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Leonhard Euler in der Humbold Universität zu Berlin 2013.
Bei Karl-Ludwig Sauer. Video mit Bild und Vortrag
von Karl-Ludwig Sauer, Vorwort von Karl-Ludwig Sauer, herausgegeben von Vortragskunst im Verlag für das Künstlerbuch zu BerlinDas Wissen und seine Artikulation sind auf eine überaus signifikante, wenngleich prekäre Art miteinander verbunden. In einem für die Kulturwissenschaft nahezu kanonischen Aufsatz hat Joseph Vogl das Auf-
tauchen neuer Wissensobjekte und Erkenntnisbereiche sogar als von der Form ihrer Inszenierung abhängig beschrieben. So folgt eine Poetologie des Wissens der These, daß jede Wissensordnung bestimmte Repräsentationsweisen ausbildet und privilegiert, und sie interessiert sich demnach für die Regeln und Verfahren, nach denen sich ein Äußerungszusammenhang ausbildet und abschließt und die Darstellung diktiert, in denen er sich seine performative Kraft sichert.
Die unter diesem Schwerpunkt versammelten Beiträge denken in diesem Zuge das Wissen und seine rhetorischen Bedingungen zusammen. Sie geben jene Formen sprachlich-symbolischer Repräsentation und jene Verfahren narrativer Gestaltung zu erkennen, die natürlichen, künstlichen, sozialen wie politischen Phänomenen Stabilität verleihen. Nicht unbeachtet bleibt dabei, dass im Produktionsprozess von Wissen selbst eine Logik am Werk ist, die mit ihren Ersetzungs- und Verschiebungsbewegungen als eine der Rhetorik beschrieben werden kann.
Die Frage nach den Entstehungskonditionen von Wissen knüpft an eine Debatte an, die die Wissenschaftsforschung im Zuge ihrer Historisierungsversuche, Eigendefinitionen und Fremdbeschreibungen dominiert.
Zunehmend wird davon ausgegangen, dass Objekte des Wissens - also materielle und nicht-materielle Gegenstände, auf die sich wissenschaftliches Erkenntnisinteresse richtet - zum Zeitpunkt ihres Auftauchens gestalt- und damit gleichsam bedeutungslos sind. Hans-Jörg Rheinbeger, Michael Hagner und Bettina Wahrig haben einschlägig darauf hingewiesen, dass solche Gegenstände erst mit der Beschreibung ihrer Eigenschaften Form und Bedeutung annehmen.2 Damit ist die Repräsentation von wissenschaftlichen Objekten nicht als Vorgang der Stellvertretung zu charakterisieren, wie auch in dem von Michel Serres mit herausgegebenen Thesaurus der exakten Wissenschaften nachzulesen ist.
Vielmehr ist Repräsentation als ein Prozess der Sichtbarmachung und Poïesis zu verstehen, von dem die Existenz eines Objektes in essentieller Weise abhängt. Die Entstehung von Wissen ist damit mit einer geradezu 'künstlerischen Kreation' von Zeichen, Symbolen und Erzählungen verbunden. Und 'Forschen' bedeutet das originelle Hervorbringen und Konfigurieren von Modellen, Beschreibungsmethoden, kategorialen Bestimmungen, Anordnungsweisen und Begrifflichkeiten. Als unverzichtbare Strategien kommen in diesem Prozess poetische Verfahren wie Narrativierung und Figurierung zum Einsatz. Dabei entfalten Narrative
und Figuren ihre epistemologische Kraft oftmals gerade in jenen Zonen, in denen ein Diskurs auseinander zu brechen droht oder gar aussetzt; an den Stellen, an denen bewährte und disziplinär etablierte Darstellungs-
systeme verlassen werden müssen oder aber dort, wo eine epistemische Ordnung in eine andere übergeht bzw. bar einer konvenablen etabliert werden muss.
Ein weiterer Aspekt, der an der wissenschaftstheoretischen Debatte Interesse weckt, ist die Diagnose, dass der beschriebene formgebende Prozess nicht zu lösen ist von seinen historischen, sozialen, diskursiven,
technologischen, experimentellen, instrumentellen und medialen Bedingungen. Diese selbst schon lange Reihung könnte noch ins Endlose fortgesetzt werden, deshalb fasse ich sie zusammen: Nicht zu trennen sind
die epistemische Produktion und ihr äußerst heterogener kultureller Kontext. Das bedeutet, dass Wissenschaft vermehrt als kulturelle Praxis verstanden wird - oder anders gesagt: dass der szientifische Komplex als ein symbolproduzierendes System zu begreifen ist, das kulturelle Bedeutung gleichsam absorbiert wie ausstößt, und wissenschaftliche Aktivität in seinen kulturellen Verflechtungen zu analysieren ist.
Auszug aus: Jeannie Moser Poetologien Rhetoriken des Wissens
Auszug aus: Jeannie Moser Poetologien Rhetoriken des Wissens