in der Länge und Rechtschreibung. Garnicht zu reden von der chaotischen Interpunktuation. Wir wissen also, mangels Vergleichswerten, nicht wie verlässlich unserer vorliegendes Dokument ist. Das mittelalterliche Kymrisch war keine genormte Sprache, sondern stand am Anfang einer weltlichen Schriftkultur. Die Rechtschreibung hatte keine Norm sondern richtete sich nach dem örtlichen Dialekt. Dazu kommt, dass das Alter der Lieder stark variiert. Die ältesten Taliesin Lieder stammen aus dem sechsten Jahrhundert, die neues-ten aus dem dreizehnten. Niedergeschrieben wurde das uns erhaltene Manuskript etwa im späten dreizehnten Jahrhun-dert. Leider verstand der Schreiber nicht alles, was er da so sorgfältig kopierte. Schon die Barden der Gogynfeirdd Zeit (11. - 13. Jahrhundert) kannten nicht mehr alle Worte der älteren Sprache, denn diese hatte sich in den vorherigen Jahr-hunderten mehrmals stark verändert. Sie haben gelegentlich älteres Material verwendet und bei Bedarf erweitert und umgeschrieben, um Versmaß und Reime zu erhalten, aber dabei haben sich Missverständnisse und Unklarheiten in den Text geschlichen. Sie waren auch ausgesprochen kreativ. Manchmal haben sie kurzerhand zu alten Themen neue Ge-schichten erfunden. Aber nicht genug damit. Die vorliegenden Lieder enthalten häufig unverständliche Worte. Viele dürften Rechtschreibefehler sein. Aber wenn wir raten müssen, von welchen anderen Worten, haben wir schnell für einen einzigen Begriff eine ganze Reihe möglicher Lesungsarten, die weit voneinander abweichen.
Es gibt also, besonders bei Taliesin, keine sichere Übersetzung. Wir müssen oft Möglichkeiten abwägen. Oder den Kontext betrachten, das Versmaß oder den Endreim rekonstruieren oder vergleichbare Redewendungen der bekannteren mittelalterlichen Literatur zu Rate ziehen. Ich habe also bei meinen Übersetzungen alternative Lesungsarten in Klam-mern aufgeführt. Das sieht nicht besonders schön aus, ist aber ehrlicher als jede Übersetzung, die glatt und locker über die zahlreichen Möglichkeiten hinwegtäuscht. Wobei ich nun wirklich nicht entscheiden will, welche Interpretation stimmt. Es gibt immer noch andere Interpretationsmöglichkeiten. Manchmal können wir uns nicht einmal sicher sein, wo ein Satz anfängt oder aufhört. In ganz besonders schlimmen Fällen, wenn eine Zeile völlig unsicher ist, habe ich sie mit einem (?) gekennzeichnet.
Für einen tieferen Einblick kann ich nur empfehlen, William Skene im Vergleich mit Marged Haycocks Übersetzung Wort für Wort durchzugehen, und dabei, wenn möglich, weitere Quellen zu konsultieren. Genau so ist meine Überset-zung entstanden. Bei den Liedern aus dem Roten Buch von Hergest waren dies vor allem Übersetzungen von Kenneth Jackson (1935), bei Texten aus dem Schwarzen Buch von Carmarthen Meirion Pennar (1989) und beim Buch von Ta-liesin John Coe & Simon Young (1995), Ifor Williams (1968) Meirion Pennar (1988) sowie Squire (1975) und Tolstoy (1985). Nash (1858) wurde, in Bezug zum Buch von Taliesin, nur sehr vorsichtig mit beachtet. Beim Hanes Taliesin wurde die vereinfachte Lady Guest Version mit den Übersetzungen von Nash verglichen.
Ich bin sicher, dass meine Übersetzung viele Fehler enthält. Aber die sind unvermeidbar. Denn jede Taliesin Überset-zung ist in erster Linie die Interpretation eines reichlich schwierigen und fehlerhaften Manuskripts. Die Sprachforscher werden noch in Jahrhunderten damit ihren Spaß haben.
Talisin hat es uns nicht leicht gemacht.
