Vermisstensachbearbeitung von Werner Märkert | ISBN 9783878631972

Vermisstensachbearbeitung

von Werner Märkert
Buchcover Vermisstensachbearbeitung | Werner Märkert | EAN 9783878631972 | ISBN 3-87863-197-9 | ISBN 978-3-87863-197-2

Vermisstensachbearbeitung

von Werner Märkert
Diese Ausgabe unserer kleinen Fachbuchreihe Pocket Tipps widmet sich auf vielfachen Wunsch einem sehr anspruchsvollen und zugleich auch sehr emotionalem Thema: Der Vermisstensachbearbeitung.
Wir hoffen, dass wir auch diesmal wieder unseren Kolleginnen und Kollegen eine schnelle theoretische und vor allem praktische Hilfe sowie Unterstützung für Studium und Praxis geben können.
Das Thema „Vermisste“ lässt nicht auf den ersten Blick erkennen, welche brisante und umfangreiche Thematik sich dahinter verbergen kann.
Die Polizei steht in solchen Fällen oft vor einem menschlichen Schicksal mit ungewissem Ausgang. Fast immer sind Vermisstenanzeigen geprägt von hohen emotionalen Ausnahmezuständen, Ratlosigkeit, Ängsten und Hilflosigkeit der Freunde und nahen Angehörigen der vermissten Person.
Gerade die Einschätzung und Bearbeitung von Vermisstensachen erfordert ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl. Viele Fälle erledigen sich zwar von selbst, dies sollte aber keine Rechtfertigung für unterlassene Maßnahmen sein.
In den meisten Fällen ist ein hohes Engagement und kriminalistisches Erfahrungswissen erforderlich. Wird ein Vermisster schließlich sogar tot aufgefunden, so werden wir nicht selten von nahen Angehörigen mit dem Vorwurf konfrontiert, ob wir mit schnelleren oder anderen Suchmaßnahme nicht den Tod des vermissten Menschen hätten verhindern können. Deshalb ist insbesondere bei vermissten Kindern stets höchste Eile geboten und sämtliche zur Verfügung stehenden Einsatzmittel (technisch/personell) einzusetzen.
Die Informationsflut bei der Anzeigenaufnahme und der oft komplexe, zum Teil aber auch verwirrende Sachverhalt sowie die nicht immer einfache Motivfindung fordern ein hohes Maß an Engagement, Akribie, Sensibilität und kriminalistischer Erfahrung. Immer wird eine langwierige Kleinarbeit erforderlich sein, wenn schon weit vor der Anzeigenerstattung Personen aus dem sozialen Umfeld der vermissten Person versagt haben und deshalb ihr „Wissen“ über die wahren Motive des Vermisstseins schamhaft zurückhalten.
Einige Polizeibeamte erkennen aber auch eine Vermisstenmeldung nicht sofort als „polizeiliches Problem“ und agieren deshalb, verständlich angesichts des hohen personellen und technischen Aufwandes, bei sogenannten ad hoc Vermisstenlagen lieber abwartend. Sie begründen das manchmal mit der polizeilichen Erfahrung, dass die meisten der vermissten Personen ohnehin nach wenigen Tagen wieder unverletzt in ihren gewohnten Lebensbereich zurückkehren.
Eine weitere Ursache dafür liegt sicherlich im geringen „Stellen- und Zählwert“, den die polizeiliche Vermisstensachbearbeitung z. B. bei der Personalzumessung hat. Während die polizeilichen Aufgaben und die forensischen Anforderungen an die Beweisführung im Strafverfahren ständig steigen, werden von der Politik bundesweit Polizeistärken drastisch bis hin zur Strafvereitelung reduziert. Dieser negative Trend hat Auswirkungen auf fast alle polizeilichen Arbeitsbereiche und ist deshalb nicht nur bei der allgemeinen Sachbearbeitung zu beobachten, sondern fordert auch in der Vermisstensachbearbeitung seinen traurigen Tribut. Gerade zur Nachtzeit oder an den Wochenenden gelangt die Polizei sehr schnell an die Grenze dessen, was sie mit dem vorhandenen Personal noch leisten kann.
Demgegenüber werden an die Vermisstensachbearbeitung durch die Polizei hohe Erwartungen gestellt, denen der aufnehmende Beamte nur gerecht werden kann, wenn er engagiert, kritisch, fach- und themenkompetent sowie routiniert die Vermisstensache angeht und in jedem neuen Fall eine Herausforderung sieht. Ausschließlich spontane, undifferenzierte und „checkheftgeleitete“ Ermittlungshandlungen sind hier oft fehl am Platz, insbesondere dann, wenn die Ereignishypothese „Verbrechen“ nicht gänzlich auszuschließen ist.
Besonders belastend für den kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter sind anschließend Fälle der sogenannten „Langzeitvermissten“. Angehörige und Freunde sind mit einer solchen Lage überfordert und klammern sich dabei oft an ein Wunder, von welchem auch vereinzelt in der Presse tatsächlich zu lesen ist. Immer wieder fordern sie von der Polizei ständig weitere Maßnahmen. Ein „Loslassen“ ist ihnen nicht möglich und sie entwickeln ein verständliches, aber in Ansätzen verzweifeltes Festhalten mit einem hohen emotionalen und öffentlichen Druck auf die Polizei. Nicht selten bedürfen die Angehörigen dabei einer professionellen, auch seelsorgerischen Hilfe, bei der der polizeiliche Sachbearbeiter dann ein wertvoller Wegbereiter sein kann.