Paderborner Tagebuch 1939-1945 von Friedrich Bock | ISBN 9783739512181

Paderborner Tagebuch 1939-1945

von Friedrich Bock, herausgegeben von Helmut Bock
Mitwirkende
Autor / AutorinFriedrich Bock
Herausgegeben vonHelmut Bock
Nachwort vonChrista Bock
Buchcover Paderborner Tagebuch 1939-1945 | Friedrich Bock | EAN 9783739512181 | ISBN 3-7395-1218-0 | ISBN 978-3-7395-1218-1
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Leseprobe
1. Paderborner 2. NS-Historiker 3. Landeshistoriker Westfalen 4. Schulhistoriker

Das Tagebuch ist aus zweierlei Gründen bemerkenswert: Zum einen handelt es sich um private Aufzeichnungen eines Paderborner NSDAP-Ortsgruppenleiters, zum zweiten wird die Publikation eingeleitet vom 1940 geborenen Sohn des Tagebuchschreibers. Dabei handelt es sich unter der Überschrift »Späte Fragen an meinen Vater« um eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit den Handlungen des Vaters, einer »inneren Diskussion«, der man vielleicht nicht in allen Ergebnissen und Rückschlüssen folgen muss, die aber in jedem Fall ein ernsthaftes – und vor allem lesenswertes – Ringen um Schuld und Verstrickung des Friedrich Bock in das verbrecherische NS-Regime darstellt. Die Geschehnisse der NS-Zeit wurden nach Kriegsende – wie in vielen Familien – »beschwiegen«; die zufällige Wiederentdeckung der beiden Tagebücher mit den Aufzeichnungen für die Jahre 1939 bis 1945 gab schließlich den Anlass zur intensiven Beschäftigung mit der Familiengeschichte.
Friedrich Bock wurde 1899 in Essen geboren und evangelisch getauft, war nach dem Abitur 1918 Soldat an der Westfront, erlebte das Kriegsende im Lazarett, nahm als Student 1920 mit dem berüchtigten »Marburger Studentenkorps« im Frühjahr 1920 an der Niederwerfung kommunistischer Aufstände in Thüringen teil (Stichwort »Morde von Mechterstädt« am 25. März 1920). Er studierte Chemie, Biologie und Physik in Marburg, promovierte 1922, arbeitete bis 1930 als wissenschaftlicher Assistent in Marburg, Tübingen und Berlin, legte schließlich 1931 das Staatsexamen für das Höhere Lehramt ab, wirkte von 1932 bis 1938 als Lehrer an der Deutschen Schule in Sofia, schließlich ab 1938 in Paderborn (zunächst als Studienrat am Gymnasium Theodorianum, dann als Direktor der Reismann-Oberschule). Bock trat am 1. März 1937 in die NSDAP ein, in Paderborn war er vom Dezember 1939 bis zum Juli 1943 Ortsgruppenleiter der NSDAP-Ortsgruppe Spiringstor. – Nach dem Krieg wurde er zunächst vom Schuldienst suspendiert, später aber wieder zugelassen (zeitweilig verdiente Bock den Lebensunterhalt mit Nachhilfestunden, einer seiner Schüler: Heinz Nixdorf). Von 1956 bis 1965 arbeitete er als Schulleiter in Hagen, wo er 1972 verstarb.
Seine politische Einstellung war eindeutig deutsch-national ausgerichtet, geprägt durch »Fronterlebnis«, Freikorpserfahrung, Ruhrbesetzung, bis hin zur »Volkstumsarbeit« im Ausland. Der Eintritt in die NSDAP 1937 verwundert daher nicht. Was aber erstaunt, ist die »kritische« Distanz zum Regime während seiner Tätigkeit als NSDAP-Ortsgruppenleiter in Paderborn. Dabei dürfte es sich freilich nicht um grundsätzliche ideologische Differenzen gehandelt haben, allerdings wird die Abneigung gegen »ewige Parteibesprechungen« und »Parteikram« in den Aufzeichnungen mehr als deutlich. Der hochgebildete Parteifunktionär konnte mit der ungehobelten Kameraderie und Kumpanei der NSDAP-Parteikader und mit der plumpen Propagandamaschinerie wenig anfangen. Auch den Führerkult beobachtete Bock mit zunehmender Kriegsdauer reserviert. Die Hintergründe, die zu seiner Ablösung als Ortsgruppenleiter führen, werden jedoch aus den Tagebucheintragungen allein nicht deutlich. Es handelte sich konkret um ein Zerwürfnis mit dem Kreisleiter und hatte mit den »Vorfällen« um die Abiturfeier der Pelizaeus-Oberschule für Mädchen am 28. März 1943 und der darauffolgenden Ablösung der Direktorin Dr. Helene Stehling (1894-1993) zu tun.
Das Tagebuch der Kriegsjahre 1939 bis 1945 verdeutlicht die außerordentliche Belastung des Verfassers als Pädagoge, Parteifunktionär und Familienvater, der in unterschiedlicher Dichte und Intensität nicht nur Dienstliches und Privates, sondern darüber hinaus mit größter Akribie alle Ereignisse des Luftkriegs auflistet. Die Aufzeichnungen vermitteln ungewöhnliche, wahrscheinlich einzigartige Einblicke in das Binnenleben der lokalen Paderborner Parteiorganisation. U. a. räumt es eindrucksvoll auf mit dem langlebigen Klischee »man habe nichts gewusst«: Am 30. März 1943 berichtet Bock von einem Gespräch mit einem ehemaligen Schüler, jetzt Soldat an der Ostfront, der von »fürchterlichen« Aktionen, »d. h. von dem systematischen Beseitigen der Juden« berichtet: »Es graut & schaudert einen & ekelt einen an. Kann so etwas zu einem guten Ende führen?«
Mit den Tagebuchaufzeichnungen des Friedrich Bock liegt eine wissenschaftlich fundierte Quellenedition zur Geschichte der Stadt Paderborns während der NS-Zeit vor, die im Übrigen auch überregional von Bedeutung ist. Das alltägliche Leben während der Kriegsjahre wird in zahlreichen Facetten veranschaulicht; deutlich werden darüber hinaus beispielsweise auch die Grenzen der Propaganda. – Die Originale der beiden Tagebücher wurden inzwischen dem Stadt- und Kreisarchiv Paderborn übereignet.
Wilhelm Grabe, in: Die Warte 80, 2019, Heft 183

Paderborner Tagebuch 1939-1945

von Friedrich Bock, herausgegeben von Helmut Bock
Mitwirkende
Autor / AutorinFriedrich Bock
Herausgegeben vonHelmut Bock
Nachwort vonChrista Bock
Dr. Friedrich Bock hat Tagebuch über die Paderborner Kriegsjahre 1939-1945 geführt. In seinen öffentlichen Funktionen als Direktor des Reismann-Gymnasiums sowie zeitweiliger Leiter einer NS-Ortsgruppe war er in das damalige Zeitgeschehen eingebunden. Das Leben im Spannungsfeld von totalitärem Regime, den Schrecken des Bombenkriegs, Familie, Beruf, sozialem Umfeld und Freizeit wird in einer bislang unbekannten Detailliertheit festgehalten. Hin- und hergerissen zwischen Betroffenheit, Stolz und Scham setzt sich der Sohn Helmut in seiner Hinführung zum Tagebuch intensiv mit dem seit langem verstorbenen Vater auseinander. Eine Auseinandersetzung, die auch den heutigen Leser herausfordert, Position zu beziehen.