Die britischen Barden sind berühmt für ihre ‘dunkle Sprache’. Genau wie die Kelten der Vorzeit liebten sie Andeutun-gen, Symbole und Rätsel, verwendeten obskure Metaphern und waren einfach gerne schwierig. Manche ihrer Lieder, wie Lobpreisungen und Sterbegedichte, wurden feierlich und gemessen vorgetragen. Andere wurden in Trancezustän-den in voller Raserei und im Telegrammstil improvisierten. Viele Taliesinverse haben ein sehr kurzem Versmaß; man-che bevorzugen fünf Silben pro Strophe. Wobei manchmal ein Dutzend oder mehr Zeilen den selben Endreim haben. Bei so kurzen Versen kommt es zu grammatikalischen Problemen. Oft beschränkten sich die Barden auf knappe Andeu-tungen. Von denen wir viele nicht verstehen. Und die Taliesins waren berühmt dafür, ständig von Thema zu Thema zu hüpfen. Wir wissen nicht einmal, ob sie überhaupt verstanden werden wollten.
Einige der späteren Taliesin Lieder sind so verworren, dass sich die Frage stellt, ob sie aus Bruchstücken zusammenge-setzt sind. Wenn in einem Lied aus dem dreizehnten Jahrhundert plötzlich über die Gwyddyl Ffichti (gälischen Pikten) geschimpft wird, ist dies ein guter Hinweis auf hohes Alter der Passage. Denn die Pikten waren schon 850 von Kenneth MacAlpin erobert und in die schottischen Völker assimiliert worden. Dummerweise sagt uns dies nichts über das Alter des restlichen Gedichtes. Von den höheren Barden wurden auch prophetische Gesänge erwartet. Gerade wenn es um Wahrsagungen und geschichtliche Referenzen geht, scheint immer wieder an den Liedern herumgebastelt worden zu sein.
Wenn dies dein erster Ausflug in die verwirrende Welt der bardischen Gesänge ist, mach dich auf einiges gefasst. Es gibt viel zu staunen, lernen, lachen. Diese Lieder sind nicht einfach zu verstehen. Dafür bleiben sie auch lange interes-sant. Du kannst immer wieder etwas neues darin entdecken.
Was du jetzt vor dir hast, ist weder geschönt noch exakt. Es ist einfach das Beste, was ich mit meinen begrenzten Mit-teln und Kenntnissen machen konnte.
Für dich sind die Lieder und Gedichte eine Herausforderung. Mehr noch, sie bieten dir die Chance, viele Jahre lang über Rätsel zu staunen, die vermutlich nie mit Sicherheit gelöst werden. Ein gutes Rätsel kann dich dein Leben lang begleiten. Es bleibt immer alt unDie Übersetzung dieses Buches wurde von Rasputinka gemacht. Vor einigen Jahren überraschte sie meinen Freund Volkert mit der Nachricht, sie hätte aus purer Begeisterung eine komplette Übersetzung verfasst. Was eine gute Medita-tion ist. Denn dass, was man sorgsam übersetzt, liest man auch wirklich ganz genau. Du liest, was da ist und bemerkst was fehlt. Und beobachtest dich selbst bei der Wahrnehmung. Und verstehst viel intensiver, als wenn du schnell und schlampig drüberfliegt. Denn manche Texte sollten gut bedacht werden. Und als der Verlag Edition Roter Drache die deutschen Rechte erwarb, stand diese Übersetzung erfreulicherweise schon zur Verfügung.
Um bei den Gedichten eine größtmögliche Genauigkeit zu erzielen, habe ich die Übersetzung aller Lieder und Gedichte selbst verfasst. Ich habe mich, was die Four Ancient Books of Wales angeht, zunächst an die von William Skene editier-te Version gehalten. Diese vier Manuskripte gehören zum wichtigsten Material über die mittelalterlichen britischen Barden und ihr erstaunliches Weltbild. Eigentlich kommen die Lieder nur teilweise aus Wales, viele von ihnen stammen aus dem heutigen Nordengland und den Gebieten um das südliche Schottland, wo das ursprüngliche Königreich Rheged vermutet wird. Hier sang der erste (bekannte) Taliesin für Urien, hier kämpften die Briten gegen Pikten und Gälen. Und von hier wurden sie ins schöne, aber arme und gebirgige Wales verdrängt, wo ihre Lieder dank viel Glück aufgezeich-net und bewahrt blieben. Die Four Ancient Books und das Mabinogion (mittlerweile auch teilweise in deutscher Spra-che erhältlich) sind unsere wichtigsten Quellen zum britischen Keltentum nach der römischen Besetzung.
Da du ja gerne schwierige Sachen liest, möchte ich zunächst erklären, was es mit dieser Übersetzung auf sich hat. Im deutschen Sprachraum sind die Liefer und Texte der inselkeltischen Barden vernachlässigt worden. In England wurde vor mehr als 150 Jahren die Geschichten aus dem Roten Buch von Hergest (verfasst um ca. 1300) veröffentlicht. Lady Charlotte Guest besorgte die Übersetzung und brachte elf Legenden unter dem Titel Mabinogion heraus. Genau ge-nommen werden nur die ersten vier dieser Geschichten als Mabinogi bezeichnet. Wie auch immer, sie landete mit ihrer Publikation einen Bestseller, der auf die Romantiker des ‘Celtic Twilights’ enormen Einfluss hatte. Bei uns sind erst vor wenigen Jahren die ersten vier Geschichten des Mabinogions in deutscher Sprache erscheinen. Zum Glück in einer qualitativ hochwertigen Übersetzung von Bernhard Maier, die ich jedem Leser dringend empfehlen möchte.
Die Lieder der britischen Barden sind in den letzten Jahrhunderten etliche Male von der kymrischen in die englische Sprache übertragen worden. Dabei stand bedauerlicherweise meist die persönliche Vorliebe der Übersetzer im Vorder-grund. Die Kooperation von Owen Pughe, Owen Jones und Edward Williams (1801) litt unter stark romantischen und nationalistischen Interessen. Edward Williams, besser bekannt als Iolo Morgannwg, war vor allem an der Etablierung seines neo-druidischen Ordens interessiert. Iolo sammelte zahlreiche alte Manuskripte und übersetzte wie es ihm passte. Was er nicht in den Quellen finden konnte fälschte oder erfand er. Wobei er reichlich Opiumtinktur konsumierte und erstaunliche Kreativität bewies. Das Ergebnis war eine uralte neuerfundene bardisch-druidische Tradition die sich un-gebrochen von der Megalithzeit bis ins 18. Jahrhundert fortsetzte. Und noch heute in Stonehenge zelebriert wird.
Edward Davies Mythology of the British Druids, 1809, und Algernon Herberts Werke Britannia after the Romans (1836) und The Neo-Druidic Heresy (1838) waren einflussreiche Werke, die mit Hilfe heftigster Übersetzungsfehler eine heidnisch-druidische Tradition in der britischen Bardenpoesie nachwiesen. Auf diese Autoren geht auch die Theo-rie zurück, die Druiden hätten das britischen Christentum geprägt. Was dann zu den bekannten Konflikten zwischen der ‘keltischen’ und der römischen Kirche geführt hätte. Sie waren der Ansicht, die Druiden, welche in den Handschriften flüchtig erwähnt werden, wären direkte Nachfolger jenen Druiden, die zur römischen Besatzungszeit in Gallien die herrschende Klasse ausmachten. Dabei ignorierten sie, dass die gallischen Druiden nicht mit den britischen und irischen Druiden identisch waren, und dass das Wort ‘Druide’ in vielen mittelalterlichen Texten einfach ‘Zauberer’, ‘Hexer’ oder ‘Wahrsager’ bedeutet. Was nicht ganz das selbe ist wie ein Angehöriger einer vorchristlichen Priester-, Gelehrter- und Juristenklasse. Vor allem wollten sie beweisen, dass auch die britischen Barden einen Korpus an uralten heiligen Überlieferungen hinterlassen hätten, der dem schottischen Ossian gleichwertig wäre. Nun, Ossian war damals europa-weit ein Bestseller (sogar Goethe und Napoleon waren davon begeistert). Heute ist das Werk als eine typisch romanti-sche Fälschung in Vergessenheit geraten.
Auf die ‘druidische’ Begeisterung folgte dann eine starke Ernüchterung. Verschiedene Forscher gingen daran, die (möglicherweise) heidnisch-keltischen Elemente aus den Texten zu tilgen, und bewiesen schlüssig, dass der Großteil der britischen Gedichte auf die mittelalterlichen Gogynfeirdd Barden zurückging, von denen einige ihre Lieder mit älteren Bruchstücken schmückten. Und wieder wurde hoffnungslos übertrieben. Wo die Vorgängergeneration die Lie-der, wenn möglich, ins vorchristliche Heidentum verlegte, datierte Thomas Stephens The Literature of the Kymry (1849) und D. W. Nash The Bards and Druids of Britain (1858) das Material, wann immer möglich, zwischen dem elf-ten und vierzehnten Jahrhundert. Leider lieferten auch sie Übersetzungen, die bestenfalls als einseitig gelten dürfen. Heidnisches Gedankengut oder Hinweise auf die ältere Geschichte wurden prinzipiell nicht für möglich gehalten oder gleich umgedeutet. Nashs Übersetzung erfreut sich, dank ihrer Verwendung durch Robert Graves in seinem Bestseller Die weiße Göttin (1948), immer noch größter Beliebtheit. Diese Version der bardischen Gesänge dürfte zur Zeit im deutschen Sprachbereich am bekanntesten sein. Sie hatte großen Einfluss auf die Matriarchatsforschung und auf die Glaubenswelt des modernen Wicca. Zahllose begeisterte Heiden hielten Graves’ extrem schlampig recherchiertes Werk für eine glaubwürdige Geschichtsstudie. Wobei man Nash nicht vorwerfen kann, was Graves aus seinen Übersetzungen gemacht hat. Denn wo Nash bemüht war, die bardischen Lieder zu entmystifizieren, hat Graves ganz einfach seine persönlichen und reichlich durchgeknallten Visionen der griechischen und vorderasiatischen Mythologie in sie hineinin-terpretiert. Die Mischung verkauft sich immer noch.
Wobei wir zu Skenes The Four Ancient Books of Wales (1868) kommen. Die von ihm editierten Gedichte wurden von namhaften Philologen erstellt. Reverend Silas Evans aus Llanymawddy übersetzte das Schwarze Buch von Carmarthen, das Buch von Aneurin und das rote Buch von Hergest. Reverend Robert Williams aus Rhydycroesau übernahm das wesentlich schwierigere Buch von Taliesin. Ihre Arbeiten wurden mit einer neuen Abschrift der Originaldokumente von Skene bearbeitet und veröffentlicht. Das Ergebnis war die erste wissenschafliche Übersetung des bardischen Liedergu-tes. Für ihre Zeit eine einzigartige Leistung. Ich habe bei der deutschen Übersetzung der Lieder die Skene Version als Grundlage genommen. Aber auch diese weist zahlreiche Schwachpunkte auf. Die Sprachforschung hat mittlerweile viele Fortschritte gemacht. Und auch das Englisch von 1868 ist reichlich altmodisch. Dennoch haben sich bis heute nur wenige Philologen bemüht, eine so umfassende Übersetzung der kymrischen Poesie zu wagen. Es gibt neuere, verlässli-che Übersetzungen von Teilen vom Schwarzen Buch von Carmarthen, vom Roten Buch von Hergest, vom Aneirin und von einer Reihe von Taliesin Liedern. 2007 sind endlich die späteren, mystischen Taliesin Lieder von Marged Haycock auf hohem wissenschaftlichen Niveau neu übersetzt worden. Es sagt einiges über die Schwierigkeit des Materials, dass sich hier über hundertdreissig Jahre lang die Skene Übersetzung behauptet hat. In Haycocks Übersetzung werden 26 der schwierigsten Taliesin Lieder auf über 550 Seiten Wort für Wort und Zeile für Zeile genau übertragen, diskutiert und in vielen alternativen Lesungsarten vorgestellt. Das Ergebnis ist einfach begeisternd. In meiner Bearbeitung der mysti-schen Taliesin Gedichte habe ich häufig ihre Studie konsultiert. Ich möchte hier Marged Haycock für die freundliche Genehmigung danken, ihre Arbeit zu verwenden. Und ich möchte allen begeisterten Keltophilen von ganzem Herzen empfehlen, sich ihr Buch sofort zu bestellen. Legendary Poems from the Book of Taliesin ist direkt be CMCS Publicati-ons, Department of Welsh, Aberystwyth University, Ceredigion, SY23 2AX, Wales, GB erhältlich. Wer wissen will, wie schön, spannend und kompliziert mittelalterliche Manuskripte sein können, ist hier bestens aufgehoben.
Nur um einmal einen kleinen Einblick in dieses verwirrende Thema zu geben, hier ein paar Anmerkungen. Das Buch von Taliesin ist nur in einem einzigen, unvollständigen Manuskript erhalten, und die beiden Lieder daraus, die auch in anderen Dokumenten erscheinen, zeigen Unterschiede in der Länge und Rechtschreibung. Garnicht zu reden von der chaotischen Interpunktuation. Wir wissen also, mangels Vergleichswerten, nicht wie verlässlich unserer vorliegendes Dokument ist. Das mittelalterliche Kymrisch war keine genormte Sprache, sondern stand am Anfang einer weltlichen Schriftkultur. Die Rechtschreibung hatte keine Norm sondern richtete sich nach dem örtlichen Dialekt. Dazu kommt, dass das Alter der Lieder stark variiert. Die ältesten Taliesin Lieder stammen aus dem sechsten Jahrhundert, die neues-ten aus dem dreizehnten. Niedergeschrieben wurde das uns erhaltene Manuskript etwa im späten dreizehnten Jahrhun-dert. Leider verstand der Schreiber nicht alles, was er da so sorgfältig kopierte. Schon die Barden der Gogynfeirdd Zeit (11. - 13. Jahrhundert) kannten nicht mehr alle Worte der älteren Sprache, denn diese hatte sich in den vorherigen Jahr-hunderten mehrmals stark verändert. Sie haben gelegentlich älteres Material verwendet und bei Bedarf erweitert und umgeschrieben, um Versmaß und Reime zu erhalten, aber dabei haben sich Missverständnisse und Unklarheiten in den Text geschlichen. Sie waren auch ausgesprochen kreativ. Manchmal haben sie kurzerhand zu alten Themen neue Ge-schichten erfunden. Aber nicht genug damit. Die vorliegenden Lieder enthalten häufig unverständliche Worte. Viele dürften Rechtschreibefehler sein. Aber wenn wir raten müssen, von welchen anderen Worten, haben wir schnell für einen einzigen Begriff eine ganze Reihe möglicher Lesungsarten, die weit voneinander abweichen.
Es gibt also, besonders bei Taliesin, keine sichere Übersetzung. Wir müssen oft Möglichkeiten abwägen. Oder den Kontext betrachten, das Versmaß oder den Endreim rekonstruieren oder vergleichbare Redewendungen der bekannteren mittelalterlichen Literatur zu Rate ziehen. Ich habe also bei meinen Übersetzungen alternative Lesungsarten in Klam-mern aufgeführt. Das sieht nicht besonders schön aus, ist aber ehrlicher als jede Übersetzung, die glatt und locker über die zahlreichen Möglichkeiten hinwegtäuscht. Wobei ich nun wirklich nicht entscheiden will, welche Interpretation stimmt. Es gibt immer noch andere Interpretationsmöglichkeiten. Manchmal können wir uns nicht einmal sicher sein, wo ein Satz anfängt oder aufhört. In ganz besonders schlimmen Fällen, wenn eine Zeile völlig unsicher ist, habe ich sie mit einem (?) gekennzeichnet.
Für einen tieferen Einblick kann ich nur empfehlen, William Skene im Vergleich mit Marged Haycocks Übersetzung Wort für Wort durchzugehen, und dabei, wenn möglich, weitere Quellen zu konsultieren. Genau so ist meine Überset-zung entstanden. Bei den Liedern aus dem Roten Buch von Hergest waren dies vor allem Übersetzungen von Kenneth Jackson (1935), bei Texten aus dem Schwarzen Buch von Carmarthen Meirion Pennar (1989) und beim Buch von Ta-liesin John Coe & Simon Young (1995), Ifor Williams (1968) Meirion Pennar (1988) sowie Squire (1975) und Tolstoy (1985). Nash (1858) wurde, in Bezug zum Buch von Taliesin, nur sehr vorsichtig mit beachtet. Beim Hanes Taliesin wurde die vereinfachte Lady Guest Version mit den Übersetzungen von Nash verglichen.
Ich bin sicher, dass meine Übersetzung viele Fehler enthält. Aber die sind unvermeidbar. Denn jede Taliesin Überset-zung ist in erster Linie die Interpretation eines reichlich schwierigen und fehlerhaften Manuskripts. Die Sprachforscher werden noch in Jahrhunderten damit ihren Spaß haben.
Talisin hat es uns nicht leicht gemacht.
Die britischen Barden sind berühmt für ihre ‘dunkle Sprache’. Genau wie die Kelten der Vorzeit liebten sie Andeutun-gen, Symbole und Rätsel, verwendeten obskure Metaphern und waren einfach gerne schwierig. Manche ihrer Lieder, wie Lobpreisungen und Sterbegedichte, wurden feierlich und gemessen vorgetragen. Andere wurden in Trancezustän-den in voller Raserei und im Telegrammstil improvisierten. Viele Taliesinverse haben ein sehr kurzem Versmaß; man-che bevorzugen fünf Silben pro Strophe. Wobei manchmal ein Dutzend oder mehr Zeilen den selben Endreim haben. Bei so kurzen Versen kommt es zu grammatikalischen Problemen. Oft beschränkten sich die Barden auf knappe Andeu-tungen. Von denen wir viele nicht verstehen. Und die Taliesins waren berühmt dafür, ständig von Thema zu Thema zu hüpfen. Wir wissen nicht einmal, ob sie überhaupt verstanden werden wollten.
Einige der späteren Taliesin Lieder sind so verworren, dass sich die Frage stellt, ob sie aus Bruchstücken zusammenge-setzt sind. Wenn in einem Lied aus dem dreizehnten Jahrhundert plötzlich über die Gwyddyl Ffichti (gälischen Pikten) geschimpft wird, ist dies ein guter Hinweis auf hohes Alter der Passage. Denn die Pikten waren schon 850 von Kenneth MacAlpin erobert und in die schottischen Völker assimiliert worden. Dummerweise sagt uns dies nichts über das Alter des restlichen Gedichtes. Von den höheren Barden wurden auch prophetische Gesänge erwartet. Gerade wenn es um Wahrsagungen und geschichtliche Referenzen geht, scheint immer wieder an den Liedern herumgebastelt worden zu sein.
Wenn dies dein erster Ausflug in die verwirrende Welt der bardischen Gesänge ist, mach dich auf einiges gefasst. Es gibt viel zu staunen, lernen, lachen. Diese Lieder sind nicht einfach zu verstehen. Dafür bleiben sie auch lange interes-sant. Du kannst immer wieder etwas neues darin entdecken.
Was du jetzt vor dir hast, ist weder geschönt noch exakt. Es ist einfach das Beste, was ich mit meinen begrenzten Mit-teln und Kenntnissen machen konnte.
Für dich sind die Lieder und Gedichte eine Herausforderung. Mehr noch, sie bieten dir die Chance, viele Jahre lang über Rätsel zu staunen, die vermutlich nie mit Sicherheit gelöst werden. Ein gutes Rätsel kann dich dein Leben lang begleiten. Es bleibt immer alt und immer jung und macht immer wieder neuen Sinn. Genau den Sinn den du jetzt für dein Leben brauchst. Und wenn du gerne Gedichte schreibst oder vielleicht eines Tages Taliesin vertonen willst, kannst du sie ja immer noch umschreiben, verbessern und für dich neu interpretieren. Das haben die Barden schon immer ge-macht. Die dunkle Göttin der Inspiration begleitet dich. Hier ist deine Chance!